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die Öffentlichkeit der digitalen GesellschaftVon Lars Klingbeil„Kein Stein wird auf dem anderen bleiben!“ Mit dieser Quintessenz wird nicht etwa der Schlussbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des 17. Deutschen Bundestags beginnen. Mit diesen Worten beginnt vielmehr das Vorwort des Schlussberichtes der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“aus dem Jahr 1998. (1)Oft wird der Politik vorgeworfen, die Herausforderungen der digitalen Gesellschaft lange Zeit ignoriert zu haben, um sie dann vor allem als überkomplexes und kaum lösbares Problem zu diskutieren und die Gefahren zu beschwören. Dies stimmt jedoch nur zum Teil. Wenn man sich heute mit einem Abstand von über zehn Jahren die Berichte der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ anschaut, dann hat die Politik durchaus bereits damals die richtigen Fragen gestellt und um Lösungsvorschläge gerungen, aber diese sind weitgehend folgenlos geblieben. Umso massiver treten jetzt die Herausforderungen, die mit dem Wandel der digitalen Gesellschaft einhergehen, auf die politische Agenda und umso hilfloser wirkt manchmal die Politik in dem Versuch, analoge Lösungsmodelle auf die digitale Welt zu übertragen.Nach der desaströsen Debatte über die Netzsperren und dem Achtungserfolg der Piratenpartei bei der Bundestagswahl hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen im vergangenen Jahr erneut eine Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ eingesetzt. Im Einsetzungsbeschluss heißt es wie folgt: „Das Internet ist das freiheitlichste und effizienteste Informationsund Kommunikationsforum der Welt und trägt maßgeblich zur Entwicklung einer globalen Gemeinschaft bei.“ Dieses Kommunikationsforum steht für den umfassenden gesellschaftlichen Wandel bei der Herausbildung der digitalen Gesellschaft und für einen in seinen Auswirkungen kaum überschaubaren Strukturwandel der Öffentlichkeit.Diese Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung zur digitalen Öffentlichkeit rückt diesen gesellschaftlichen Wandel und den Strukturwandel der Öffentlichkeit in den Fokus. In den Beiträgen sollen die demokratischen Werte und ihr derzeitiger Wandel, die Frage der Grundrechte im digitalen Zeitalter, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt im Netz, die neuen Möglichkeiten und Formen der Teilhabe, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der Umgang mit Informationen undDiese Chancen gilt es zu nutzen, damit auch die digitale Gesellschaft eine demokratische, offene und pluralistische Gesellschaft bleibt, denn mit der Digitalisierung einher sind auch völlig neue Formen von Überwachungsgesellschaft denkbar.eine Vielzahl anderer Themen behandelt werden. Durch alle Beiträge zieht sich beinahe wie ein roter Faden die Erkenntnis, dass all diese Chancen und Potenziale der digitalen Gesellschaft ohne Medienkompetenz und ohne eine digitale Selbstständigkeit vertan werden. Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hat hierzu in ihrem zweiten Zwischenbericht „Medienkompetenz“ festgestellt: „Das Internet ist zu einer Basistechnologie geworden, ohne die viele Potenziale nicht mehr erschlossen werden können. Die digitale Selbstständigkeit aller Bürgerinnen und Bürger ist daher ein wichtiges Ziel.Welche Möglichkeiten und Fähigkeiten generell und für bestimmte Lebenslagen erforderlich sind, lässt sich vermutlich nicht so konkret wie bei einem Warenkorb bestimmen. Dennoch bedarf es einer Konkretisierung, um feststellen zu können, wann staatliche Fördermaßnahmen unabdingbar sind. Ein kompetenter, gestaltender Umgang mit Medien und dem Internet ist eine Voraussetzung zur Beteiligung des Einzelnen am gesellschaftlichen Diskurs. Medienkompetenz wird damit zum Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe in Bildung und Ausbildung, Arbeit, Gemeinwesen und Politik. Medienkompetenz ist eine Basiskompetenz der Gesellschaft!