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Die diesjährige Internationale Arbeitskonferenz in Genf hat hitzige Debatten, einen neuen Arbeitsstandard und die Aussicht auf menschenwürdige Arbeit in der Plattformwirtschaft hervorgebracht.
Als sich Regierungs-, Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter_innen vom 2. bis 13. Juni 2025 zur jährlichen Konferenz der dreigliedrigen Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf versammelt haben, ging es um nichts Geringeres als internationale Arbeitsrechte. In einer Zeit vertiefter geopolitischer Brüche und schrumpfender demokratischer Räume bekräftigte die IAK ihre zentrale Rolle als globales Forum, in dem wirtschaftliche Umstrukturierung, soziale Gerechtigkeit und Arbeitsrechte zusammenfinden und gemeinsame Standards für die Arbeitswelt gesetzt werden. Angesichts der komplexen internationalen Lage wollte die diesjährige Konferenz eine klare Botschaft senden: Eine nachhaltige Transformation der Arbeit ist nur dann möglich, wenn sie auf Rechten, Schutzmaßnahmen und einem dreigliedrigen Dialog basiert.
Im Mittelpunkt der diesjährigen Agenda stand ein Durchbruch bei der Regulierung der Arbeit auf digitalen Plattformen. Mit der Aufnahme von Verhandlungen über ein internationales ILO Übereinkommen rückte die Konferenz eine der am schnellsten wachsenden und prekärsten Beschäftigungsformen in der Weltwirtschaft in den Fokus der Aufmerksamkeit. Während Gewerkschaften eine faire Einstufung, algorithmische Transparenz und Zugang zu sozialer Sicherheit forderten, plädierten die Arbeitgeber für regulatorische „Flexibilität“. Die Debatten, die mit Abstand die umstrittensten und langwierigsten Diskussionen in den diesjährigen Ausschüssen waren, führten zu einem Entwurf für ein mögliches künftiges Übereinkommen. Der Prozess wird während der folgenden IAK im Jahr 2026 fortgesetzt, um einen Standard zu schaffen, damit faire und sichere Arbeitsbedingungen für Plattformbeschäftigte gewährleistet werden können.
Nicht weniger bedeutend war die Verabschiedung des Übereinkommens Nr. 192 und der Empfehlung Nr. 209 über biologische Gefahren, die eine kritische Lücke im Arbeitsschutz schließen – insbesondere nach der COVID-19-Pandemie. Erstmals seit der Erklärung der ILO von 2022, die sichere und gesunde Arbeitsbedingungen als Grundrecht anerkennt, haben sich die Mitgliedstaaten auf verbindliche Standards geeinigt, die Millionen von Beschäftigten künftig vor biologischen Gefahren am Arbeitsplatz schützen könnten. Die eigentliche Herausforderung besteht nun in der Ratifizierung und Umsetzung – insbesondere in Ländern, deren Arbeitsaufsichtssysteme unterfinanziert oder politisch eingeschränkt sind.
Ein weiteres Thema, das an Dynamik gewann, war die Formalisierung informeller Arbeit, wobei der Schwerpunkt auf Pflege- und Betreuungskräften lag. In Anerkennung der wesentlichen Bedeutung dieser Tätigkeiten – die überwiegend von Frauen, Migrant_innen und prekär Beschäftigten ausgeübt werden – forderte die IAK die Staaten nachdrücklich auf, den rechtlichen und sozialen Schutz auf diese Beschäftigten auszuweiten. Grundlage der Debatten waren die Ursachen der Informalität, wie z. B. die begrenzte Schaffung formeller Arbeitsplätze, die Komplexität der Vorschriften, die Ungleichheit der Geschlechter, der Mangel an sozialer Absicherung, der Klimawandel und die Ausgrenzung junger Menschen. Grundlegende Meinungsverschiedenheiten darüber, ob Zeit- und Leiharbeit als geeigneter Weg zur Formalisierung gelten können oder eher Risiken bergen, zogen viele Diskussionen in die Länge. Die Arbeitgeberseite hob dabei die Bedeutung einer klaren, einheitlichen und verlässlichen Gesetzgebung zur Formalisierung von Arbeitnehmer_innen hervor. Während allgemeine Einigkeit über klare Regeln herrschte, bestand die Arbeitnehmerseite darauf, dass unabhängig von den umgesetzten Maßnahmen die Formalisierung zu echten Verbesserungen führen müsse – und nicht nur zu einer Registrierung oder der Einhaltung von Verwaltungsvorschriften.
Der Ausschuss für die Anwendung der Normen (CAS) hat auf der diesjährigen IAK erneut die weltweite Aufmerksamkeit auf Länder gelenkt, in denen die Rechte der Beschäftigten stark bedroht sind. Der Fall Belarus blieb ein Brennpunkt. In einer Sondersitzung verurteilte der CAS die anhaltende Unterdrückung unabhängiger Gewerkschaften durch die Regierung, einschließlich willkürlicher Verhaftungen, langer Haftstrafen und unmenschlicher Haftbedingungen. Obwohl die ILO bereits 2023 ihre strengste Sanktionsmaßnahme (gemäß Artikel 33 der ILO-Satzung) gegen Belarus verhängt hatte, wurden keine Fortschritte erzielt.
Zudem standen vor allem die Übereinkommen zur Vereinigungsfreiheit (Georgien, Honduras, Ungarn, Irak) sowie zum Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen (Ecuador, El Salvador, Malaysia, Moldau, Nepal) im Mittelpunkt der Debatten. Dadurch rückte die weltweit prekäre Lage der Gewerkschaftsrechte erneut in den Fokus. Weitere Ergebnisse der ILC 113 waren die Anerkennung Palästinas als Beobachterstaat ohne Mitgliedschaft trotz einiger politischer Widerstände. Wichtig ist, dass die Anwendung von Artikel 33 gegen Myanmar aufgrund der Verstöße der Militärjunta von Myanmar gegen ILO-Übereinkommen, wie z. B. Zwangsarbeit und Vereinigungsfreiheit, Druck auf Unternehmen und Regierungen ausübt, ihre Politik und Aktivitäten in Bezug auf dieses Land anzupassen.
Angesichts wirtschaftlicher Unsicherheit, Klimastörungen, digitaler Transformation und autoritären Rückschlägen war die Bedeutung der globalen Arbeitspolitik selten so groß wie heute. Die IAK 2025 hat diese Krisen nicht gelöst, aber sie hat die zentrale Rolle der ILO bei der Bewältigung dieser Krisen bekräftigt. Die Debatten spiegelten die Spannung zwischen der Notwendigkeit transformativer Veränderungen und den Zwängen einer konsensorientierten Politikgestaltung wider. In allen Diskussionen stach eines besonders hervor: Die Stimmen der Beschäftigten, insbesondere aus dem Globalen Süden, verleihen der Arbeit der ILO weiterhin Dringlichkeit, Relevanz und fundierte Erfahrung.
Sina Musfeldt war bis vor Kurzem als Projektassistentin im Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mexiko tätig. Sie hat Development Studies im Master am Graduate Institute in Genf studiert und war Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Emily Schulze arbeitet derzeit als Projektassistentin im Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tansania. Sie hat „English Literatures and Cultures” sowie Nordamerikastudien im Master an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn studiert.
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