Landesbüro Nordrhein-Westfalen

Mittwoch, 20.10.21 17:00 bis Mittwoch, 20.10.21 19:00

"Heute für Morgen: Den Wandel gestalten für die gute Gesellschaft"


Terminexport im ICS-Format

Veranstaltungsbericht

"Heute für Morgen: Den Wandel gestalten für die gute Gesellschaft"

Unsere Gesellschaft ist im Umbruch. Vor allem der voranschreitende Klimawandel drängt zu umgehendem Handeln. Nicht zuletzt in den derzeitigen Koalitionsverhandlungen für die neue Bundesregierung wird deutlich, dass die Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation eines der wichtigsten gesellschaftlichen Projekte der nächsten Jahre sein wird. Die Debatte um dieses Zukunftsthema umfasst nahezu alle Lebensbereiche und ist geprägt von Fragen nach geeigneten Maßnahmen und angemessenen Zielsetzungen. Zunehmend werden auch Stimmen laut, die auf die vermeintliche Unvereinbarkeit von Klimaschutz und sozialen Aspekten verweisen.

Wie kann eine nachhaltige Umgestaltung von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft so realisiert werden, dass sowohl dem Klimawandel entgegengewirkt als auch soziale Ungleichheit bekämpft wird? Welche sozialen und ökologischen Innovationen braucht es, um aktuelle Transformationsprozesse zu gestalten? Und: Wo sollte die Politik jetzt konkret ansetzen? In der Online-Diskussion „Heute für Morgen – Den Wandel gestalten für die gute Gesellschaft“ des Landesbüros NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung wurden diese und weitere Fragen zur Ausgestaltung des Zusammenspiels von Klimagerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit intensiv debattiert.

Pauline Brünger, Sprecherin von Fridays for Future, betonte den engen Zusammenhang von ökologischen und sozialen Herausforderungen und nannte beispielhaft die globale Ungleichheit zwischen den Ländern, die die Klimakrise hauptsächlich (mit-)verursachen und jenen, die am meisten unter den Folgen zu leiden haben. Auch sprach sie von einer „Gerechtigkeitskrise zwischen den Generationen“ und erläuterte, dass eine „historische Last aus der Vergangenheit in die Zukunft getragen“ und somit zu einer Herausforderung im intergenerationalen Miteinander werde. Die Vorstellung, dass soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz unüberwindbare Gegner seien, sieht sie als Missverständnis im Kern der Debatte und betonte die Chancen eines sozial-ökologischen Wandels. Angesichts der eng miteinander verknüpften ökologischen und sozialen Herausforderungen sei es nun essenziell, „radikal Emissionen zu reduzieren“. Als zentrale Themenfelder benannte Pauline Brünger Wohnen, Mobilität und den Umgang mit bereits existierenden Klimafolgen.

Kevin Kühnert, Mitglied des Bundestages, schloss daran an und betonte im Zuge seines Statements, dass das Thema der Ökologie von eindeutigen, indiskutablen physikalischen Grenzen geprägt sei, während sich die soziale Komponente der Transformation „mit dem politisch deutlich heikleren Bereich“ beschäftige. Dort ginge es schließlich um die Frage nach den Auswirkungen auf uns Menschen, unsere Lebensräume, unsere ökonomischen Verhältnisse, den Unterschied zwischen Stadt und Land und die globale Ebene. Bezüglich der sozialen Komponente der Debatte stelle sich allgemein die Frage nach „Verteilungsgerechtigkeit in einem grundsätzlichen Sinne“. Mit Blick auf sein politisches Fachgebiet, das Bauen und Wohnen, verwies Kühnert darüber hinaus beispielhaft auf das Potential von Holz als CO2-bindenden Werkstoff, der in Form von Holzverschalungen für Gebäude Teil einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft werden könne. Bezüglich des Bereichs der Mobilität nannte er den fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehr als „wirksamsten Beitrag zur Mobilitätswende“.

Die darauffolgende Debatte unter Moderation von Foresight und Innovation Expertin Barbara Busse  rückte zunächst die globale Perspektive in den Fokus. Auf die Frage, wie der Import von Strom aus dem Ausland zu bewerten sei, antwortete Pauline Brünger mit dem Hinweis, dass solche Stromimporte nicht immer eindeutig als schlecht oder gut zu deklarieren seien. Allgemein bezeichnete sie Stromreserven aus dem Ausland als wichtig, mahnte aber gleichzeitig, dass das nichts sei, „worauf man sich ausruhen kann“ und forderte daher auch den Ausbau der nationalen Stromnetze. Das aktuell stark debattierte Beispiel ‚Nordstream 2‘ verurteilte sie klar als „Katastrophe, die hier im Anmarsch ist“.

