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Friedrich Ebert (1871-1925), der erste Reichspräsident der Weimarer Republik, stand als Sozialdemokrat für pragmatischen Reformismus und demokratische Stabilität. Aus bescheidenen Verhältnissen aufgestiegen, prägte er maßgeblich die frühe deutsche Demokratie. Ebert verband sein Engagement für die Arbeiterbewegung mit einem starken Verantwortungsbewusstsein für den Staat. Trotz innerparteilicher Kritik und Anfeindungen von außen stand Ebert kompromissbereit für eine Politik der Mitte, die auf Konsens und Ausgleich zielte. Eberts Erbe, das sich in seinem Einsatz für soziale Gerechtigkeit und demokratische Werte manifestiert, macht ihn zu einer Schlüsselfigur der deutschen Geschichte und der Arbeiterbewegung.
Hören Sie den Eintrag zu Friedrich Ebert auch als Hörbuch. (Hörzeit 10:25 Minuten)
Friedrich Ebert (* 4.2.1871 · † 28.2.1925) gab mit dieser Verpflichtung zur Überparteilichkeit am 11. Februar 1919 nach seiner Wahl zum Reichspräsidenten vor der Weimarer Nationalversammlung sein Leitmotiv des politischen Handelns an der Spitze der ersten Republik wieder. Als Denker der Sozialdemokratie hatte sich Ebert, auf seinem Weg in der Partei getragen von einem pragmatischen Reformismus, nicht hervorgetan, wohl aber als ein Mann der Verantwortung und des Gestaltungswillens.
»Ich bekenne aber auch, dass ich ein Sohn des Arbeiterstandes bin, aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus, und dass ich weder meinen Ursprung noch meine Überzeugung jemals zu verleugnen gesonnen bin.«
In diesem Spannungsfeld zwischen Staatsinteresse und Parteiräson stand Ebert sechs Jahre an der Spitze einer von vielen ungeliebten Republik.
Der im Reichsgründungsjahr 1871 als siebtes von neun Kindern eines Schneiderehepaares in Heidelberg geborene Ebert durchlebte die typische Kindheit und Jugend in einem Kleinhandwerkerhaushalt. Er ging nach Volksschule und Sattlerlehre 1889 auf Wanderschaft, auf der er sich der von Staat und Gesellschaft unterdrückten Sozialdemokratie anschloss. Nach 14 Jahren in Bremen, wo er sich das Rüstzeug eines Parteiarbeiters erwarb und dank Engagement, Redetalent und Organisationsfähigkeit sowie autodidaktisch erworbenen Kenntnissen in Sozialpolitik und Sozialrecht zu einem führenden regionalen Parteifunktionär aufgestiegen war, wurde er 1905 in den zentralen SPD-Vorstand und 1913 zu einem der beiden Parteivorsitzenden gewählt.
Dem Pragmatiker, der die ausufernden theoretischen Debatten innerhalb der SPD als wenig sachdienlich verwarf, ging es dabei immer darum, die politische Schlagkraft der Partei zu erhöhen, um so dem kaiserlichen Klassenstaat Reformen abzuringen. Unter diesen Zeichen stand auch die von ihm im Ersten Weltkrieg bis zuletzt verfolgte »Burgfriedenspolitik«, die für ihn kein Wendepunkt, sondern Markstein auf dem Weg zum Endziel, der Integration der SPD in die Nation und der Reform des Staates zu einer Demokratie, darstellte. Doch diese Stillhaltestrategie führte 1917 zur Abspaltung der USPD, die Ebert bis zuletzt zu verhindern versucht hatte, war ihm die Einheit der Partei doch das höchste Gut.
Als das Reich im Oktober 1918 in Agonie lag, drängte er die SPD gegen Widerstände innerhalb der eigenen Reihen zum Eintritt in die erste parlamentarisch abgestützte Regierung. Es sei ihre »verdammte Pflicht und Schuldigkeit«, sich in die »Bresche zu werfen« (Mühlhausen 2007: 100). Hierin spiegelte sich eine während des Krieges immer stärker gewordene Identifikation mit dem Schicksal des Reiches wider, die sich mit einem über die eigene Partei hinausreichenden Verantwortungsethos paarte – beides Elemente, die sein Handeln in staatspolitischer Funktion nach dem 9. November 1918 prägen sollten.
Friedrich Ebert stieg im Krieg zu einem auch über die eigene Partei hinaus beachteten Politiker auf und wurde zur Schlüsselfigur in dem durch den totalen Kriegseinsatz und die Revolution geschwächten Reich. Vom jähen militärischen Zusammenbruch überrascht, trat er in der schier ausweglosen Lage in die Verantwortung, als der letzte kaiserliche Reichskanzler Prinz Max von Baden am 9. November 1918 ihm die Kanzlerschaft übertrug. Das Ziel war klar: »Die Demokratie ist für Reich und Volk eine Lebensnotwendigkeit.« (Braun/Mühlhausen 2012: 135) Das leitete Ebert auch als führendes Mitglied der tags darauf aus SPD und USPD gebildeten sechsköpfigen Revolutionsregierung, die in einer der komplexesten Problemlagen deutscher Geschichte der neueren Zeit das Erbe des Kaiserreiches und die Folgelasten des verlorenen Krieges zu überwinden, zugleich den reibungslosen Übergang in den demokratischen Verfassungsstaat zu bahnen hatte. Es war Verdienst und Leistung von Ebert und der Revolutionsregierung, dass angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen das Chaos vermieden wurde und schon im Februar 1919 ein Reichsparlament seine Arbeit aufnehmen konnte. Aus Furcht vor revolutionären Verwerfungen wurden dabei Basiskompromisse eingegangen, die von Zeitgenossen und rückblickenden Historikern als zu weitreichend angesehen wurden.
