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Von Petra Keller und Sarah Gräf
Gesellschaftliche Umbrüche, Krisen oder die Gefährdung unserer Demokratie: Non-Profit-Organisationen spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. Innovatives Arbeiten und Flexibilität sind dabei wichtig, auch wenn prekäre Bedingungen, wie begrenzte Ressourcen, Projektzwänge und Förderlogiken die Arbeit vieler Organisationen erschweren. Und zusätzlich: Scheitert eine neue Idee, trifft das nicht nur die Finanzierung, sondern auch die Zielgruppe und den Auftrag, dem sich die Organisation verpflichtet hat. Dieses Spannungsfeld beeinflusst, wie mutig oder zögerlich Organisationen das Thema Innovationsmanagement angehen. Wie können NPOs ihre Routinen durchbrechen, Raum für Neues schaffen und Impulse setzen? Wie lassen sich kleine Veränderungen umsetzen, um innovatives Arbeiten zu ermöglichen?
In diesem Thema im Fokus beschäftigen wir uns mit dem Feld Innovationen und Innovationsmanagement. Was bedeutet es, innovativ zu arbeiten? Und wie beeinflussen Machtasymmetrien oder fehlende Teilhabe die Frage, was als innovativ gilt?
…Innovation bedeutet, Strukturen, Prozesse, Produkte, Angebote oder Denkweisen gezielt zu erneuern, um spürbaren Mehrwert zu schaffen. Sie erfordert eine Haltung, die Offenheit und Anpassungsfähigkeit vereint.
…Innovationsmanagement steuert und fördert bewusst den gesamten Innovationsprozess in einer Organisation, von der Idee bis zur Umsetzung. Ziel ist es, Bedingungen zu schaffen, unter denen neue Lösungen entstehen, erprobt und dauerhaft etabliert werden. Es verbindet Ressourcen, Zeit und eine Organisationskultur, die Fehler zulässt, Offenheit fördert und Beteiligung ermöglicht.
…soziale und gesellschaftliche Innovation: In NPOs bedeutet Innovation nicht nur technologische Neuerungen, sondern auch soziale, strukturelle oder wertebasierte Veränderungen. Dazu zählen etwa neue Partizipationsformate, Ansätze für Inklusion oder eine erweiterte Arbeit mit Zielgruppen. Der Begriff "social innovation" (gesellschaftliche Innovation) steht für neue Ideen, die darauf abzielen, neue Lösungen für gesellschaftliche Ungerechtigkeit und Problemlagen zu schaffen.
…Gender Innovation: Steht für ein feministisches und intersektionales Verständnis von Innovation. Es hinterfragt Machtstrukturen in der Gesellschaft und strebt Geschlechtergerechtigkeit, soziale Teilhabe und Nachhaltigkeit an. Innovation bedeutet hier, das Gemeinwohl durch gesellschaftlichen Wandel zu fördern. Ein Beispiel ist das 9-Euro-Ticket: Es ermöglichte für kurze Zeit einen bundesweit günstigen Zugang zum öffentlichen Nahverkehr. Besonders Menschen mit geringem Einkommen – überdurchschnittlich viele Frauen, Alleinerziehende und Beschäftigte in prekären Jobs – profitierten davon.
…Kreativität bedeutet, neue, originelle und nützliche Ideen zu entwickeln – allein oder im Team. Sie bildet oft den Ausgangspunkt für Innovation, folgt aber keiner festen Steuerung. In Organisationen gilt Kreativität als Ressource, aus der Innovationen entstehen. Damit sie Wirkung zeigt, braucht sie Struktur und Freiraum.
Um innovatives Arbeiten zu fördern, gibt es verschiedene Wege. Einen ganzheitlichen Ansatz bietet Design Thinking. Design Thinking ist nicht nur eine Methodensammlung, sondern liefert als Mindset wertvolle Anstöße, besonders für NPOs, die oft mit knappen Ressourcen und starren Strukturen kämpfen. Es fordert dazu auf, Formen der Zusammenarbeit, Haltungen und Prozesse neu zu denken und Offenheit zu fördern. Im Kern stehen interdisziplinäre Teams, Empathie für die Zielgruppe und kontinuierliches Lernen. Selbst ohne den kompletten Design-Thinking-Prozess können die Prinzipien dieses Ansatzes wertvolle Impulse liefern.
Im MuP-Interview spricht Miriam Yasbay mit uns über Innovationsmanagement in Non-Profit-Organisationen und wie Raum für innovatives Arbeiten geschaffen werden kann. Miriam Yasbay ist Innovations-Designerin, Zukunftsforscherin und Entrepreneurin. Sie begleitet Organisationen weltweit dabei, Produkte, Serviceangebote, Leadership-Kompetenzen und Teams zu entwickeln.
