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KI-Agenten werden schon bald in vielen kommunalen und staatlichen Behörden eingesetzt, um Menschen zu beraten und Dokumente zu sortieren. Der KI-Experte Professor Steffen Eckhard über Chancen und Risiken für die Verwaltungen.
Digitalisierung | 15. Mai 2025 | Interview von Ronny Arnold | Lesezeit: 7 Minuten
Künstliche Intelligenz (KI) nutzen mittlerweile viele, aber eine richtige Vorstellung, wo sie in Zukunft tatsächlich helfen kann, haben wir nur zum Teil. Das gilt auch für Verwaltungen, die häufig noch mit der Digitalisierung kämpfen. Und manche haben auch Angst, dass KI in den Bürostuben zu mehr Problemen führt, oder am Ende sogar Arbeitsplätze vernichtet. Herr Eckhard, wie kann uns künstliche Intelligenz in der Verwaltung voranbringen?
Steffen Eckhard: Verwaltungen arbeiten mit unglaublich vielen Dokumenten, vor allem Anträgen in verschiedensten Ämtern. Das ist eine Flut von Papieren, bestenfalls bereits digitalen, die sortiert und ausgewertet werden müssen. Da kämpfen viele Mitarbeiter:innen mit einem Rückstau, weil sie die Aktenberge kaum noch bewältigen können. Und da kommt künstliche Intelligenz in Spiel, die heute schon Dokumente vorsortieren und etwa abgleichen kann, ob alle notwendigen Angaben vollständig sind. Und bekannte Programme wie ChatGPT oder auch Tools, die extra für die Verwaltung programmiert werden, können Dokumente vorbereiten, vereinfachen oder zusammenfassen. Auch Reden schreiben oder zumindest Vorschläge erarbeiten können KI-Programme schon, etwa in der höheren Verwaltung.
KI-Agenten sind Softwareprogramme, die mit ihrer Umgebung interagieren und Aufgaben ausführen können. Welche konkreten Beispiele kennen Sie?
Vor ein paar Jahren wurden etwa die Berechtigungen für Wohngeldanträge verändert. In den meisten Kommunen in Deutschland hat sich dadurch das Antragsvolumen verdoppelt oder verdreifacht. Und damit sind dann auch die Bearbeitungszeiten für diese Anträge nach oben gegangen, teilweise bis zu einem Jahr. Das ist ein großes Problem, weil ein großer Teil der Aufgaben der Sachbearbeiter:innen zuerst nur darin besteht, Anträge dahingehend zu prüfen, ob überhaupt alle notwendigen Dokumente da sind. Das kann aber auch eine KI prüfen und schauen, ob alles vollständig und ausgefüllt ist, und kann das klassifizieren und ablegen. Wenn das funktioniert, kann die Bearbeitungsdauer etwa halbiert werden, das ist absolut effektiv. Oder auch im Jugendamt, wo es etwa um eine bestimmte Anzahl von Anzeigen für Kindeswohlgefährdung geht. Da können KI-Tools entscheiden – mittels Akten, die sich über 20 Jahre angesammelt haben – welche Vorhersagen getroffen werden können. KI-Tools helfen also bei der Frage, wo definitiv Sachbearbeiter:innen gebraucht werden, die einen Fall übernehmen und hinfahren.
Eine KI soll entscheiden, ob geholfen wird oder nicht. Ist das ethisch vertretbar?
2017 wurde in Deutschland das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) novelliert und da wurde die Möglichkeit geschaffen, Verwaltungsprozesse komplett zu automatisieren. Also diese im Prinzip an eine künstliche Intelligenz zu übertragen. Allerdings nur, wenn in diesen Prozessen kein Ermessensspielraum besteht. Das ist etwa so, wenn man geblitzt wird und die Sachlage klar ist. Dann kann das Blitzerfoto vollautomatisiert verarbeitet und an den Fahrsünder überstellt werden. Da gibt es keinen Spielraum und es braucht keinen Menschen im Prozess mehr.
Aber schon beim Wohngeldantrag und natürlich beim Jugendamt gibt es Ermessensspielräume. Und hier muss die KI gemeinsam mit Menschen arbeiten. Das heißt, die Programme bereiten alles auf und vor – und die Mitarbeiter:innen treffen dann die finalen Entscheidungen. Das kann die Arbeit effektiver machen und die Abläufe schneller. Und so kann die Hilfe tatsächlich verbessert werden.
Wie weit sind die Verwaltungen hier tatsächlich?
Noch am Anfang, würde ich sagen. Es sind im Moment noch die einfachen Abläufe, die KI unterstützen kann. Verwaltungen haben ChatBots auf ihren Webseiten platziert oder machen ihren Mitarbeiter:innen KI-Chats zugänglich. Zukünftig vorstellbar wäre auch der Einsatz in Jobcentern, wenn es darum geht, regelmäßig Arbeitssuchende zu kontaktieren. Das sind zumeist immer sehr ähnliche Abläufe und Abfragen nach der aktuellen Situation, Jobangeboten, Weiterbildungen, anzuzeigenden Veränderungen. Das kann die künstliche Intelligenz übernehmen, also anrufen und alles aufnehmen. Die Informationen kommen dann in die Akte und die Sachbearbeiter:innen können direkt darauf zugreifen.
Professor Steffen Eckhard
Steffen Eckhard ist Professor für Public Administration und Public Policy an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Außerdem ist er Mitglied des Exzellenzclusters “The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz und Fellow am Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin.
