Strategiedebatten der schwedischen Parteien

Die Strategie von Parteien ist nicht immer auf Anhieb durchschaubar und wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dabei ermöglicht das genaue Auseinandersetzen mit der strategischen Lage der Parteien, die politische Situation in dem jeweiligen Land besser zu verstehen und Entwicklungen nachzuvollziehen.

Wie positionieren sich politische Bewegungen? Wie reagieren sie auf gesellschaftliche Stimmungen und mit welchen Themen verorten sie sich wie in der gesellschaftspolitischen Debatte?

In dieser Übersicht über politische Strategiedebatten politischer Parteien in ausgewählten europäischen und außereuropäischen Ländern bemühen sich die Verfasser darum, politische Analysen nicht in Textform, sondern grafisch aufbereitet und zugespitzt darzustellen. Wir hoffen, mit diesem Produkt einen Beitrag zu einer konstruktiven Diskussion zu leisten.

Übersicht: Parteien und ihre Wählerinnen und Wähler

Die schwedischen Parlamentswahlen 2018 – eine neue politische Landschaft

Am 9. September 2018 finden die schwedischen Parlamentswahlen statt. Die 349 Sitze des schwedischen Reichstags (Riksdag) werden nach dem Prinzip der Verhältniswahl vergeben. Acht Parteien überwanden bei  der letzten Wahl im Jahr 2014 die Vier-Prozent-Hürde und zogen damit in das Parlament ein. Die damals größte Partei, die Sozialdemokraten (S), koalierten anschließend mit den Grünen (MP), unterstützt von der Linkspartei (V). Um ihren Haushalt zu verabschieden und eine Regierungskrise im Anschluss an die Wahlen von 2014 zu verhindern, musste die regierende Koalition zudem taktische Absprachen mit der bürgerlichen „Allianz“ treffen, um ein Erstarken der Schwedendemokraten zu vermeiden.

Dominanz „harter“ Themen

Die wichtigsten Themen in der öffentlichen Debatte Schwedens sind aktuellen Umfragen zufolge das Gesundheitssystem, Einwanderung und innere Sicherheit/Rechtsstaat. Weniger Beachtung finden hingegen Themen wie europäische Zusammenarbeit, Wirtschaftspolitik und Gleichstellung. Nach Experteneinschätzungen dominieren damit „harte“ Themen den politischen Diskurs und lösen „weichere“ Themen ab.

Vier Faktoren prägen die schwedische Politik. Erstens verzeichnet Schweden stets eine hohe Wahlbeteiligung (85,5 Prozent im Jahr 2014) und weist eine relativ stabile politische Kultur auf (die letzte vorgezogene Neuwahl fand 1985 statt). Zweitens ist die schwedische Sozialdemokratie traditionell stark, regierte zwischen 1930 und 1970 sogar ohne Unterbrechung. Drittens haben sich im Parlament zwei politische Lager gebildet: das rot-rot-grüne Lager einerseits und das bürgerliche Lager um die Moderaten, die Liberalen, die Zentrumspartei und die Christdemokraten (M, L, C und KD) andererseits. Im Jahr 2004 gingen die bürgerlichen Parteien offiziell eine offizielle  „Allianz“ ein, die später auch regierte. Viertens weichte der Einzug der  populistischen Schwedendemokraten (SD) in das Parlament im Jahr 2010  die klassische Lagerbildung auf und veränderte die  politische Landschaft so nachhaltig.

Ende der schwedischen Stabilität?

Laut aktuellen Umfragen liegen das linke und das bürgerliche Lager dicht beieinander. Ein großer Teil der Wahlberechtigten zeigt sich dabei noch unentschlossen. Die Schwedendemokarten verzeichnen einen starken Stimmenzuwachs und liegen in den Umfragen bei ca. 21 %, wohingegen die Grünen, die Christdemokraten und Liberalen mit erheblichen Verlusten rechnen müssen und sogar den Einzug in das Parlament verpassen könnten. Diese Entwicklung würde eine gänzlich neue politische Situation schaffen, die zu einer starken Zersplitterung der beiden Lager führen würde. Alle Parteien müssten ihre politischen Positionen und potentiellen Koalitionspartner auf den Prüfstand stellen, um eine weitere Stärkung der Schwedendemokraten zu verhindern. Obwohl die Schwedendemokaten die beiden Lager der etablierten Parteien in Aufruhr versetzt haben, finden sie selbst keinen politischen Partner. Politische Beobachterinnen und Beobachter gehen daher davon aus, dass die Regierungsbildung in diesem Jahr komplizierter und unvorhersehbarer wird als zuvor.

