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Mitte-Studie 2024/25 Die angespannte Mitte

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Zweimal das Cover der Mitte-Studie 2025 zur rechtsextremen Einstellungen
Urheber: Dietz/bergsee, blau

Die Studie

Die repräsentativen „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung geben alle zwei Jahre Auskunft über die Verbreitung, Entwicklung und Hintergründe rechts-extremer, menschenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen in Deutschland. Die diesjährige Ausgabe unter dem Titel „Die angespannte Mitte“ blickt auf die Normalisierung des Rechtsextremismus und aktuelle Entwicklungen in Zeiten globaler Verunsicherungen.

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist demokratisch eingestellt und äußert Sorgen wegen des zunehmenden Rechtsextremismus. Gleichzeitig ist jedoch in der Mitte der Gesellschaft eine Normalisierung bezüglich bestimmter antidemokratischer und menschenfeindlicher Aussagen zu beobachten. Schwerpunkte befassen sich mit dem Einfluss von Bildung, Schule und Erziehung auf die Entstehung oder Bekämpfung von Rechtsextremismus sowie mit Herausforderungen einer sozialverträglichen Transformation auf dem Land, in der Stadt und beim Klimaschutz. Politische Gewalt, antifeministische Einstellungen oder libertäre-autoritäre Haltungen sind weitere Fokusthemen.

Presseinformationen

Hier gelangen Sie zur Pressekonferenz, Ergebniszusammenfassungen und weiteren Information zum Download: Presseinformationen


Die Publikation zur Studie

Die angespannte Mitte

Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2024/25

Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Franziska Schröter



Vorstellung der Studie

Die neue Studie „Die angespannte Mitte“ wurde am 6.11. um 18 Uhr in der FES Berlin präsentiert – mit einer Impulsrede von Martin Schulz, der Vorstellung der Hauptergebnisse durch den Studienleiter Prof. Dr. Andreas Zick und einer anschließenden Diskussion mit den Autor:innen.

"Die Konjunkturritter der Angst wollen keinen Dialog"

Interview mit dem FES-Vorsitzenden Martin Schulz im IPG-Journal zur neuen Mitte-Studie.

Podcast zur Mitte-Studie


Die Ergebnisse

Die wichtigsten Erkenntnisse der Mitte-Studie 2024/25

In der Mitte der Gesellschaft ist die Anspannung zu spüren durch polarisierende Debatten, äußere Konflikte, innere Krisen, geschürte Ängste und reale Probleme. Ein Großteil (70 %) nimmt die Anspannung in Form einer Bedrohung durch den Rechtsextremismus wahr. Die angespannte Situation zeigt sich auch in größeren Uneindeutigkeiten – die ermittelten Graubereiche wachsen oder es wird vermehrt mit „teils/teils“ geantwortet und so ergibt sich ein unklareres Bild. Die Mitte-Studie 2024/25 berichtet von angespannten Zeiten und gibt Hinweise auf gesellschaftliche Handlungsoptionen. Hier einige ausgewählte zentrale Befunde.

Die große Mehrheit, insgesamt drei Viertel der Menschen in Deutschland, lehnen rechtsextreme Einstellungen ab. 3,3 % teilen ein klar rechtsextremes Weltbild. Das ist ein Rückgang gegenüber dem Anteil von vor zwei Jahren (2022/23: 8 %), aber ein konstantes Niveau gegenüber den weiteren Vorjahren (2014–2021: 2-3 %). Zudem äußert sich jede fünfte Person ambivalent gegenüber rechtsextremen Aussagen, d. h. sie stimmt weder zu noch lehnt sie diese deutlich ab. Dieser Graubereich von 20 % hat sich gegenüber dem Vorjahr gefestigt und zeigt eine Offenheit für antidemokratische Orientierungen. Die Zustimmung zu nationalchauvinistischen Aussagen ist dieses Jahr leicht gestiegen auf insgesamt knapp 20 %. So denkt bspw. fast ein Viertel (23 %): »Das oberste Ziel der deutschen Politik sollte es sein, Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht.« Aber auch fast jede sechste Person (15 %) antwortet diktaturbefürwortend »Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert«.

