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In Libyen und Tunesien sehen sich lokale sowie internationale Hilfsorganisationen einer wachsenden Skepsis der Bevölkerung und staatlicher Beobachtung ausgesetzt. Wie gehen sie damit um?
Jedes Jahr stellen internationale Geber erhebliche Mittel bereit, um Länder zu unterstützen, die Migrant:innen vorübergehend aufnehmen. Ohne das Vertrauen und die Akzeptanz der Bevölkerung entfalten diese Bemühungen jedoch oft nicht die gewünschte Wirkung. Die Einbindung der Zivilgesellschaft gilt zwar als eine der wichtigsten Säulen humanitärer Arbeit, wird in Transitländern wie Libyen und Tunesien jedoch nach wie vor stark vernachlässigt und nur unzureichend beachtet.
Seit 2023 unterliegen lokale und internationale Hilfsorganisationen in Libyen und Tunesien sowohl einer zunehmenden staatlichen Beobachtung als auch einer wachsenden Skepsis seitens der Bevölkerung. Vorbehalte gegenüber internationaler Hilfe sind in der Region keineswegs neu, doch in den Strategien humanitärer Organisationen und Geberinstitutionen – insbesondere jener, die sich auf Migrations- und Flüchtlingshilfe konzentrieren – finden sie bisher kaum Beachtung. In Tunesien wurden 2023 erstmals Vorwürfe gegen ausländisch finanzierte lokale Hilfsorganisationen erhoben. Diese führten zur Inhaftierung und Befragung von Mitgliedern von mindestens zwölf Nichtregierungsorganisationen, denen unter anderem Finanzdelikte und die Unterstützung irregulärer Migrant:innen vorgeworfen wurden. Im weiteren Verlauf des Jahres 2024 beschuldigte Präsident Saied nationale Organisationen, ausländische Gelder für die illegale Ansiedlung von Migrant:innen in Tunesien zu nutzen. Mit dieser Rhetorik setzt er seine migrationsfeindliche Linie fort, die fremdenfeindliche Gewalt schürte.
Ein ähnlicher Trend ist in Libyen zu beobachten, wo sich im März 2025 migrationsfeindliche Kampagnen und Feindseligkeiten gegenüber internationalen Hilfsakteuren deutlich verstärkten. Zunächst angeheizt durch Beiträge in sozialen Medien, die die Ausweisung subsaharischer Migrant:innen propagierten, nutzten politische Akteure die Gelegenheit, zehn Nichtregierungsorganisationen zur Einstellung ihrer Aktivitäten zu zwingen und mehrere lokale Mitarbeitende willkürlich zu verhören. Dies zeigt, wie die öffentliche Stimmung instrumentalisiert wird, um restriktive Maßnahmen gegen humanitäre Organisationen zu rechtfertigen. Zugleich unterstreicht es die Notwendigkeit einer stärkeren Einbindung der Zivilgesellschaft.
Misstrauen und Feindseligkeiten gegenüber Hilfsorganisationen nehmen zu, befeuert durch unbegründete Anschuldigungen und unbelegte Vorwürfe über ihre angebliche Verstrickung in die politische Agenda Europas, vor allem im Bereich der Migrationskontrolle. Zwar fehlen belastbare Beweise für diese Vorwürfe, ihre Auswirkungen sind jedoch unbestreitbar: Humanitäre Helfer:innen arbeiten unter zunehmend feindlichen und politisch angespannten Bedingungen. Zudem haben sie mit erschwertem Zugang, abnehmender Sicherheit und eingeschränkten Handlungsspielräumen zu kämpfen.
Das mangelnde Vertrauen in der Bevölkerung wird durch weit verbreitete Fehlinformationen und ein unzureichendes Bewusstsein für die positiven Beiträge internationaler Hilfe zur Entwicklung der jeweiligen Länder weiter verstärkt. In Libyen und Tunesien werden jährlich beträchtliche Mittel bereitgestellt, um nationale Entwicklung, wirtschaftliche Resilienz, Jugendförderung und Wiederaufbau zu unterstützen. Die lokale Bevölkerung nimmt diese Maßnahmen jedoch oft kaum wahr. Zwar erstellen die Organisationen Berichte und veröffentlichen Daten über ihre Arbeit, doch es mangelt an einer klaren und leicht zugänglichen Kommunikationsstrategie, die die Arbeit für die breite Öffentlichkeit nachvollziehbar und greifbar macht. Infolgedessen nehmen Fehlinformationen zu, während die positiven Auswirkungen ihrer Arbeit in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden.