Die einzelnen Parteien in der Übersicht

Die strategische Lage der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens (SAP)

Die Sozialdemokraten (S, Socialdemokraterna)

Die Sozialdemokraten setzen schwerpunktmäßig auf einen starken, regulierten Arbeitsmarkt, sowie den freien Zugang zu Gesundheits- und Bildungssystem. . Infolge der Globalisierung und einer zunehmenden Individualisierung der schwedischen Gesellschaft seit den 1990er Jahren befindet sich die schwedischen Sozialdemokraten in einer Identitätskrise, die unmittelbare Folge des Wegfalls der Arbeiterklasse als traditionellem Wählerstamm ist. Nichtsdestotrotz sind die Sozialdemokraten nach wie vor eine starke politische Kraft, die die politische Kultur Schwedens aufgrund ihrer durchgängigen Regierungszeit zwischen den 1930er und 1970er Jahren nachhaltig prägte.

Stark wie eh und je?

Die Sozialdemokraten sahen sich in den letzten zwei Jahrzehnten einigen Herausforderungen ausgesetzt. Die Parteienlandschaft zeigte eine zunehmende Polarisierung und ein Erstarkten des bürgerlichen Lagers, das für Steuersenkungen und eine Privatisierung des Wohlfahrtsstaates eintrat. Auch das Aufkommen der Schwedendemokraten beeinflusste den politischen Diskurs, der sich weg von klassischen sozialdemokratischen Themen bewegte und die Krise der Sozialdemokratie offenbarte. Aufgrund dieser Umstände mussten die Sozialdemokraten einen Wegfall ihrer traditionellen Wählerinnen und Wähler bei den letzten Parlamentswahlen verkraften. Zwar wurde die Partei im Jahr 2014 mit 31 % der Stimmen erneut stärkste Kraft,  ihr Vorsprung gegenüber der konservativen Moderaten Sammlungspartei (M) und den Schwedendemokraten schrumpfte jedoch deutlich.

Für die Sozialdemokraten ist es tendenziell ein Nachteil, dass die aktuelle politische Debatte durch die Themen Einwanderung und innere Sicherheit dominiert wird. Die Partei steht dabei vor der Herausforderung,  den Balanceakt zwischen ihren traditionellen Themen wie Wohlfahrtsstaat und Arbeitsmarktpolitik und einem starken Profil in Fragen der Einwanderung und des Rechtsstaates zu bewältigten, um der gegenwärtigen Stimmungslage gerecht zu werden. Die Einwanderungspolitik der Sozialdemokraten veränderte sich im Zuge der „Flüchtlingskrise“ im Jahr 2015 von einer liberalen Position hin zu Forderungen nach strengeren Zuwanderungsregelungen, und der Wiedereinführung von Grenzkontrollen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Vor  dem Hintergrund, dass sich der Parteivorsitzende Stefan Löfven noch vor einigen Jahren für eine liberale Einwanderungspolitik aussprach und betonte, dass er die Versuche der Schwedendemokraten, die politische Agenda zu kontrollieren, „nicht akzeptieren“ würde, erscheint dieser politische Kurswechsel besonders bemerkenswert.  Mittlerweile hat der neue Kurs innerhalb der Partei Wurzeln geschlagen und kann als Antwort auf die wachsende Popularität der Schwedendemokraten verstanden werden.

Neue Bündnisse?

Der sozialdemokratische Premierminister Löfven regiert bis zur Wahl im September 2018 in einer Koalition mit den Grünen. Die Sozialdemokraten könnten ihr nächstes Regierungsbündnis auch mit den Liberalen und der Zentrumspartei eingehen. Ein Bündnis mit den rechtspopulistischen Parteien schließt die Partei aus. Gleichzeitig lehnen die Sozialdemokarten  ein „starres“ Lagerdenken ab, um ihre strategischen Koalitionsoptionen, beispielsweise mit den Liberalen und der Zentrumspartei, aufrechtzuerhalten.

Die strategische Lage der Zentrumspartei (C)

Die Zentrumspartei (C, Centerpartiet)

Die Zentrumspartei setzt sich für eine Dezentralisierung der politischen Macht, lokalen Umweltschutz und die Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen ein. Die ehemalige  Bauernpartei setzt sich zwar bis heute für die Stärkung des ländlichen Raumsein, setzt mittlerweile aber auf ein stärker liberales Profil.