Die große Mehrheit (79 %) der Bevölkerung bezeichnet sich grundsätzlich als überzeugte Demokrat:innen – das sind sechs Prozentpunkte mehr als vier Jahre zuvor. Gleichzeitig sind die Zweifel an der Leistungsfähigkeit der liberalen Demokratie erneut gewachsen: Nur noch 52 % finden, die Demokratie funktioniere »im Großen und Ganzen ganz gut« (2022/23: 57 %; 2018/19: 65 %). Ein Viertel (24 %) verneint dies – das ist ein Höchstwert seit 2016. Lediglich etwas mehr als ein Drittel (37 %) findet, es gehe in Deutschland insgesamt gerecht zu. Wer die Demokratie dagegen als gut funktionierend und fair erlebt, stützt ihre Werte und Prinzipien: Diese Befragten vertrauen ihr nahezu geschlossen (94 %) und lehnen Aussagen, die die Demokratie delegitimieren, ab. Umgekehrt stimmen je knapp zwei Drittel jener, die sie als nicht gut funktionierend und unfair bewerten, Demokratiemisstrauen (62 %) und delegitimierenden Aussagen (64 %) zu. 62 % der Befragten glauben: »Die regierenden Parteien betrügen das Volk«, 54 % fordern »mehr Widerstand gegen die aktuelle Politik«, während es bei den Befragten, die die Demokratie positiv wahrnehmen, jeweils nur 5,5 % sind. Zwar meinen 88 % aller Befragten, in einer Demokratie solle die Würde und Gleichheit aller an erster Stelle stehen. Allerdings ist ein Drittel (34 %) der Ansicht »Im nationalen Interesse können wir nicht allen die gleichen Rechte gewähren« (2022/23: 34,5 %). Ein Viertel (25 %) meint, es werde »zu viel Rücksicht auf Minderheiten genommen« (2022/23: 26 %), mehr als jeder Zehnte (11 %) lehnt es ab, die Grundrechte von Minderheiten zu schützen.

Fast ein Drittel unterstellt Geflüchteten Sozialmissbrauch (36 % »teils/teils«) und jede sechste Person gibt an, bei der Politik Israels gut verstehen zu können, »dass man etwas gegen Juden hat« (22 % »teils/teils«). Die vollständige wie auch anteilige Zustimmung zu antisemitischen Aussagen hat abgenommen, aber sich tendenziell dahingehend verschärft, dass teilweise etwas mehr Befragte die antisemitischen Aussagen mit „teils/teils“ bewerten oder auf dem Endpunkt der Antwortskala öfter mit „voll und ganz“ zustimmen als mit "eher ja" antworten. 11 % fordern weiterhin »Frauen sollten sich wieder mehr auf die Rolle als Ehefrau und Mutter besinnen«. Auch die Abwertung von Trans*-Menschen hat mit 19 % weiter zugenommen. Mit am stärksten ausgeprägt bleiben Vorurteile mit Bezug auf die sozioökonomische Lage von Menschen: 36 % stimmen etwa der Aussage zu, Langzeitarbeitslose machten sich »auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben«. Dass für Menschen mit Behinderung in Deutschland »zu viel Aufwand betrieben« werde, meinen mit rund 3 % wenige Befragte, weitere 8 % schließen sich diesem Vorwurf jedoch teilweise an. Diese ambivalenten und uneindeutigen Haltungen gegenüber menschenfeindlichen Positionen nehmen zu und prägen zentrale Ungleichwertigkeitsvorstellungen in der Mitte: Rassismus, Antisemitismus, Hetero-/ Sexismus und Klassismus hängen dabei eng zusammen. Jede:r vierte Befragte zeigt sich zumindest teilweise bereit, die Gleichwertigkeit von Menschen in Frage zu stellen, rund 6 % werten mehrere Gruppen übergreifend ab.

70 % empfinden den zunehmenden Rechtsextremismus als Bedrohung für Deutschland. Aber 22 % der Befragten verharmlosen den Rechtsextremismus und finden z. B., er werde »in den Medien hochgekocht« oder, dass es am besten sei, den Rechtsextremismus »gar nicht zu beachten«. Wer den Rechtsextremismus verharmlost, erkennt zudem keine eigene oder gesellschaftliche Verantwortlichkeit für die Auseinandersetzung damit an, ist selbst deutlich eher rechtsextrem eingestellt und billigt den Einsatz politischer Gewalt. Mit 7 % sind dabei weniger Befragte als zuletzt etwa der Auffassung, einige Politiker:innen hätten es verdient, wenn »die Wut gegen sie schon mal in Gewalt umschlägt« (2020/21: 5 %; 2022/23: 13 %). 13 % antworten aber zusätzlich »teils/teils«. Ein harter Kern von 7,5 % billigt und rechtfertigt körperliche Gewalt gegen »Fremde«.

Ein Viertel (25 %) der Befragten hängt einer libertär-autoritäre Ideologie an: Diese vereint neoliberale, hyperindividualistische und autoritäre Gesellschaftsbilder. Leistungsorientierte Werte wie die individuelle Wettbewerbsfähigkeit, Freiheit und das Leitbild, jede:r solle in erster Linie auf sich selbst achten, stehen im Vordergrund. Diese Gruppe neigt deutlich stärker zu einem rechtsextremen Weltbild (13,5 %) und der Billigung politischer Gewalt (19 %): So stimmen sie der Aussage »Gegen politische Gegner muss man auch mal Gewalt einsetzen, um nicht den Kürzeren zu ziehen« deutlich häufiger zu, als Befragte ohne diese Ideologie (20 % vs. 1,5 %). Der leistungs- und nützlichkeitsorientierte Blick auf die Welt ist anschlussfähig an antidemokratische, rechtsextreme und gewaltbilligende Haltungen. Die Idee, nicht »zu viel« oder gar keine Solidarität mit Schwächeren zu zeigen, da dies unprofitabel sei und die eigene individuelle Freiheit bedrohe, transportiert dabei Menschenfeindlichkeit subtiler als der klassische Rechtsextremismus in die gesellschaftliche Mitte.