Er beschäftigt sich mit dem Management öffentlicher Organisationen und deren Einfluss auf Politik und Gesellschaft, von der kommunalen bis zur internationalen Ebene der Politikgestaltung. Im Dezember 2024 hat er vom Europäischen Forschungsrat eine Förderung in Höhe von zwei Millionen Euro zur Erforschung von KI in der Verwaltung bekommen. Damit will er in den nächsten fünf Jahren herausfinden, „wie die Menschen über einen Staat denken, der sich von künstlicher Intelligenz repräsentieren lässt und was der Einsatz von KI-Agenten beispielsweise mit dem Vertrauen in diesen Staat macht“.
KI braucht Digitalisierung. Wo stehen wird da?
Digitale Akten und Dokumente sind natürlich die Voraussetzung, um zukünftig mit KI zu arbeiten. Wir haben da schon seit einigen Jahren das Onlinezugangsgesetz und das macht Druck auf die Verwaltungen, schneller zu digitalisieren. Aber da gibt es leider noch einen großen Flickenteppich und keinen einheitlichen Zeitplan. Am Ende liegt es in der Autonomie einzelner Behörden und Ämter, wie weit sie sind und wie schnell sie das vorantreiben.
Die aktuelle Diskussion um ein Digitalministerium in Deutschland geht da in die richtige Richtung. Dass man also da stärker zentralisiert, um die Voraussetzungen für Digitalisierungsprozesse zu schaffen. In den Kommunen ist es sehr unterschiedlich, manche haben schon viel digitalisiert und können dementsprechend auch erste KI-Tools nutzen. Andere hantieren noch mit Papierakten, da kann ich natürlich viele dieser KI-Prozesse noch gar nicht einsetzen.
Das klingt nach sehr viel Geld, welches die Kommunen erst einmal investieren müssen. Lohnt sich das?
Das lohnt sich, wenn man langfristig denkt, auch wenn da natürlich erst einmal investiert werden muss. Denn in ganz vielen Kommunen in Deutschland findet gerade ein demografischer Wandel statt, da haben wir ganz viele unbesetzte Stellen. Und wir wissen, dass sich das Problem in den nächsten zehn Jahren noch verschärfen wird, weil ungefähr 30 Prozent der Mitarbeiter:innen im öffentlichen Dienst in den Ruhestand gehen. Diese Stellen können nicht alle nachbesetzt werden, sie bleiben unbesetzt. Aber das Geld für diese Stellen ist da, weil sie im Budget eingeplant sind. Und hier kann man einen Teil des Geldes doch nehmen und etwa in KI-Prozesse investieren, wenn diese einen Teil der Routineprozesse übernehmen und Verfahren beschleunigen. Langfristig wird es so billiger, auch wenn zunächst Investitionen notwendig sind.
Ist die Angst einiger Mitarbeiter:innen gerechtfertigt, dass KI ihnen bald die Arbeit wegnehmen könnte?
Der Bedarf, im Arbeits- wie auch im Privatleben mit Tools wie Google Translate oder ChatGPT zu arbeiten, ist groß. Natürlich gibt es da Unterschiede, ob jemand gerade in der Ausbildung ist, in den ersten 15 Jahren seines Berufslebens oder schon sehr lange dabei. Die einen sind der neuen Technologie gegenüber aufgeschlossener als andere. Aber es gibt in Deutschland einen großen Fachkräftemangel, der geht durch viele Branchen und betrifft definitiv auch die Verwaltungen. Der öffentliche Dienst muss schauen, dass die Aufgaben trotzdem noch bewältigt werden. Deswegen denke ich nicht, dass wir hier einen Konflikt haben und die Ängste berechtigt sind.
Denn es geht vielmehr darum, wie man mit dem Stellenmangel, der sich sicherlich in den nächsten Jahren noch verschärfen wird, umgeht. KI kann hier helfen, indem sie Prozesse vereinfacht und automatisiert. Künstliche Intelligenz ist kein Ersatz für den Menschen, sondern arbeitet an seiner Seite. Da geht es um Arbeitserleichterung und Effizienz, nicht um Konkurrenz. Und auch KI kann Fehler machen. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen in der öffentlichen Verwaltung arbeiten, KI bedienen können, informiert sind und gut ausgebildet. Um zu verstehen, wie eine KI funktioniert, wo Fehlerquellen sind.
Gibt es Länder, die in ihren Verwaltungen heute schon erfolgreicher KI einsetzen als wir?
Es gibt natürlich die Vorreiter, die auch im Bereich der Digitalisierung immer genannt werden. Dazu gehören die baltischen Länder, also Estland und Litauen. Aber speziell im Bereich KI gibt es bisher nicht das eine Land, das sich schon als Vorreiter etabliert hätte. Im Moment sind alle noch dabei, die nötige Infrastruktur für KI-Anwendungen zu schaffen.
Ein generelles Problem ist, dass viele Tools von Drittländern kontrolliert werden, etwa den USA, wo wir uns nicht mehr so ganz sicher sind, ob das wirklich unser bester Alliierter ist oder nicht. Da geht es auch um Sicherheitsfragen: Was passiert etwa mit sensiblen Daten, mit denen wir solche Modelle füttern? Zum Beispiel beim Wohngeldantrag, bei dem bereits sehr viele persönliche Daten erhoben werden. Wir müssen sicher sein, dass die nicht in die falschen Hände geraten.
Informationen, die im Jugendamt gesammelt werden, sind teilweise noch sensibler. Da gibt es ganz klar eine Sorgfaltspflicht des Staates: Nämlich dafür zu sorgen, dass das alles absolut sicher ist. Und vor diesem Hintergrund muss eine eigene Infrastruktur aufgebaut werden, die solche Daten verarbeitet und schützt. Dazu gehören Server und Rechenzentren, die mindestens in Europa laufen, besser noch in Deutschland. Das muss alles noch weiter auf- und ausgebaut werden, da stehen wir noch am Anfang.
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