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Wohnen ist bezahlbar

Frau schiebt zwei Kleinkinder mit Teddy in einem Wäschekorb über das Parkett
Urheber: istock / jacoblund

Die Vision

Wohnen ist bezahlbar, wenn Haushalte maximal ein Viertel ihres Einkommens für Miete aufwenden – so bleibt genug für andere Lebenshaltungskosten. Dafür müssen mehr mietpreisgebundene Wohnungen geschaffen und gehalten werden. Spekulation mit Wohnraum wird unterbunden. Wenn Altersvorsorge weniger stark an Immobiliengewinne gekoppelt ist, entspannt sich der Mietmarkt langfristig. Eigenleistung bei Bau oder Sanierung wird gefördert. Bezahlbares Wohnen schützt vor Armut und stärkt den sozialen Zusammenhalt.

Instrumente

Kommunale Wohnungsunternehmen
Kommunale Wohnungsunternehmen, wie auch Wohnungsgenossenschaften, spielen eine zentrale Rolle für die Bezahlbarkeit des Wohnens in Deutschland. Ihre Aufgabe ist es, breite Bevölkerungsschichten mit sicherem und bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Im Gegensatz zu privaten Investor*innen verfolgen sie primär soziale statt renditeorientierte Ziele. Sie schaffen, erhalten und bewirtschaften Wohnungen, oft mit sozialer Bindung, und leisten einen wichtigen Beitrag zur Quartiersentwicklung. Durch moderate Mieten wirken sie stabilisierend auf den Wohnungsmarkt und verhindern soziale Verdrängung. Ihre Wirkung zeigt sich besonders in angespannten Wohnungsmärkten, wo sie – neben der Bewirtschaftung der Bestände – durch gezielte Neubau- und Modernisierungsprojekte für Entlastung sorgen.

Mietpreisregularien
Das Mietrecht in Deutschland dient dem Schutz der Mieter*innen vor willkürlichen Kündigungen, überhöhten Mieten und ungerechten Vertragsbedingungen. So soll ein faires Gleichgewicht zwischen den Interessen von Mieter*innen und Vermieter*innen geschaffen und der soziale Frieden auf dem Wohnungsmarkt gesichert werden. Zu den wichtigsten Schutzmechanismen zählen der Kündigungsschutz, die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten, der Schutz vor überzogenen Mieterhöhungen sowie klare Regeln zur Betriebskostenabrechnung. Das Mietrecht stärkt die Rechtssicherheit für Mieter*innen und gewährleistet den Zugang zu dauerhaftem, bezahlbarem Wohnraum. Es wirkt stabilisierend auf den Wohnungsmarkt und kann insbesondere auch einkommensschwache Haushalte vor Verdrängung schützen.

Wohngeld und Kosten der Unterkunft
Wohngeld und Kosten der Unterkunft (KdU) sind Formen der Subjektförderung, mittels der der Staat Menschen direkt bei ihren Wohnkosten unterstützt. Die KdU übernimmt für Sozialhilfeempfänger*innen angemessene Miete, Nebenkosten und Heizung – die Mietobergrenze legen Kommunen fest. Ziel ist es, Wohnungslosigkeit zu verhindern. Haushalte, die keine Sozialhilfe bekommen, aber nur über ein geringes Einkommen verfügen, können Wohngeld beantragen. Die Höhe des Wohngelds richtet sich nach Einkommen, Miete bzw. Belastung und Haushaltsgröße. Ziel ist es, soziale Ausgrenzung zu vermeiden. Werden über die Objektförderung mehr kommunale Wohnungen gebaut und für mehr Menschen zur Verfügung gestellt, sind diese nicht mehr auf die Zahlungen aus der Subjektförderung angewiesen.


Gute Praxisbeispiele

Kommunale Wohnungsgenossenschaft Karl Marx, Potsdam (Brandenburg)

Lebenslanges Wohnrecht zu bezahlbaren Konditionen und dabei über die eigene Wohnsituation mitentscheiden? Das ist seit 1954 möglich in den Quartieren der Wohnungsgenossenschaft (WG) Karl Marx in Potsdam. Mit aktuell etwa 6.600 Wohnungen ist sie die größte Genossenschaft Potsdams. Die WG entsteht noch zu DDR-Zeiten als Arbeiterwohnungsgenossenschaft Karl Marx, 1991 folgt die Eintragung als Genossenschaft. Weil Plattenbauten nach knapp vier Jahrzehnten Wohnungsbau in der DDR fast den kompletten Bestand ausmachen, werden laufend Instandhaltungsarbeiten ausgeführt. Mit Erfolg: Der größte Teil des Bestands ist zu Beginn der 2010er Jahre modernisiert. Seitdem ergänzt die WG vermehrt mit Neubauten. Heute sind die Bauten der Genossenschaft nicht mehr aus den Stadtteilen Potsdams wegzudenken.