Doch wer geleitet war von dem Glauben, dass die Republik nur dann lebensfähig war, wenn die gesellschaftliche Kluft zwischen »Reichstreuen« auf der einen Seite und den sozialdemokratischen »vaterlandslosen Gesellen« auf der anderen überwunden wurde, und wer weiterhin den Wählerwillen als Richtmaß politischen Handelns nahm, der konnte keinen grundlegend anderen Kurs steuern, als ihn Ebert in den drei Revolutionsmonaten 1918/19 für notwendig hielt. Auch als Reichspräsident waren das seine Orientierungsmarken.
Anders als von den Verfassungsschöpfern gedacht, die in einem machtvollen Reichspräsidenten ein Gegengewicht zu Parlament und Kabinett installieren wollten, verstand sich Ebert nicht als Gegenpol, sondern immer als Teil der Reichsregierung. Für ihn war die Einigkeit der Regierung unverrückbare Maxime. Fortwährend um den Konsens bemüht, sah er seine Rolle als Hüter der Verfassung. Dabei schöpfte er die präsidialen Verfassungsrechte voll aus und formte das höchste Staatsamt zu einer machtvollen Institution im politischen Koordinatensystem der Republik. Dazu kam ein hohes Maß an Pflichtgefühl, das umso mehr wiegt, als andere sich, mitunter recht leichtfertig, der Bürde des Amtes entledigten. Wenn er 1922 vor Parteifreunden davon sprach, dass Sozialdemokraten gelernt hätten, »dort stehen zu bleiben«, wohin sie gerufen worden seien (Mühlhausen 2007: 994), so forderte er das auch von anderen ein.
Alles Handeln stand dabei unter dem Ziel, die Funktionstüchtigkeit der Republik zu sichern. Dabei warb er für die Einsicht, dass der Kompromiss zwischen den Interessengruppen zum unverrückbaren Bestandteil einer parlamentarischen Demokratie gehörte. Er hielt die ideologisch-programmatischen Hürden zwischen den Parteien für überwindbar und forderte stets eine Unterordnung parteitaktischer Ziele unter das abstrakt formulierte Wohl des Staates ein. So drängte Ebert beständig auf eine breite Regierungsmehrheit. Doch dem stand die Segmentierung in eine Vielzahl von Parteien entgegen, die in ihren Milieus verhaftet blieben. Eberts Maßnahmen stießen mitunter auf Widerspruch in der SPD. Darüber konnte auch der Schutzkordon, den die SPD-Führung auf dem Parteitag 1924 bildete, nicht hinwegtäuschen, als sie Anträge, den vormaligen Vorsitzenden Ebert aus der SPD auszuschließen, gar nicht erst zuließ. Erst als die Demokratiegegner in ihrem blinden Hass gegen die Republik den Reichspräsidenten als Symbolfigur der neuen Ordnung mit einer perfiden Diffamierungskampagne überzogen, näherten sich Ebert und seine Partei wieder an.
Am 28. Februar 1925 starb Friedrich Ebert. Damit endete der Lebensweg eines Politikers, der sich Demokratie und soziale Gerechtigkeit als Lebensziel gesetzt hatte. Auch dank seiner Politik, die nicht frei von Fehlern und Fehleinschätzungen war, befand sich die Republik von Weimar bei seinem Tod nach Jahren der Krisen in einer Phase der relativen Stabilität. Der Reichspräsident hatte im Wesentlichen das getan, was er in einer zerklüfteten, innerlich wenig befriedeten, äußerlich nachhaltig bedrängten Republik mit sozialen Schieflagen hatte tun können, wenn er sich dem demokratischen Ideal in aller Konsequenz verpflichtet fühlte. Mit seinem unausgesetzten Bemühen um Konsens und Ausgleich sowie dem Appell an den Kompromisswillen war Ebert seiner Zeit voraus, überstrapazierte dabei aber die in wilhelminischer Zeit im Vorhof der Macht gehaltenen Parteien, auch die eigene. Beharrungsvermögen und Verantwortungsethos zeichneten den ersten Reichspräsidenten aus und machten ihn zum Prototyp des modernen Politikers; im Gegensatz zu den meisten Politikern der ersten Republik gelang ihm der Wandel vom Milieupolitiker zum Staatsmann. Anders als der Führer einer Partei, für den das Programm Richtmaß zu sein hat, muss der Staatsmann, so urteilte Gustav Radbruch (S. 269-275) schon 1923, »die Fähigkeit haben, ein Prinzip über Bord zu werfen, wenn es die Idee dieses Staates fordert« (Mühlhausen 2007: 901). Ebert handelte im Sinne des großen sozialdemokratischen Staatsrechtlers.
Eberts Wirken als Vordenker ist also nicht von theoretischen Werken geprägt, sondern von seinem verantwortungsvollen, praktischen Wirken als erster Sozialdemokrat an der Spitze Deutschlands. Mit dem ersten Reichspräsidenten verlor die Republik von Weimar ihren Vorkämpfer und einen ihrer Stützpfeiler. Obwohl seine Leistungen von einigen durchaus kritisch beurteilt wurden und noch immer werden, nimmt Friedrich Ebert als Gründer und Garant der ersten Republik nicht nur einen vorderen Platz im historisch-politischen Traditionshaushalt der Bundesrepublik Deutschland ein, sondern steht als erster Staatsmann der Arbeiterbewegung auch ganz vorn in der Ahnengalerie der großen deutschen Sozialdemokraten.