Es ist zu erwarten, dass die Zentrumspartei aufgrund ihrer stetig anwachsenden Anzahl an Anhängerinnen und Anhängern die Vier-Prozent-Hürde ohne größere Probleme überwinden wird. Die Parteivorsitzende Annie Lööf befindet sich in einer guten strategischen Position. So bevorzugt sie zwar eine Regierungskoalition mit dem bürgerlichen Block, schließt  aber auch eine Koalition mit den Sozialdemokraten nicht aus. Ihre Wählerinnen und Wähler favorisieren sogar eine Regierung mit den Sozialdemokraten gegenüber einer Koalition mit dem bürgerlichen Lager.

Kommt der Bruch?

Die Partei vertritt in letzter Zeit eine liberale Einwanderungspolitik und unterstützte die rot-grüne Regierung in ihrem Vorstoß, einer Gruppe junger, unbegleiteter Afghanen Asyl zu gewähren. Da dieses Thema für Politiker_innen und Wähler_innen und Wähler gleichermaßen wichtig ist, deutet dieser Vorstoß eine Abkehr der Zentrumspartei von ihrem traditionellen Verbündeten, der Moderaten Sammlungspartei, an, die für eine striktere Einwanderungspolitik eintritt. Dieser Schritt könnte in letzter Konsequenz zu einem Bruch mit anderen liberalen und konservativen Parteien führen und so Unruhe in das politische Lager bringen.

Die strategische Lage der Christdemokraten (CD)

Die Christdemokraten (CD)

Die Parteivorsitzende Ebba Busch Thor führt die sozial-konservativen Christdemokraten seit 2015 an. Die Christdemokraten orientieren sich an traditionellen Normen und Werten, fordern einen Ausbau der Sozialleistungen für Seniorinnen und Senioren sowie einen Fokus auf die Themen innere Sicherheit und Integration und betrachten  die Familie als zentrale Einheit der Gesellschaft. Als Teil des konservativ- bürgerlichen Lagers, der „Allianz“, vertritt die Partei die Position, dass eine höhere Beschäftigungsquote durch Steuersenkungen und niedrigere Löhne für Berufsanfänger_innen erreicht werden kann.

Historisches Tief

Aktuellen Umfragen zufolge verzeichnet die Partei hinsichtlich der voraussichtlich wahlentscheidenden Themen Einwanderung und Integration die niedrigsten Kompetenzzuschreibungen Die Partei befindet sich in einem historischen Tief und wird aktuell zwischen 2 % und 3 % verortet. Die Christdemokraten hoffen auf einen Aufschwung in den letzten Monaten vor der Wahl oder müssen auf Leihstimmen der Anhängerinnen und Anhänger der Moderaten Sammlungspartei hoffen, um die Vier-Prozent-Hürde zu überspringen.

Die Partei balanciert zwischen Liberalismus und Konservativismus und ist somit in einer schwierigen strategischen Lage. Diese Situation entstand nicht zuletzt durch das Aufkommen der Schwedendemokraten, die vor allem von konservativen Wählerinnen und Wählern unterstützt wird. Innerhalb der „Allianz“ gibt es zunehmend Meinungsverschiedenheiten bezüglich wichtiger Themen. Die Christdemokraten haben, im Gegensatz zu den anderen beiden kleineren Allianz-Parteien (Zentrumspartei und Liberale), eine Zusammenarbeit mit der nationalistischen Rechten ausgeschlossen. Trotzdem weicht die Partei von ihrem strikten Kurs hinsichtlich Abtreibung und gleichgeschlechtlicher Ehe ab und nährt so interne Befürchtungen, denen zufolge die Christdemokraten  sich von ihren Kernthemen abwenden könnten.

Die strategische Lage der Grünen (MP)

Die Grünen (MP, Miljöpartiet De Gröna)

Die Grünen (Miljöpartiet) entstanden 1981 aus der Anti-Atom-Bewegung. Seitdem setzt sich die Partei für einen starken lokalen Umweltschutz und eine bürgernahe Politik ein. Aus diesem Grund galt sie lange als EU-skeptisch, nutzt jedoch mittlerweile die EU, um bezüglich des globalen Klimaschutzes zu kooperieren.

Obwohl die Agenda der Grünen traditionell vom Thema Umweltschutz dominiert wird, setzt sich die Partei auch für die Themen Bildung und Integration ein. Die Grünen vertraten lange eine liberale Einwanderungspolitik, verfolgen jedoch seit Regierungseintritt im Jahr 2014 eine striktere Linie. Nichtsdestotrotz  propagiert die Partei nach wie vor ihre Vision einer Welt ohne Grenzen und verfolgt langfristige das Ziel, die strikten Einwanderungsgesetze wieder aufzuweichen.

