Der FES-Blog zu Irans Präsidentschaftswahlen 2021

Eine vielschichtige Debatte mit offenem und kritischem Blick


Am 18. Juni können die Iraner*innen den neuen Präsidenten ihres Landes wählen. Zur Disposition steht dabei die Nachfolge von Hassan Rohani, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Dessen Präsidentschaft, die 2013 mit dem Versprechen eines Neuanfangs im Zeichen von „Besonnenheit und Hoffnung“ (tadbir va omid) begann, endet mit einer multidimensionalen Krise.

Im Innern scheiterten Rohanis Bemühungen um Reformen, etwa zur Stärkung von Bürgerrechten oder zur Einführung internationaler Normen in der Wirtschaft. Ebenso missglückte sein Vorhaben, Korruption und Nepotismus Einhalt zu gebieten. Außenpolitisch wurde die größte Errungenschaft seiner Präsidentschaft, der Abschluss der Wiener Nuklearvereinbarung 2015, durch den einseitigen Rückzug der Vereinigten Staaten in 2018 zunichtegemacht. In der Folge stürzten Washingtons Sanktionen die iranische Wirtschaft in ihre schwerste Rezession seit dem Krieg mit Irak in den 1980er-Jahren. Potenziert wurden die Probleme Irans schließlich durch die Corona-Pandemie, die das Land gegenwärtig mit einer vierten Infektionswelle heimsucht.

Vor diesem Hintergrund verschlechterte sich in den zurückliegenden Jahren die Situation im Land erheblich. Große ökonomische Not erfasste weite Teile der iranischen Bevölkerung, was einherging mit einer Schrumpfung der Mittelschicht und einem Hochschnellen der Armutsrate. In allen Landesteilen fanden in den vergangenen Jahren Proteste statt, in denen die Iraner*innen ihren Unmut über die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Land zum Ausdruck brachten. Von staatlicher Seite wurden diese, selbst nach den Maßstäben der Islamischen Republik, mit enormer Härte niedergeschlagen. Zu beklagen sind hunderte Todesopfer, während in den Gefängnissen des Landes noch immer tausende politische Häftlinge sind, Tendenz weiter steigend.

Angesichts dieser Lage bleibt ungewiss, ob die Mehrzahl der Iraner*innen dem Aufruf zur Wahl folgen und in einem Monat an die Urnen treten werden. Politikverdrossenheit hat sich breitgemacht, was mittlerweile auch Meinungsumfragen von Medien vor Ort zeigen.

Derweil machen sich die Hardliner daran, ihre Macht im Land weiter auszubauen. Schon bei den Parlamentswahlen 2020 erzielten sie einen klaren Sieg, auch begünstigt durch den massenhaften Ausschluss von Kandidat*innen aus dem Lager der Moderaten und Reformer. Der Preis für diesen Sieg war allerdings eine historisch niedrige Wahlbeteiligung – der Islamischen Republik kommt das Volk abhanden.

Maßgeblich entschieden werden Wahlen in Iran ohnehin durch die Frage, wer überhaupt als Kandidat*in zugelassen wird. Dabei wird der politische Wettbewerb durch den sogenannten „Wächterrat“ massiv unterhöhlt. Dieses de facto vom Volk nicht legitimierte Gremium entscheidet nach politischen Kriterien, wer bei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen antreten darf. Dass Wahlen in der Islamischen Republik weder frei noch fair sind, ist daher gleichermaßen offensichtlich wie bedeutsam.

Dennoch ist in Iran nicht nur der politische Wettbewerb größer und das Feld der politischen Akteure breiter als in den meisten übrigen Ländern der Region. Auch bei den Wahlen selbst ist keineswegs vorab klar, wer gewinnt. Weder den Wechsel 2005 von Mohammad Chatami zu Mahmud Ahmadinedschad noch den 2013 von Ahmadinedschad zu Rohani hatten Beobachter*innen im Vorfeld erwartet. Innerhalb der (engen) Grenzen des politischen Systems der Islamischen Republik können Präsidenten schließlich durchaus auch eigene Akzente setzen. Rohani, Ahmadinedschad, Chatami und zuvor Ali Akbar Haschemi Rafsandschani taten dies allesamt, nach innen wie nach außen.

Angesichts dieser Gemengelage lohnt sich ein offener und kritischer Blick auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Iran. Der FES-Blog möchte hierzu in den kommenden Wochen eine vielschichtige Debatte bieten und Schlaglichter auf jene Aspekte werfen, die für die Iraner*innen im Kontext der Wahlen wichtig sind. Aber auch Grundsätzliches, etwa die Frage nach der Bedeutung von Wahlen in einem autokratischen System, sowie die Perspektiven ausgewählter Regionalakteure sollen Beachtung finden. Mit der Diskussion dieser – tendenziell vom tagesaktuellen Geschehen losgelösten – Fragen versteht sich der Blog als Ergänzung der fortlaufenden Presseberichterstattung zu den Wahlen.

Der Blog erscheint parallel in deutscher und englischer Sprache und wird getragen von den Beiträgen renommierter internationaler Expert*innen.

Wir wünschen eine anregende Lektüre!

 

 


Über diesen Blog

Unser Blog möchte eine vielschichtige Debatte zu den iranischen Präsidentschaftswahlen am 18. Juni bieten. Hierzu wirft er Schlaglichter auf Aspekte, die für Iraner*innen im Kontext der Wahlen wichtig sind, ebenso wie auf Grundsätzliches, etwa der Frage nach der Bedeutung von Wahlen in einem autokratischen System. Beachtung finden auch die Perspektiven ausgewählter Regionalakteur*innen.

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David Jalilvand ist Analyst und leitet die Berliner Research Consultancy Orient Matters

Achim Vogt verantwortet das FES-Projekt Frieden und Sicherheit in der MENA-Region.

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