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Bei der Umsetzung der europäischen Asylreform in nationales Recht gibt es gerade in puncto Bewegungseinschränkungen noch viel Nachbesserungsbedarf.
Im Zuge der Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in nationales Recht will die Bundesregierung gleichermaßen auf Humanität, Solidarität und Ordnung setzen. Bei den derzeit im Bundestag diskutierten Gesetzesentwürfen stehen jedoch im wesentlichen weitere Verschärfungen, insbesondere der Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden im Mittelpunkt. Inwiefern diese humanitäre Grundsätze unterminieren und ob sie überhaupt sinnvoll zu mehr Ordnung in der Asylpolitik beitragen, wurde am 15.10.2025 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Migration verstehen“ der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert.
Mit den neuen Regelungen plane die Bundesregierung den durch die EU-Richtlinien im Zuge der GEAS-Reform gewährten Ermessensspielraum bis zum Äußersten auszunutzen. Formulierungen wie ‚Ausweitung der Wohnpflicht‘, die einen bis zu 24-monatigen Aufenthalt in neuen sog. Sekundärmigrationszentren vorsieht, oder Begriffe wie ‚Aufenthaltspflicht‘, die den permanenten Aufenthalt in eben diesen Zentren vorgibt, seien Euphemismen, die den de facto Aspekt der Haft lediglich verschleiern, so Prof. Dr. Markard, Mitgründerin der Refugee Law Clinic in Hamburg. Zusammen mit der angestrebten ‚Asylverfahrenshaft‘, die eine Inhaftierung während der Durchführung des Asylverfahrens nach richterlicher Anordnung bedeuten würde, sei eine fahrlässige Aushöhlung des Rechts auf Freiheit der Person zu befürchten. Dies liege daran, dass Inhaftierungen nicht immer als letztes Mittel (ultima ratio) im Einzelfall angeordnet würden, sondern mit diesen nach EU-Recht lediglich optionalen Maßnahmen ein systematisches Anwenden drohe. Da Bewegungsfreiheit jedoch als reale Voraussetzung humaner Existenz und als Grundbedingung für die Verwirklichung anderer Grundrechte unabdingbar sei, stünden die Vorzeichen derzeit auf eine inhumane Politik gegenüber Asylsuchenden. Schließlich, so Markard, habe es wenig mit Rechtsstaatlichkeit zu tun, wenn Asylsuchende eingeschüchtert werden und man ihnen im Falle ihres Kommens ausschließlich mit Härte begegne.
Viel zu oft verstößt diese Härte dabei nicht nur gegen geltendes Recht, sondern ist außerdem gar nicht zielführend. So wies Carolina Gottardo, Anwältin und Geschäftsführerin der International Detention Coalition, darauf hin, dass die Inhaftierung von Kindern eine Form von Gewalt darstelle und laut internationalem Recht unter allen Umständen verboten sei. Sie erinnerte daran, dass Deutschland sich beim Überprüfungsforum zum globalen Migrationspakts 2022 genau dazu verpflichtet habe. Gleichzeitig betonte sie, dass es funktionierende Alternativen zur Inhaftnahme gebe. Dazu gehöre insbesondere das individuelle Fallmanagement, dass Asylsuchenden und Migrant_innen bis zu einer Entscheidung einen Aufenthalt in einer Gemeinde vor Ort ermöglicht. Dies ist nicht nur menschenwürdiger und effektiver sondern sei mit Bezug auf Unterbringungs-, Versorgungs- und Verfahrenskosten auch erheblich kostengünstiger. Für Gottardo profitieren von restriktiven Freiheitsbeschränkungen für Asylsuchende lediglich zwei Gruppen: private Firmen, die in diesem Sektor Dienstleistungen und Fertiglösungen anbieten, und rechtspopulistische Akteure, deren Ziel die Kriminalisierung von Migration ist.
Die Situation der inhaftierten Menschen selbst gerät dabei meist ganz aus dem Blick. Für sie entstehe oft ein Gefühl des Ausgeliefertseins und des Unverständnisses bezüglich einer Inhaftierung, berichtete Stefan Keßler, Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts in Deutschland. Hinsichtlich der geplanten Errichtung von Sekundärmigrationszentren und einer permanenten Aufenthaltspflicht befürchtet er eine noch stärkere Isolation der Schutzsuchenden, große Herausforderungen für die Kommunen, in denen die Zentren gebaut werden sollen und schwer zu überwindende Hürden in der Bereitstellung von Rechtsberatungsangeboten. Dabei sei Letzteres eine Pflicht des Gesetzgebers und solle keine Last für die Betroffenen darstellen, die sich neben sprachlichen Barrieren auch mit einer hochkomplexen Rechtslage konfrontiert sehen.
Die Abgeordneten der SPD im Deutschen Bundestag sind sich laut Sebastian Fiedler, innenpolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, der Kritik sehr wohl bewusst. Diese würden in die nun anstehenden parlamentarischen Beratungen einfließen und bislang habe es noch an jedem eingebrachten Gesetz Änderungen gegeben, so Fiedler.
In der Diskussion wurde zusätzlich die gesellschaftliche und symbolische Dimension der Gesetzesentwürfe thematisiert. Man müsse bei den Debatten im Bundestag unbedingt den Menschen im Blick behalten, sich der Signalwirkung bewusst sein und einer fortschreitenden Entsolidarisierung und Enthumanisierung entgegenwirken. Schließlich werde Deutschland schon bald um Migration werben müssen, anstatt gegen sie zu kämpfen.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde deutlich, dass Abschreckung und Inhaftierungen weder dazu beitragen, Migration zu steuern, noch würden dadurch rechtsextreme Kräfte geschwächt. Für die weiteren Verhandlungen plädierten die Redner:innen für evidenzbasierte Migrationspolitik, die die Alternativen zur Inhaftierung ernstnehme und dem inhumanen Umgang mit Asylsuchenden ein Ende setze.
Joscha Wendland ist Politikwissenschaftler und derzeit am WZB in der Forschungsgruppe „Globalisierung, Arbeit und Produktion“ tätig. Er recherchiert und schreibt aus Berlin zu politischen und gesellschaftlichen Themen, vorrangig mit Blick auf Arbeitsmarktthemen und Migration. Für die Friedrich-Ebert-Stiftung hat er bereits diverse Recherchen angefertigt und die SPD-Migrationskonferenz begleitet. Sein Herzensthema, auch untermauert durch sein ehrenamtliches Engagement, ist eine menschenwürdige Zukunft der Arbeit.
Die Veranstaltung war Teil unserer Reihe „Migration verstehen“, in der wir zentrale Konzepte der aktuellen Debatte gemeinsam mit Expert_innen und Praktiker_innen aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft diskutieren, einordnen und auf ihre politische Tauglichkeit hin prüfen.
Weitere Informationen sowie anstehende Termine finden Sie auf dieser Webseite.
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