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Das Recht, am Wissen der Menschheit teilzuhaben

Von Sebastian Moleski

Das gesamte Wissen der Menschheit sammeln und jedermann frei zugänglich machen – mit dieser Idee startete 2001 das Portal Wikipedia. Inzwischen ist die Online-Enzyklopädie mit weit mehr als 450 Millionen Besuchern im Monat die weltweit größte Wissenssammlung und wird von Schülern, Lehrern, Politikern, Wissenschaftlern – kurz – von uns allen genutzt.

Doch wie funktioniert Wikipedia? Welche Bedeutung hat der freie Zugang zu Wissen für unsere Gesellschaft und wie gehen wir kritisch mit Wahrheit und Wissen um?

In den vergangenen zehn Jahren ist das Internet zum zentralen Medium der Informationsbeschaffung geworden. (1) Zuvor bestand die Herausforderung darin, Quellen zu beschaffen, um Wissen zu erhalten. Heute liegt ein weit höherer Anspruch auf dem Filtern, Auswählen und Bewerten der meist umfangreich vorhandenen Informationen. (2) Im Hinblick auf bildungsrelevante Inhalte ist wohl keine Plattform im Internet von solcher Bedeutung wie die Wikipedia. In deutscher Sprache bietet sie inzwischen weit über 1,3 Millionen Einträge – ausgedruckt sind dies mehr als 670 Bände im Lexikonformat.

Unterschätze nie, was eine kleine Gruppe engagierter Menschen tun kann, um die Welt zu verändern. Tatsächlich ist das das Einzige, was je etwas bewirkt hat. (Margaret Mead)

Werkzeuge wie Wikis haben es leicht gemacht, über Dinge zu schreiben und dieses Wissen zu veröffentlichen. Der Grundgedanke eines Wikis ist es, dass jeder alles bearbeiten kann, jeder kann zugleich Leser und Autor sein. In der Wikipedia zum Beispiel spielt es keine Rolle, wer einen Enzyklopädieartikel angefangen hat. Der Nutzer braucht nur auf „Bearbeiten“ zu klicken, Änderungen vorzunehmen, zu speichern und schon ist ein Text veröffentlicht. Diese kollaborative Arbeitsweise macht Wikis so reizvoll. Mit Artikeln zu Themen wie der Nuklearkatastrophe in Fukushima, den Anschlägen in Norwegen oder den landesweiten Aufständen in Libyen zeigt sich, dass Wikis eine einfache, aber weitreichende Gelegenheit zum Veröffentlichen und Austauschen von Informationen bieten. Damit erzeugt Wikipedia eine Umlaufgeschwindigkeit von Informationen, die keine Redaktion in dieser Schnelligkeit und mit vergleichbarem Fachwissen leisten könnte. Nachrichtenmeldungen werden in Blogs und Diskussionsbeiträgen verarbeitet, per E-Mail und Chat weitergeleitet und in Wikipedia-Artikel eingebaut.

Mit dieser neuen Informationswelt geht ein Paradigmenwechsel für unsere Gesellschaft einher. Neue Kompetenzen werden gefordert, die bisher nur wenigen vermittelt wurden. Das Zauberwort heißt: Medienkompetenz. Richtige von falschen Informationen unterscheiden zu können verlangt Kompetenzen, die erlernt und angewendet werden müssen. Früher

Damit erzeugt Wikipedia eine Umlaufgeschwindigkeit von Informationen, die keine Redaktion in dieser Schnelligkeit und mit vergleichbarem Fachwissen leisten könnte. Nachrichtenmeldungen werden in Blogs und Diskussionsbeiträgen verarbeitet, per EMail und Chat weitergeleitet und in Wikipedia-Artikel eingebaut.

hieß es, man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht. In unserer stark dezentralisierten, digitalen Informationswelt muss man nicht nur wissen, wo etwas steht: Man muss auch wissen, wie man mit dieser Information umgeht bzw. wieviel die Information wert ist.

Wikimedia Deutschland sieht sich hier in der Verpflichtung, den kritischen Blick vor allem auf die im Rahmen des eigenen Angebots bereitgestellte Information zu schärfen, und hat u. a. das Wikipedia-Schulprojekt ins Leben gerufen. Das Projekt soll Schülern wie Lehrern die Stärken und Schwächen der Wikipedia verständlich machen. Ziel ist es, durch Aufklärung für den Abbau von Vorurteilen zu sorgen, erste Kenntnisse zu den Methoden und Strukturen der Wikipedia zu vermitteln und den richtigen und kritischen Umgang mit dem Online-Lexikon zu schulen.