Bangen um den Parlamentseinzug

Trotzdem die Grünen bei der letzten Wahl 2014 mit 6,9 % ihr erhofftes Wahlziel nicht erreichen konnten, reichte das Ergebnis  für eine Beteiligung an der sozialdemokratisch geführten Regierung aus. Als kleinerer Koalitionspartner war die Partei jedoch zu einigen Kompromissen gezwungen, die – wie im Falle der Einwanderungspolitik – teilweise im Widerspruch zu ihren eigenen Kernpositionen standen. Der damit einhergehende  Glaubwürdigkeitsverlust schwächte die Partei. Laut Umfragen könnte die Partei die Vier-Prozent-Hürde und somit den Sprung ins Parlament knapp verpassen.

Die Grünen setzen zur anstehenden Wahl wieder auf das Kernthema Umweltschutz und versuchen so die Fehler der letzten Wahl, als man  sich stark auf das Thema Einwanderung konzentrierte und als Gegenpol zum Rechtspopulismus präsentierte, nicht zu wiederholen. Die Partei strebt eine erneute Koalition mit den Sozialdemokraten an, schließt aber auch eine Kooperation mit den Liberalen oder der Zentrumspartei nicht aus.

Die strategische Lage der Moderaten Sammlungspartei (M)

Die Moderate Sammlungspartei (M, Moderaterna)

Die liberal-konservative Moderate Sammlungspartei fordert eine Deregulierung des Arbeitsmarktes, Steuersenkungen und  den Rückbau des Sozialstaates. Als führende Oppositionspartei hat sie es sich zum Ziel gesetzt, stärkere Arbeitsanreize zu schaffen, um so die Beschäftigung zu steigern.

Im Jahr 2006 leitete die Partei einen neuen Kurs ein, gab sich – sehr  zum Missfallen der Sozialdemokraten –  den Zusatz „die schwedische Arbeiterpartei“ und positioniert sich nun stärker mitte-rechts innerhalb des politischen Spektrums. Der frühere Parteivorsitzende Fredrik Reinfeldt wurde mit diesem Slogan in das Amt des  Premierministers gewählt, das er bis 2014 inne hatte. Nachdem Reinfeldt sein Amt als Vorsitzender niederlegte, vertrat die Partei verstärkt autoritärere Positionen und forderte eine Stärkung der inneren Sicherheit, höhere Ausgaben für die Polizei und strengere Einwanderungsgesetze.

Rechtspopulisten entwaffnen?    

Im aktuellen Wahlkampf erklärte der neue Parteivorsitzende, Ulf Kristersson Einwanderung und Integration zu Schwedens größten Herausforderungen. Dies kann als Strategie gewertet werden, um die populistischen Schwedendemokraten zu „entwaffnen“ und sich nunmehr selbst ihres Kernthemas anzunehmen. Analysen zeigen, dass ein Drittel der Wählerschaft der Schwedendemokraten frühere Anhänger_innen  der Moderaten Sammlungspartei waren. Aktuelle Umfragen prognostizieren ein schwaches Ergebnis für die Partei und ziehen so die eingeschlagene Strategie in Zweifel.

Die Moderate Sammlungspartei führt das bürgerliche Lager mit der Zentrumspartei, den Liberalen und Christdemokraten an und hofft,  ein konservatives Regierungsbündnis mit eben diesen Parteien eingehen zu können. Dieser Plan könnte allerdings, nicht zuletzt aufgrund der grundlegenden Veränderungen der politischen Landschaft und einer von den liberalen Parteien angekündigten liberaleren Einwanderungspolitikscheitern. Kristersson betonte im Juli 2018, dass seine Partei nicht für ein Bündnis mit den Schwedendemokraten zur Verfügung stünde. Eine Mehrheit der Anhängerinnen und Anhänger der Moderaten Sammlungspartei würden jedoch eine Koalition mit den Schwedendemokraten gegenüber einer solchen mit den Sozialdemokraten bevorzugen. Die Stärke der Schwedendemokraten und die inhaltliche Nähe von Moderaten und Schwedendemokraten  hinsichtlich der Einwanderungspolitik könnten eine Regierungsbildung erschweren.