Das Progressive Democracy Lab der Friedrich-Ebert-Stiftung hat junge, engagierte Menschen aus vielen Ländern eingeladen, ihre Zukunftsideen für eine starke Demokratie und eine solidarische Gesellschaft zu teilen, weiterzuentwickeln und umzusetzen. Die jungen Ideengeber*innen wurden dabei über fünf Monate von Innovationscoaches unterstützt. Es wurden Ideen ausgewählt, die zur Lösung drängender gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen. Der zusätzlich verliehene Zukunftspreis der Demokratie ging an die Kampagne „Social Media Pop Culture – Bisagra“ aus Chile. Weitere Infos
Mit welchen Werkzeugen können zivilgesellschaftliche Organisationen kritisch über Zukünfte nachdenken? Dieser Frage widmete sich Futures Probes gemeinsam mit ihrer Projektpartnerin SUPERRR Lab. In einer dreiteiligen Lernreise beschäftigten sich 15 Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Futures Literacy. Im Fokus standen die Fragen, wie Futures Literacy dabei unterstützen kann, den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen, Narrative zu hinterfragen und alternative Szenarien und Visionen zu entwickeln. Weitere Infos
…Futures Literacy beschreibt die Fähigkeit, sich verschiedene Zukünfte vorzustellen, sie zu entwerfen und daraus Handlungsoptionen für die Gegenwart abzuleiten. Anders als klassische Prognosen zielt sie nicht auf Vorhersagen, sondern auf den bewussten Umgang mit Unsicherheit, um fundiertere Entscheidungen im Heute zu treffen. Sie befähigt Menschen und Organisationen, Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges kritisch zu hinterfragen und alternative, wünschenswerte Szenarien zu entwickeln, für die sie eintreten und die sie aktiv gestalten. Im Rahmen von Innovationsmanagement lenkt Futures Literacy den Blick von reiner Problemlösung hin zur aktiven Gestaltung der Zukunft. Während Innovationsmanagement oft neue Produkte oder Dienstleistungen entwickelt, hinterfragt Futures Literacy die Annahmen hinter diesen Prozessen.
Wenn Veränderung wirklich angestrebt wird, bergen innovatives Arbeiten und auch das Mindset aus agilen Methoden wie Design Thinking großes Potential. Damit Innovation nicht zur Zusatzbelastung wird, sondern als Teil der Organisationsentwicklung wirken kann, braucht es jedoch passende strukturelle, personelle und kulturelle Rahmenbedingungen. Im Alltag von Non-Profit-Organisationen sind diese Voraussetzungen nicht immer gegeben. Wie können wir mit den bestehenden Ressourcen gesellschaftliche Veränderungen anstoßen? Welche ersten Schritte fördern innovativeres Arbeiten?
Feministische und intersektionale Perspektiven auf soziale Ungleichheiten können Innovationen vorantreiben: Indem Benachteiligungen, etwa anhand von Geschlecht, Herkunft oder sozioökonomischer Status, analysiert werden, lassen sich passgenaue Lösungen entwickeln, die an den Schnittmengen dieser Herausforderungen ansetzen. Innovation ist jedoch nicht neutral und Innovationsfähigkeit auch eine Frage von Machtverhältnissen. Eine machtkritische Perspektive fragt nicht nur, wie Innovation gelingt, sondern wer überhaupt als innovativ gelten darf. Und wessen Wissen, Zeit und Perspektiven systematisch ausgeschlossen werden.
Viele Innovationsansätze (z. B. Design Thinking) basieren auf akademisiertem, westlich geprägtem Innovationswissen. Alternative Wissensformen, etwa aus aktivistischen, migrantischen, indigenen Kontexten, werden nicht oder kaum einbezogen. Auch ist die finanzielle Förderung von Innovationen häufig an Standards geknüpft, die große Organisationen begünstigen. Damit bremsen Förderlogiken oft genau die Initiativen aus, die Innovation für marginalisierte Gruppen denken.
Reflexionsfragen für NPOs:
Der soziale Brutkasten: Wie gesellschaftliche Innovationen besser gelingen – Wirtschaftsuniversität Wien
Demokratische Innovationen. Beteiligungsformen in Deutschland – Prof. Dr. Brigitte Geißel; Felix Hoffmann; FES-Policy Paper
Es muss nicht immer kompliziert sein – MuP-Interview mit Miriam Yasbay
Futures literacy laboratory playbook – UNESCO; Prince Mohammad bin Fahd
Gender Innovation – Vorschlag für ein feministisches Innovationsverständnis – Stefanie Elies, FES-Impulspapier
Is Your Nonprofit Built for Sustained Innovation? – Stanford Social Innovation Review
Innovation in NGOs: Von Neugierde und Mut zum Scheitern – Fundraisingbox.com
Nonprofit Management und Innovation: Innovationsmanagement – Elisabeth Hasse; CEPS, Universität Basel
Zur Unterstützung der Recherche und Vorformulierung sowie Lektorat von Teilen der Texte wurde ChatGPT eingesetzt.
Das FES-Handbuch bietet eine Sammlung beteiligungsorientierter Methoden und Formate sowie Impulse für politische Bildungsangebote.
weitere Informationen
Das MuP-Trainingsbuch stellt praxisnah Vorgehensweisen und Instrumente des Veränderungsmanagements in NPOs vor.
Die Broschüre zur Fachtagung 2019 zeigt, was unter Organisationskultur verstanden wird, und wie diese analysiert und weiterentwickelt werden kann.
Die Uni Coburg stellt im Rahmen des Studiengangs ZukunftsDesign mit "InnoMate" eine digitale Methodentoolbox für innovatives Arbeiten bereit – u.a. mit: Design Thinking, Walt Disney Methode, Story Telling und Think Aloud.