Quartier Roter Hahn, Lübeck (Schleswig-Holstein)

Wohnsiedlungen der Nachkriegsjahre sind seit Generationen Lebensmittelpunkt vieler Menschen. Oft gestalten Träger wie kommunale Wohnungsunternehmen diese gemeinsam mit den Bewohner*innen bezahlbar und nachhaltig um. Bis 2014 wurde ein Teil des Quartiers Roter Hahn, eine Wohnsiedlung der 1950er Jahre, für Menschen mit geringen Einkommen umgebaut und nachverdichtet. Neben familien- und seniorengerechten Wohneinheiten wurden Einrichtungen – wie das zentrale Quartiershaus Middenmang und eine Kita – geschaffen. Die Außenraumgestaltung fördert das generationenübergreifende Zusammenleben. Um die gemischte Quartiersgemeinschaft zu erhalten, wurden zwischen der Stadt Lübeck, der Grundstücks-Gesellschaft TRAVE und der Investitionsbank Schleswig-Holstein Kooperationsverträge abgeschlossen. 

Mietshäuser Syndikat

Bezahlbares Wohnen braucht Träger, die finanzielle Belange mit sozialem Mehrgewinn vereinen. Über (halb)öffentliche Träger hinaus haben private, gemeinwohlorientierte Netzwerke eine Schlüsselrolle – wie das Mietshäuser Syndikat als ein deutschlandweiter Verbund selbstverwalteter Hausprojekte. Im Syndikatsmodell gründet jedes Hausprojekt eine GmbH, deren Gesellschafter der jeweilige Hausverein (die Bewohner*innen) und das Syndikat sind. Die GmbH hat das Eigentum über die Häuser. Das Syndikat hält eine Kontrollstimme bei Themen wie Verkauf oder Immobilienumwandlung. Dadurch werden langfristig übermäßige Aufwertungsmaßnahmen oder Verkäufe verhindert. Das Syndikat ist in Deutschland an rund 200 Projekten – vom Einfamilienhaus bis zum Quartier – beteiligt.

Collegium Academicum Heidelberg (Baden-Württemberg)

Viel Engagement in Gestaltung und Ausbau, Flexibilität in der Nachnutzung, ressourcenschonende Bauweise und Mitglied des Mietshäusersyndikats: Mit dem Collegium Academicum entstand auf einer früheren Militärbrache in Heidelberg nach über zehn Jahren Planung und Bau ein selbstverwaltetes Wohnheim für Auszubildende und Studierende. In dem Holzneubau wohnen 176 Menschen in Wohngemeinschaften, die sich um Gemeinschaftsbereiche gruppieren. Perspektivisch ermöglichen die flexiblen Grundrisse auch altersgerechtes Wohnen. Entstanden ist das Wohnheim durch das beständige Engagement junger Menschen und offene Planungsprozesse. Als Teil des Mietshäusersyndikats bleibt der Wohnraum dauerhaft bezahlbar. Das Projekt ist u. a. mit dem Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg 2024 ausgezeichnet.

Neuer Hamburg-Standard, Hamburg

Initiiert von der Stadt Hamburg entstand der neue Hamburg-Standard als Reaktion auf steigende Baukosten – dem maßgeblichen Preistreiber des Wohnungsbaus in der Stadt. Nachdem eine Vielzahl von Expert*innen Einsparpotenziale im Neubau analysiert hatte, wurden in den drei Handlungsfeldern „kostenreduzierende Baustandards“, „optimierte Planung und Prozesse“ und „beschleunigte Verfahren“ mögliche Kostensenkungen um 1.600 Euro brutto pro Quadratmeter erkannt. Zum Vergleich: Die Erstellungskosten im Wohnungsneubau betragen derzeit etwa 5.000 Euro brutto in Hamburg. Pilotprojekt für den neuen Hamburg-Standard ist das Wilhelmsburger Rathausviertel, wo 1.900 Wohnungen entstehen sollen. Damit könnten die Mieten von durchschnittlich 18 Euro auf ca. 12 Euro pro Quadratmeter sinken.

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