Die strategische Lage der Linkspartei (V)

Die Linkspartei (V, Vänsterpartiet)

Die Schwerpunktthemen der sozialistischen Vänsterpartiet sind die wirtschaftliche Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und Feminismus. Sie will sich als sozialistische Alternative zu den Sozialdemokraten anbieten, fordert mehr bezahlbaren Wohnraum und positioniert sich gegen eine Privatisierung des Gesundheitssektors. In ihrem Wahlprogramm spricht sich der Parteivorsitzender Jonas Sjöstedt zudem für mehr Klimaschutz aus und befürwortet die Einführung des Sechs-Stunden-Tages . Letzteres wird als zentrale Maßnahme zur Durchsetzung von mehr Gleichstellung betrachtet.

Auf der wirtschaftspolitischen Achse positioniert sich die Vänsterpartiet mit Blick auf Fragen des Wohlfahrtsstaates sowie der Steuer- und Arbeitsmarktpolitik am linken Rand des politischen Spektrums. Obwohl in den vergangenen Wahlkämpfen vor allem klassische wirtschaftliche „Links-Rechts“-Themen den Wahlkampf der Linkspartei dominierten,  werden diese momentan von Fragen der inneren Sicherheit und der Einwanderungspolitik verdrängt. Auf der vertikalen Achse, die den Konflikt zwischen libertären und autoritären Werten abbildet, tritt die Linkspartei weniger kohärent auf und vertritt sowohl progressive (Gleichstellung und Emanzipation) als auch autoritäre (mehr Personal bei der Polizei) Positionen.

Steigende Mitgliederzahlen

Im Vergleich zur letzten Wahl erfreut sich die Linkspartei steigender Mitgliederzahlen, kann auf ein höheres Budget zurückgreifen und verfügt über eine relativ stabile Wählerschaft. Jonas Sjöstedt scheint die Partei zu einem besseren im Vergleich zum Jahr 2014 zu einem besseren Ergebnis führen zu können, wenngleich der Stimmanteil der Partei weiterhin verhältnismäßig klein bleiben wird (Umfragen: ca. 9 %). In der Legislaturperiode 2014-2018 unterstützte die Linkspartei die rot-grüne Regierung und ihren Haushaltsvorschlag, konnte sich jedoch keinen Posten in der Regierung sichern. Dies möchte die Linkspartei nun ändern, wobei die regierende Koalition eine Regierungsbeteiligung der Vänsterpartiet ausschließt.

Die strategische Lage der Liberalen (L)

Die Liberalen, (L, Liberalerna)

Die Liberalen setzen ihren programmatischen Schwerpunkt in den Bereichen Bildungspolitik, Integration, Gleichstellung und freie Wirtschaft. Sie fordern die Vermittlung von mehr Disziplin in Schulen, bessere Ergebnisse bei schulischen Vergleichsstudien und eine Aufwertung des Lehrerberufs. Zudem spricht sich die Partei für sprachliches und kulturelles Wissen als Voraussetzungen für den Zugang zur schwedischen Staatsbürgerschaft aus.

Die Liberalen verorten sich selbst, wie die Zentrumspartei, in der Mitte der politischen Landschaft, zwischen den Sozialdemokraten und der Moderaten Sammlungspartei. Der Parteivorsitzende Jan Björklund warnte angesichts der anstehenden Wahlen vor einer reinen „Krisenrhetorik“ und alleinigen Fokussierung auf die Themen nationale Sicherheit und Einwanderung. Stattdessen fordert er eine ausgewogene und werteorientierte Debatte. Wie auch den anderen Kleinparteien fällt es den Liberalen schwer, ihre Themen in den Vordergrund zu rücken, da der Wahlkampf vom Thema Einwanderung dominiert wird, das vor allem von den Schwedendemokraten auf die politische Agenda gesetzt wird.

Ringen um Aufmerksamkeit 

Die Partei kämpft seit den letzten drei Wahlen mit sinkender Unterstützung und käme laut Umfragen nur knapp über die Vier-Prozent-Hürde. Dieses schwache Ergebnis ist mit dem geringen öffentlichen Interesse an den Kernthemen der Partei zu erklären, zu denen beispielsweise Bildung, Wirtschaft und internationale Zusammenarbeit gehören. Eine andere Erklärung für die niedrigen Zustimmungswerte ist die zunehmende Polarisierung der Parteienlandschaft und die Verschiebung des politischen Diskurses hin zu autoritären Vorstellungen. Die Partei vertritt zu den öffentlich debattierten Themen wie öffentliche Sicherheit und Einwanderung keine eindeutige Position. Auf der einen Seite befürwortet sie eine liberale Einwanderungspolitik, auf der anderen Seite fordert sie eine striktere Integrationspolitik und stärkeres Vorgehen gegen Kriminalität.