Mit Blick auf die weltweiten ökonomischen Verflechtungen wies Moderatorin Barbara Busse auf die Gefahr hin, dass innovative Unternehmen Standortvorteile außerhalb von Deutschland als Anreiz sehen könnten, in anderen Ländern zu produzieren und bat Kevin Kühnert um seine Einschätzung. Dieser wiederum stellte klar: „Ich glaube schon, dass man hier noch gegensteuern kann.“ Er beschrieb es als zentrale Aufgabe, dass Deutschland das Vorantreiben moderner Technologien aktiv mitgestaltet, auch damit politischer Einfluss auf die Rahmenbedingungen dieser Innovationen genommen werden könne: „Innovationsströme werden kommen. Und wenn sie nicht bei uns zu unseren Konditionen in einem von uns geschaffenen Regelrahmen stattfinden, dann finden sie woanders in der Welt statt.“

Im weiteren Verlauf der Diskussion stellte die Moderatorin beiden Gesprächspartner_innen die Frage, welche Wünsche sie bezüglich der sozial-ökologischen Transformation haben und was sie umsetzen würden, hätten sie die Macht dazu. Pauline Brünger nannte daraufhin zuerst den flächendeckenden, kostenlosen ÖPNV. Des Weiteren unterstrich sie die Bedeutung einer Abkehr von fossilen Energien: „Ich würde mir wünschen, dass wir den Kohleausstieg 2030 festmachen.“ Sie rundete ihre Aufzählung essenzieller Maßnahmen mit der Forderung nach einer internationalen Klimafinanzierung im Sinne des Pariser Klimaabkommens ab und erläuterte, dass mindestens 14 Milliarden Euro jährlich dafür investiert werden müssten.

Kevin Kühnert nannte erneut ein Beispiel aus dem Bereich Bauen und Wohnen und formulierte den Wunsch nach einer Pflicht, Ölheizungen zu ersetzen. Generell sei es aus seiner Sicht sinnvoll, nach dem Motto „first things first“ zu handeln und inhaltlich aufgeladene Debatten um weniger zentrale Themen des Klimaschutzes zu vermeiden, wie beispielsweise die Diskussion über die Abschaffung von Inlandsflügen. Stattdessen seien seiner Ansicht nach „der Energiebedarf des Industriestandorts, die Energie- und Wärmeversorgung im Gebäudebereich und die Frage, wie unsere Mobilität umgestellt und bereitgestellt werden kann“, zentrale Themen, die in den Fokus gerückt werden müssten.

Vor dem Hintergrund der Dringlichkeit einer sozial-ökologischen Transformation stellte Barbara Busse die Frage, ob es ein Generationenproblem bezüglich des Bewusstseins der angesprochenen Probleme gebe. Pauline Brünger stellte klar, dass Schuldzuweisungen nicht helfen und lenkte die Diskussion stattdessen auf das generelle Problem, dass viele „die Klimakrise noch nicht so verstanden haben, wie sie ist“. Des Weiteren kritisierte sie, dass viele Politiker_innen aus einer sozialen Erwünschtheit heraus leere Phrasen über den Klimaschutz verbreiteten, anstatt tätig zu werden.

Kühnert hob hervor, dass „Alter überhaupt nicht der entscheidende Punkt“ sei. Stattdessen seien drei andere Faktoren zentral für die Bereitschaft zu klimapolitischem Engagement: die politische Grundeinstellung, der Bildungsgrad und die persönlichen ökonomischen Verhältnisse. In dem Zusammenhang warb er dafür, jede_n einzubeziehen und diejenigen, die nachhaltigen Ideen prinzipiell zugänglich sind, möglicherweise aber auch mit anderen sozialen Herausforderungen konfrontiert sind, nicht abzuhängen.

Abschließend konstatierte Kühnert mit Blick auf das Thema der Finanzierung, dass es in einer Übergangsphase der Transformation zu Mehrkosten komme, die gesellschaftlich und politisch ausgeglichen werden müssten. Gleichzeitig wagte er einen Blick in die Zukunft und verdeutlichte, dass „irgendwann die Phase kommt, wo das Neue konkurrenzfähig sein kann und sich auf dieser Grundlage durchsetzen soll“.

Brünger hob in ihrem Abschluss-Statement die Forderung hervor, dass sich das Ziel der Klimagerechtigkeit möglichst im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung widerspiegeln solle und unterstrich, dass „Klimaschutz alleine nicht funktionieren wird, wenn wir das in einem neoliberalen Dogma machen.“ Sie bilanzierte schließlich, dass die soziale Komponente einer Transformation nicht nur eine Ergänzung, sondern wesentlicher Bestandteil sein müsse.

Autor: David Schlingmann

Redaktion: Landesbüro NRW, Friedrich-Ebert-Stiftung

Bild: Heute für Morgen 3zu2 von FES


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