“ (2)Mit dem Strukturwandel der Öffentlichkeit eröffnen sich herausragende Chancen für die politische Kommunikation und für die Teilhabe an politischen und parlamentarischen Prozessen, aber auch für jeden Einzelnen. Diese Chancen gilt es zu nutzen, damit auch die digitale Gesellschaft eine demokratische, offene und pluralistische Gesellschaft bleibt, denn mit der Digitalisierung einher sind auch völlig neue Formen von Überwachungsgesellschaft denkbar. Eine große, herausragende Chance der digital vernetzten Demokratie ist beispielsweise die Möglichkeit, mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Dialog zu treten. Während die traditionellen Medien Informationen bereitstellen, bietet das Internet zahlreiche Kommunikationsplattformen,wo ein Austausch von Informationen und Meinungen stattfinden kann. (3) Die neuen Formen von Partizipation fasst Kathrin Voss in diesem Sammelband wie folgt zusammen: „Das Netz bietet neue Formen von Partizipation, sowohl von Staatsseite als auch von zivilgesellschaftlichen Akteuren organisiert. Die Chancen, Bürger und Bürgerinnen verstärkt in den politischen Prozess einzubinden, sind also vorhanden, werden aber vor allem bei den Top-down-Möglichkeiten bisher nur in einem sehr eingeschränkten Maße von den Menschen wahrgenommen. Das hat sicherlich zum einen etwas damit zu tun, dass diese Verfahren noch neu sind und man erst Erfahrungen damit sammeln muss. Auf der anderen Seite wird es sicherlich notwendig sein, bei den staatlichen Angeboten ein gewisses Maß an Verbindlichkeit zu schaffen, um die Bürger und Bürgerinnen zur Beteiligung zu motivieren. Im Gegensatz dazu stellt die Beteiligung bei den zivilgesellschaftlichen Angeboten meist kein Problem dar, aber eine hohe Beteiligung kann nicht mit einer entsprechenden Wirkung gleichgesetzt werden. Bei der Vielzahl von Organisationen und Einzelpersonen, die inzwischen diese Kampagnenformen nutzen, besteht die Gefahr, dass die damit verknüpften Botschaften in der Masse der Petitionen und Massen-E-Mails untergehen.“ (4)Das bedeutet, dass die Teilhabeund Partizipationspotenziale zwar vorhanden sind, allerdings noch nicht in dem wünschenswerten Umfang wirklich wahrgenommen und genutzt werden. Vor allem hat es aber damit zu tun, dass bei vielen Angeboten zwar eine Meinung abgegeben werden kann, es aber dann keine tatsächliche Rückkopplung und Einbindung in die Diskussionsund Entscheidungsprozesse gibt.Doch nicht nur die Teilhabemöglichkeiten können sich verbessern, sondern vor allem auch die Transparenz von politischen und parlamentarischen Prozessen. Ein Stichwort hier ist Open Data. Open Data basiert auf der Grundidee, dass es gesellschaftlich vorteilhaft wäre, wenn Daten für jedermann frei zugänglich gemacht werden. Gemeint ist damit vor allem die Zugänglichmachung nicht personenbezogener Daten in maschinenlesbaren Formaten aus Politik und Verwaltung. Dabei ist diese Idee nicht neu, neu sind allerdings der Begriff, die Maschinenlesbarkeit und die geforderte Reichweite. Die Zugänglichmachung von Dokumenten und Datenbeständen wird seit vielen Jahren unter dem Terminus „Informationsfreiheit“ diskutiert. Notwendig wäre es also, die Open-Data-Debatte mit der Informationsfreiheitsdebatte zu verknüpfen, denn Open Data ist ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage nicht möglich. Die Öffnung von Politik und Staat geht nur, wenn die Informationsfreiheit weiterentwickelt und mit Open-DataStrategien kombiniert wird. Die bestehenden Informations-Wo bislang überwiegend klassische Medien zur Meinungsäußerung. und Berichterstattung genutzt wurden, kommt nun das Netz als. weitere und vor allem als umfassend vernetzte Plattform hinzu.freiheitsgesetze des Bundes und in zahlreichen Bundesländern waren ein wichtiger erster Schritt zur Öffnung von politischen Institutionen und Verwaltungen. Diese müssen weiter ausgebaut und mit Open-Data-Strategien verknüpft werden. Dies ist auch aus wirtschaftlicher Sicht notwendig, um die Ressourcen Information und Daten in der öffentlichen Hand zu heben und zu veredeln. Hier liegen erhebliche Potenziale für kreative und innovative Ideen sowie für neue