Der Umgang mit der Wissensquelle ist nach wie vor ein schwieriges Thema

Während Wikipedia viel Wert darauf legt, die zitierten Wissensquellen anzugeben, übernehmen die Medien häufig ungenannt Fakten aus dem Lexikon. Werden dabei Fehler gemacht (Beispiel falscher Guttenberg-Vorname), ist die Kritik über die mangelnde Qualität und Zuverlässigkeit von Wikipedia groß. Dabei gibt es Möglichkeiten, sich als Journalist der Zuverlässigkeit der Angaben zu versichern – selbst wenn keine anderen Quellen zur Verfügung stehen. Das setzt aber voraus, die Funktionsweise des Lexikons zu verstehen. Diese besteht darin, die falschen Angaben eines Artikels selbst zu korrigieren. Wer einen Fehler entdeckt und diesen verbessert, tut nicht nur sich und den nachfolgenden Lesern damit einen Gefallen. Er versteht auf diese Weise auch besser, wie das Lexikon funktioniert und wo Hinweise auf weitere Quellen zu finden sind.

Schaut man beispielsweise in die Versionsgeschichte eines Artikels, so kann die Historie Auskunft darüber geben, welche Autoren bestimmte Einträge gemacht haben. Dort kann der Leser außerdem ganz genau sehen, welche Änderungen vorgenommen wurden. Inhaltliche Kontroversen oder der Austausch über Relevanz sind häufig Thema auf der Diskussionsseite, die es zu jedem Artikel gibt. Darüber hinaus sind die von der Autorengemeinschaft gewählten „exzellenten“ und „lesenswerten“Artikel von guter Qualität und besitzen hohe Vertrauenswürdigkeit, da sie meist von zahlreichen Autoren überprüft wurden und Qualitätskontrollen durchlaufen haben.

Die internationale Bewegung wächst weiter


Der Zugang zu freiem Wissen ist längst nicht überall eine Selbstverständlichkeit. Wikipedia, inzwischen ein Enzyklopädieprojekt mit über 20 Millionen Artikeln in 280 Sprachen, steht noch eine lange Expansionsphase bevor. In vielen Gegenden ist der Zugang zu Wissen und Bildung historisch bedingt immer noch Luxus. Menschen in Entwicklungsländern, die durch die neue Kenntnis modernerer Produktionsmethoden effizienter arbeiten und ihren eigenen Status verbessern, durch eine umfassendere Bildung ihre Gesellschaft transformieren und weiterentwickeln wollen, die mit dem Ehrgeiz ausgestattet sind, ihre Umgebung positiv zu beeinflussen, können mit den neuen Werkzeugen des Internets zum ersten Mal in die Lage versetzt werden, diesen Traum zu realisieren. Es liegt nun an uns, dafür zu sorgen, dass ihnen diese Möglichkeit nicht verwehrt wird. Die große Herausforderung für uns alle wird es sein, diejenigen in die neue Wissensgemeinschaft zu integrieren, die traditionell keinen Zugang haben. Auch hierfür setzt sich Wikimedia Deutschland ein und unterstützt internationale Projekte wie den Fotowettbewerb‚ „Wiki loves Monuments“ oder vergibt Stipendien an ehrenamtliche Mitarbeiter zur Teilnahme an globalen Treffen.

Helfen Sie uns in unserer Mission, den freien Zugang zu Wissen und Bildung überall zur Selbstverständlichkeit zu machen.

    Wikimedia Deutschland wurde im Mai 2004 von Autoren der Wikipedia in Berlin gegründet. Heute hat der gemeinnützige Verein über 1.400 Mitglieder, eine effizient arbeitende Geschäftsstelle und ein umfangreich ausgebautes Rechenzentrum, das Nutzern nicht nur europa-, sondern weltweit den Zugang zu freiem Wissen im Internet ermöglicht. Rund 20 Mitarbeiter kümmern sich bei Wikimedia Deutschland hauptamtlich um Spendengewinnung, Presseund Öffentlichkeitsarbeit, Erstellung von Informationsund Aufklärungsmaterial, Freiwilligenförderung, Planung und Organisation von Veranstaltungen zur Förderung freien Wissens sowie der technischen Infrastruktur. Auf Basis dieser schlanken Personaldecke unterstützt der Verein das rasante Wachstum der Wikipedia und der weiteren Wikimedia-Projekte. Wikipedia und die Schwesterprojekte sind werbefrei und unabhängig und basieren ausschließlich auf ehrenamtlichem Engagement und Spenden.

    Eine Bewegung für freies Wissen ist eine Bewegung für Menschenrechte und für soziale Veränderung. Jeder kann dazu etwas beitragen: ob durch Geld-, Zeitoder Wissensspenden.



(1) Siehe dazu in dieser Publikation: Herbold, Dr. Astrid: Der Wandel der Wissensgesellschaft, S. 59ff.

(2) Siehe dazu in dieser Publikation: Özoguz, Aydan: Medienkompetenz – Herausforderung in der digitalen Gesellschaft, S. 31ff


Sebastian Moleski ist Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung freien Wissens e. V. Moleski lebt in München und ist dort seit 2009 Geschäftsführer des Domain-Registrars Net-Service24. www.wikimedia.de

 


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