Menschen mit hoher Autoritarismusneigung im Erwachsenenalter, die auch eine autoritäre bzw. besonders eine leistungsorientierte Erziehung durch ihre Eltern erfahren haben, verfügen überdurchschnittlich oft über ein rechtsextremes Weltbild (14 % bzw. 20 %) und neigen doppelt so häufig dazu, den gegenwärtigen Rechtsextremismus in Deutschland zu verharmlosen (44 % bzw. 46 %). Autoritäre Ausrichtungen finden auch im Bildungsbereich Zustimmung: 40,5 % befürworten, dass Schulen »Disziplin und Gehorsam« beibringen sollten, weitere 29 % antworten »teils/teils«. Befragte, die sich an ökonomistisch-unternehmerischen Wertvorstellungen orientieren, stimmen der Forderung nach einer autoritären Schule noch häufiger zu.

Nur noch 56 % der Befragten sehen den Klimawandel als »eine große Bedrohung für das Land«, in den Vorjahren waren dies mit rund 70 % deutlich mehr. Entsprechend sinkt der Anteil in der Bevölkerung auf nur noch gut die Hälfte (51 %), die eine klar klimaprogressive Haltung vertritt. Umgekehrt nimmt der Anteil jener, der gegenüber Klimaschutz und Energiewende ambivalent bzw. indifferent ist oder allein klimapolitisch regressiv Einstellungen teilt, zu. Befragte, die klimapolitisch regressiv eingestellt sind, gehen signifikant eher in Distanz zur Demokratie auf ganzer Linie. 38 % der Befragten fordert, Klimaschutz dürfe weder zulasten der »Freiheit der Bürger« noch zulasten »von Menschen mit geringen Einkommen« gehen. Jeder siebte Befragte spielt dabei den Klimaschutz gegen soziale Gerechtigkeit aus, ohne jedoch Einkommensschwächere entlasten zu wollen – eine Personengruppe, die vom Klimawandel durch die Überhitzung der Städte besonders hart getroffen ist.

Je jünger die Befragten, desto häufiger findet sich unter ihnen ein rechtsextremes Weltbild (18- bis 34-Jährige: 7 %), während Nationalchauvinismus und Sozialdarwinismus mit dem Alter zunehmen. Bildung wirkt dauerhaft schützend: Ein hoher Schulabschluss geht mit deutlich geringerer Zustimmung zu antidemokratischen Einstellungen einher. Insgesamt markieren Alter, Bildung, Geschlecht und die Region wichtige Unterschiede, die es erschweren, demokratische Kulturen zu etablieren. Männer fallen teilweise deutlich häufiger als Frauen durch ihre Befürwortung von Rechtsextremismus, Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Gewalt auf. Zwischen Ost- und Westdeutschland schwächen sich bisherige Unterschiede teilweise ab bzw. zeigen ein gemischtes Bild: Fremdenfeindlichkeit und Rassismus liegen höher im Osten, Sozialdarwinismus und Klassismus sind im Westen weiter verbreitet. Drei Viertel sind zufrieden mit ihrem Leben und finden, es lebe sich gut in ihrer Region, zwei Drittel bewerten auch die Daseinsvorsorge positiv. Aber das runde Drittel, das weniger zufrieden ist, neigt zu Demokratiedistanz auf ganzer Linie – misstraut der Demokratie häufiger, normalisiert eher die AfD und teilt häufiger rechtsextreme Einstellungen.

Was tun? 61 % der Befragten halten Bildung für ein wichtiges Instrument (25 % teilweise) in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus. Bildung sollte gestärkt werden, wobei es insbesondere auf Mündigkeit, Autonomie, Demokratieerfahrungen ankommt sowie auf Politik- und Digitalkompetenz ausgelegte Bildungs-, Erziehungs- und Sozialisationssettings in Schulen. Zum Kampf gegen Rechtsextremismus gehört auch die Stärkung des Sozialstaates. Reale Verteilungsfragen und Gerechtigkeitsdefizite sollten adressiert und bearbeitet werden, wobei Solidarität als zentrale Bewertungskategorie von Politik zu betrachten wäre, etwa in Fragen der Asyl-, Migrations-, Gleichstellungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Dies kann gelingen, indem Orte geschaffen und Initiativen gestärkt werden, die kontroverse Debatten erlauben und Mitbestimmung ermöglichen. 51 % der Befragten sind bereit, selbst aktiv zu werden, um die Demokratie zu schützen (25 % teilweise) und sind bereits oder könnten Teil zivilgesellschaftlicher Initiativen gegen Rechtsextremismus werden.


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