Sowohl in Libyen als auch in Tunesien prägen nationale politische Entscheidungsträger maßgeblich – und nicht selten verzerrend – den öffentlichen Diskurs über Migration und internationale Hilfe. Migrations- und Hilfspolitiken dienen ihnen als strategisches Instrument, um in Verhandlungen mit europäischen Partnern politisches und finanzielles Kapital zu sichern. Sobald die internationale Hilfe ihren Zwecken nicht mehr dient, wird sie öffentlich als Problem dargestellt. So beeinflussen sie gezielt die öffentliche Meinung, indem sie Hilfsorganisationen und Migrant:innen als Bedrohung der nationalen Souveränität inszenieren.
Ein prägnantes Beispiel dafür lieferte im Jahr 2023 Tunesien, als Aussagen von Präsident Kais Saied feindselige Reaktionen gegenüber Migrant:innen und NGOs auslösten, die in Gewalt und gesellschaftliche Unruhen mündeten. Ein ähnliches Bild zeigte sich in Libyen, als die Aussetzung der Arbeit von zehn internationalen Organisationen im März 2025 von Teilen der Bevölkerung ausdrücklich begrüßt wurde. Die Ereignisse zeigen, wie politische Entscheidungsträger öffentliche Narrative gezielt instrumentalisieren, um ihre Machtposition zu sichern, von innenpolitischen Problemen abzulenken und die Verantwortung auf ohnehin gefährdete Gruppen abzuwälzen – oft mit verheerenden menschlichen Kosten.
Hilfsorganisationen tragen teilweise selbst zur wachsenden Diskrepanz zwischen ihren Aktivitäten und deren öffentliche Wahrnehmung bei. Viele Organisationen sind mit externen Einschränkungen wie begrenzten Finanzmitteln und Sicherheitsrisiken konfrontiert. Zugleich setzen sie weiterhin auf geberzentrierte oder passive Kommunikationsstrategien und nutzen soziale Medien überwiegend zur Berichterstattung, statt als Plattformen für Dialog und gesellschaftliche Beteiligung. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen wurden bereits Ansätze wie die „Rechenschaftspflicht gegenüber betroffenen Bevölkerungsgruppen“ (Accountability to Affected Populations – AAP) offiziell eingeführt. Ihre praktische Umsetzung bleibt jedoch vielerorts lückenhaft. Infolgedessen fehlt es den Gemeinschaften an echtem Zugang zu den Organisationen, was bestehende Frustration und Misstrauen weiter vertieft.
Es bestehen weiterhin zentrale Defizite in der Kommunikationspraxis humanitärer Organisationen, wie etwa:
Im Kern kommunizieren viele Organisationen zwar, doch nur wenige hören wirklich zu. Ihre Arbeitsergebnisse werden zwar dokumentiert und geteilt, doch es gelingt nur selten, diese in überzeugende Narrative umzuwandeln, die bei der lokalen Bevölkerung Resonanz finden oder das öffentliche Bewusstsein prägen. Ohne gezielte Maßnahmen zur Überbrückung dieser Kommunikationslücke werden Misstrauen und Desinformation mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter zunehmen. Die Einbindung der Zivilgesellschaft ist längst nicht mehr optional, sondern die einzige tragfähige Strategie, um die Unterstützung für Migrant:innen und Geflüchtete in politisch aufgeladenen Kontexten dauerhaft zu gewährleisten.
Amera Markous ist Anthropologin mit dem Schwerpunkt auf Migration in Libyen und Nordafrika. Sie hat einen Masterabschluss der Universität Genf und gewann 2019 den Swiss Humanitarian Award für ihren Abschluss. Amera Markous hat mehr als acht Jahre Erfahrung bei internationalen Organisationen, darunter IMC, UNHCR und das Mixed Migration Centre (MMC), und konzentriert sich auf humanitäre Notfallprogramme und Migration. Seit 2019 hat sie zahlreiche Forschungsprojekte geleitet und untersucht derzeit die Notlage sudanesischer Geflüchteter in Nordafrika.
Die im Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Äußerungen der Gastautor_innen spiegeln nicht notwendigerweise die Haltung der Friedrich-Ebert-Stiftung wider.
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Online-Veranstaltung | 15. Oktober 2025 | 19:00 Uhr
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