BusinessOpen-Data-Geschäftsmodelle.Das Internet ermöglicht es darüber hinaus jedem Einzelnen, vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen und vor allem auch seine Meinung zu äußern. Wo bislang überwiegend klassische Medien zur Meinungsäußerung und Berichterstattung genutzt wurden, kommt nun das Netz als weitere und vor allem als umfassend vernetzte Plattform hinzu. Jeder Einzelne kann sich durch eigene Webseiten, Blogs, Foren etc. präsentieren und erklären. Zu beobachten ist hier eine neue demokratische Vielfalt der Meinungsbildung. Im weltweiten Netz haben auch solche (politischen) Akteure eine Chance zur Artikulation, die bei den klassischen Medien oftmals kein Gehör fanden. Zudem verweisen zunehmend etwa Weblogs auf Webseiten der traditionellen Medien und umgekehrt richten auch die klassischen Massenmedien ihre Aufmerksamkeit auf die Blogosphäre. Ermöglicht werden kann so ein kommunikatives Wechselspiel zwischen den klassischen Medien und der sich kommunikativ betätigenden „Bürgergesellschaft“. Dies wird auch Auswirkungen haben auf die bisherige Agenda-Setting-Funktion der Medien und das strenge „Gatekeeping“ der massenmedialen Öffentlichkeit. Auch wird die traditionelle Unterscheidung zwischen Sender und Empfänger oder zwischen Medien und Nutzer vielleicht nicht grundsätzlich hinfällig, aber durchlässiger und neben die von den traditionellen Medien verfassten Öffentlichkeiten treten neue, digitale Öffentlichkeiten – auch Gegenöffentlichkeiten. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die Auswahl aus dieser Vielzahl an Informationen und vor allem das Einordnen und Bewerten immer wichtiger werden, womit der Bogen erneut zur Medienkompetenz und der digitalen Gesellschaft gespannt ist.Netzpolitische Themen erfahren im Moment eine große Aufmerksamkeit. Dies ist auch dringend geboten, denn allzu lange hat man die Digitalisierung und die damit verbundenen Fragestellungen ignoriert oder aber den Versuch unternommen, der digitalen Welt mit analogen Regelungen beizukommen – und ist damit natürlich oft kläglich gescheitert. Wenn man in einigen Jahren auf diese netzpolitische Debatte zurückschaut, dann wird man vielleicht sagen, dass die Debatte über die Netzsperren so etwas wie der Startschuss war für das Zeitalter einer digitalen Demokratie. Die Netzaktivisten und viele, die sich ihnen angeschlossen haben, haben dem Deutschen Bundestag in der Netzsperren-Debatte ordentlich die Leviten gelesen, weil es darum gehen muss, die Auswirkungen der Digitalisierung zu begreifen und politisch damit umzugehen. Die Digitalisierung verändert alles und wir können nicht nur mit symbolisch wirksamen Mechanismen wie Stoppschildern oder unverhältnismäßigen Strafen wie der Kappung des Internetzugangs arbeiten. Wir brauchen neue Antworten, die den technischen und gesellschaftlichen Umbrüchen, die mit der Digitalisierung einhergehen, gerecht werden. Das ist aus meiner Sicht die wahre netzpolitische Aufgabe der kommenden Jahre. Es geht nicht nur darum, Twitter zu verstehen oder Facebook richtig zu nutzen. Es geht darum, dass die Politik in der Lage ist und die notwendige Bandbreite hat, um mit der Digitalisierung Schritt zu halten und den Gestaltungswillen und den Gestaltungsanspruch nicht zu verlieren.(1) Schlussbericht der Enquete-Kommission„Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“, BT-Drs. 13 / 11004, S. 2.(2) Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommission„Internet und digitale Gesellschaft“: Medienkompetenz, BT-Drs. 17 /7286 vom 21.10.2011.(3) Ein Beispiel ist die Beteiligungsplattform der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ www.enquetebeteiligung.de(4) Dr. Kathrin Voss: Demokratische Beteiligung per Web, in diesem Band, S. 43.
Lars Klingbeil ist Mitglied des Deutschen Bundestages und vertritt die SPD in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft.“ Klingbeil lebt in Munster in der Lüneburger Heide und führt dort die SPD im Landkreis SoltauFallingbostel. www.lars-klingbeil.de
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