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Von Golfplätzen, Rohstoffen und fairem Handel

Im Vorfeld des G20-Gipfels Ende November forderten afrikanische Gewerkschaftsvertreter_innen Solidarität beim L20-Treffen statt Almosen von Europa. Wie können lokale Wertschöpfung und Arbeitsplätze entstehen statt weiter abhängig vom Rohstoffexport zu sein?

In diesem Jahr liegt die Präsidentschaft der G20 bei Südafrika, daher finden auch die ministeriellen vor-Konferenzen im Land statt. Am 30. und 31. Juli 2025 fand das Treffen der Arbeits- und Beschäftigungsminister_innen (LEMM) statt. Im gleichen Hotel kamen Gewerkschaftsvertreter_innen auf Einladung des internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) für ein paralleles Treffen der Gewerkschaften (L20) zusammen. Ort des Treffens war das südafrikanische Städtchen George, eine Resort-Stadt im Süden des Landes. Die Gegend um George ist geprägt von grünen Wiesen mit Kühen, Erdbeer-Farmen und Hotelanlagen mit riesigen Golfplätzen. Eine sehr malerische Landschaft, die sich sehr weit weg vom „realen“ Südafrika mit seinen sozialen und ökologischen Herausforderungen anfühlt. Auf den ersten Blick kaum eine passende Umgebung, um über Arbeitnehmer_innenrechte, Handelspolitik und nachhaltige Beschäftigung zu diskutieren. Doch da aktuell Handelspolitik maßgeblich von Menschen bestimmt wird, die sehr viel Zeit auf Golfplätzen verbringen, passte es vielleicht doch etwas.
 

Neue Handelspartnerschaften…

Die FES hatte am Vortag des L20-Treffens gemeinsam mit dem südafrikanischen Dachverband COSATU ein eigenes Side-Event zum Thema Handel und Partnerschaften der EU mit afrikanischen Staaten angeboten. Handel und neue Partnerschaften sind nicht erst seit der neuen US-Administration ein wichtiges Thema. Schon zuvor hatte die EU-Kommission neue Partnerschaften angekündigt, vor allem mit Fokus auf Energie und kritischen Rohstoffen. Dennoch ergibt sich durch die neuen Zollschranken der USA ein neues Bild. In den vergangenen Jahrzehnten waren fast alle afrikanischen Staaten durch AGOA, ein Gesetz noch aus der Bush-Ära, von allen Zöllen für Exporte in die USA befreit. Dies scheint nun erstmal vorbei zu sein, doch optimistische Stimmen im Workshop sehen diese neue Realität auch als Chance: Könnte die Disruption nicht auch zu positiven Veränderungen führen, in Afrika oder auch für die EU?

Sicherlich scheint es diese Hoffnung in Brüssel und einigen europäischen Hauptstädten zu geben: Wenn die USA den Kontinent praktisch aufgeben, vielleicht gelingt es der EU dann besser, neue Partnerschaften zu vereinbaren? Längst geht es hierbei nicht mehr nur um Klima-Außenpolitik, sondern um die Verteidigung der eigenen Interessen. Insbesondere die Zugänge zu Energie (Erdgas und Wasserstoff) sowie zu den sogenannten kritischen Mineralien sollen gesichert werden. Diese kritischen Mineralien sind zentral für die Produktion neuer Batterien und anderer Bestandteile der Energiewende, aber auch für neuartige Waffensysteme, wie Drohnen. Kaum ein Wunder also, dass die EU derzeit viele verschiedene Partnerschaftsabkommen mit afrikanischen Ländern abgeschlossen hat und noch anstrebt. Die meisten sind allerdings bisher nicht mit viel Leben gefüllt.
 

… aber diesmal mehr zum Nutzen Afrikas?

Die Diskussion mit den afrikanischen Gewerkschafter_innen zeigte, dass diese neuen Partnerschaften nur dann Erfolg haben können, wenn sie nicht nur die Interessen der EU widerspiegeln. Zu frisch sind auf dem afrikanischen Kontinent die Erinnerungen an vergangene Abkommen. Die Lomé Convention oder das Cotonou Agreement, enthalten zwar eine Sprache von gemeinsamen Zielen und Augenhöhe, schreiben aber de-facto vor allem das koloniale Handelssystem fort: Rohstoffe aus Afrika für die Weiterverarbeitung in Europa, Afrika als Markt für fertige Industrieprodukte.

Nur wenn dies grundlegend anders wird, und Produktionsstätten tatsächlich auf dem afrikanischen Kontinent entstehen, kann eine Partnerschaft gelingen. Die Gewerkschafter_innen forderten zudem, dass die EU afrikanische Staaten bei der Regulierung multinationaler Konzerne unterstützen müsse: Die Konzerne rechnen sich in Afrika arm, transferieren also Gewinne zur Konzernzentrale oder in Steuerparadiese. Den Ländern entgehen damit Steuern und Milliardenhöhe. Dies ist besonders relevant, da etwa die Produktion von kritischen Mineralien zwar hohe Investitionen erfordert, aber nur wenige Arbeitsplätze schafft. Die Gewinne müssen daher also stärker über Steuern und Gebühren an die Gesellschaft fließen. Regulierung ist eine bekannte Stärke der EU, hier eröffnen sich also durchaus Möglichkeiten für eine erfolgreiche Partnerschaft.
 

Solidarität statt Almosen

Insgesamt wurde klar, dass die afrikanischen Gewerkschafter_innen auf keinen Fall Hilfszahlungen und Almosen von Europa erwarten, stattdessen fordern sie Solidarität (insbesondere in Bezug auf die Klimakrise) und Fairness in den Handelsbeziehungen. Eine Fairness, die es auch afrikanischen Ländern erlaubt, Industriezweige aufzubauen und zu schützen. Für eine bessere Handelsbeziehung kann auch die neue kontinentale Freihandelszone AfCFTA eine wichtige Rolle spielen: Wenn Rohstoffe aus mehreren Ländern beispielsweise in wenigen Verarbeitungszentren zusammenfließen, kann besser und günstiger produziert werden. Gleichzeitig kann ein einheitlicher afrikanischer Markt unter Führung der Afrikanischen Union gegenüber der EU eine deutlich stärkere Position einnehmen und gemeinsam können afrikanische Staaten die eigene Interessen, und damit auch die Interessen afrikanischer Arbeitnehmer_innen besser verteidigen.

 

Über den Autor

Thomas Claes ist Referent für Wirtschaftspolitik und Gewerkschaften im Referat Afrika der Friedrich-Ebert-Stiftung. Er hat Geschichte und Islamwissenschaften in Bochum, Berlin und Kairo studiert. Von 2016-2019 leitete er ein Sondermittelprojekt zu sozial gerechter Wirtschaftspolitik in der MONA-Region. Zuletzt war er von 2020-2023 für das FES-Projekt Libyen sowie regionale Wirtschaftspolitik von Tunis aus zuständig.


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