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Junge Straftäter:innen vor Gericht

Jana Baldauf und Marius Müller-Hennig
Kinder spielen Fußball auf einem Bolzplatz
Urheber: picture alliance / SZ Photo

Der Umgang mit Jugendkriminalität erregt regelmäßig die Gemüter und führt oft zum Ruf nach härteren und schnelleren Strafen. Ein nüchterner Blick auf die Entwicklung des Jugendstrafrechts und die empirischen Befunde der Kriminologie zur Jugendkriminalität führt zu ganz anderen Schlüssen.

Forschungs- und Reformbedarfe im Jugendstrafrecht

Die vorliegende Analyse zeigt, dass das Jugendgerichtsgesetz (JGG) seit über 100 Jahren eine überaus bewährte rechtliche Grundlage bietet, um straffällige junge Menschen auf dem Weg aus der Kriminalität zu unterstützen. Hierbei spielen sozialpädagogische Hilfsangebote eine besondere Rolle. Die Analyse zeigt außerdem welche positive Rolle die Diversion, also der Verzicht auf ein formelles gerichtliches Verfahren bis zum Urteil, hinsichtlich der Rückfallquote spielt. 

Mit Blick auf die besonders populäre Forderung nach einer Herabsetzung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre kommen die Autoren hingegen zu einem klaren Schluss: Weder in der kriminologischen Forschung noch in der international vergleichenden Praxis finden sie empirische Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters auf zwölf Jahre zielführend sein könnte.

Gleichwohl identifizieren die Autoren auch Reformbedarfe im JGG: von der Rechtsmittelbeschränkung über die verbliebenen ideologischen Altlasten aus der NS-Zeit („schädliche Neigung“, „Schwere der Schuld“) bis zu der widersprüchlichen Zielsetzung des Jugendarrests im JGG einerseits und den Jugendstrafvollzugsgesetzen der Länder andererseits. Sie diskutieren zudem die jugendstrafrechtlichen Implikationen der Vorschriften zur Vermögensabschöpfung und plädieren dafür die Interessen junger Menschen auch bei Delikten außerhalb des JGG zu berücksichtigen, wie bspw. beim Fahren ohne Fahrschein nach §265a StGB. Ein Herabsetzen zu einer Ordnungswidrigkeit wäre gerade für junge Menschen nicht zielführend, so dass eine komplette Entkriminalisierung angestrebt werden sollte.

Schließlich diskutieren die Autoren auch die populären Mehrfach- und Intensivtäterprogramme die vor allem auf eine Beschleunigung der Verfahren abzielen: empirisch finden sie keine Bestätigung für die verbreitete Annahme, dass schnellere Verfahren und damit eine raschere Sanktionierung zu weniger Kriminalität führen.

Über die Autoren

Dr. Leon Lohrmann (Ass. iur.) ist Jurist und Kriminologe. Er arbeitete mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Münster und promovierte dort zum Jugendstrafrecht. Derzeit ist er als wissenschaftlicher Referent bei der SPD-Landtagsfraktion in NRW tätig und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW.


Dr. Marcus Schaerff (Ass. iur.) ist Jurist und Kriminologe. Er arbeitete mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Münster und promovierte dort zum Jugendstrafrecht. Derzeit leitet er das Prüfungsamt der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind das Jugendstraf- und Strafvollzugsrecht sowie die formelle soziale Kontrolle im Zusammenhang mit KI.

Junge Straftäter:innen vor Gericht

Forschungs- und Reformbedarfe im Jugendstrafrecht

Bonn : Friedrich-Ebert-Stiftung, Dezember 2025

Lohrmann, Leon ; Schaerff, Marcus

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Referat Politische Beratung und Impulse

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