Die Partei bevorzugt eine Regierung mit der Moderaten Sammlungspartei, den Christdemokraten und der Zentrumspartei, zeigt sich aber auch für eine Koalition mit den Sozialdemokraten offen. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Lagergrenzen in der schwedischen Politik zunehmend verschwinden. Einzig ein Bündnis mit den Schwedendemokraten schließen die Liberalen aus. Die Partei argumentiert, dass ein Politikwechsel nur möglich ist, wenn Schwedendemokraten und Linkspartei nicht Teil der Regierung würden – zwei erklärte Ziele der Liberalen.

Die strategische Lage der Schwedendemokraten (SD)

Die Schwedendemokraten (SD, Sverigedemokraterna)

Mit ihrem erstmaligen Einzug in das schwedische Parlament im Jahr 2010 etablierten  die Schwedendemokraten mit der Debatte über die Einwanderungspolitik eine neue Konflitkdimension im politischen Diskurs Schwedens . Die Partei gilt als national-populistisch und spricht sich für eine deutliche Reduzierung der Einwanderungsquote und gegen Multikulturalismus aus. Die Schwedendemokraten behaupten von sich selbst, in Opposition zum politischen Establishment zu stehen und eine Politik ohne Ideologien zu verfolgen. In ihren ersten Jahren wurde die Partei hauptsächlich als Ein-Themen-Partei wahrgenommen. Mittlerweile positioniert sie sich auch zu Themen wie Altenpflege, Kriminalitätsbekämpfung und Disziplin in Schulen klarer.

Populisten auf der Überholspur

Seit ihrem Aufkommen im Jahr 2010 hat die Partei viel öffentliches Aufsehen erregt. Bei der letzten Wahl (2014) konnte sie ihren Stimmanteil von 2010 von 5,7 % auf 12,9 % mehr als verdoppeln. In aktuellen Umfragen liegt sie momentan bei 21 %. Die Wählerinnen und Wähler der Schwedendemokraten stammen sowohl aus der Wählerschaft der  Moderaten Sammlungspartei und der Sozialdemokraten als auch aus der Nichtwählerschaft.

Wie in anderen europäischen Ländern mehren sich auch in Schweden einwanderungs-, globalisierungs- und elitenkritische Stimmen. Der Parteivorsitzende Jimmie Åkesson spricht von der Krise Schwedens. Das Aufkommen der Schwedendemokraten destabilisiert die klassische Rechts-Links-Achse der schwedischen Politik, weil die anderen sieben Parteien stärker kooperieren, um den Einfluss der Schwedendemokraten zu reduzieren.

Obwohl alle verbleibenden Parteien ihr Möglichstes versuchen, um die Stärke der Schwedendemokraten einzudämmen, zeigen aktuelle Umfragen, dass die Partei auch bei der kommenden Wahl einen Stimmzuwachs erwarten kann. Im Anschluss an die Wahl möchte die Partei verschiedene Koalitionsmöglichkeiten prüfen, hat bis jetzt jedoch keinen Bündnispartner unter den anderen Parteien finden können.

Allgemeine Erläuterungen zu den Graphen

Wie wurden die Graphen erstellt?

  • Die Positionen basieren auf den Antworten (der potentiellen Wählerinnen und Wähler) bzw. Einordnungen (der Parteien) bezüglich 30 Aussagen zu den wichtigsten Wahlkampfthemen. Eine Position setzt sich aus einer Kombination der beiden Achsenpositionen zusammen („Links-Rechts“-Achse und „Libertär-Autoritär“-Achse), woraus sich eine zweidimensionale politische Landschaft ergibt.
  • Potentielle Wählerinnen und Wähler werden mithilfe einer zehnstufigen „Propensity-To-Vote“-Variable (Wahlwahrscheinlichkeit) erfasst, auf der die Befragten angeben, wie wahrscheinlich es ist, dass sie jemals die jeweiligen Parteien wählen werden. Als potentielle Wählerinnen und Wähler werden solche Nutzerinnen und Nutzer bezeichnet, die diese Wahrscheinlichkeit für die jeweilige Partei mit den Werten 8, 9 und 10 auf der zehnstufigen Skala angegeben haben. Die durchschnittliche politische Position dieser potentiellen Wählerinnen und Wähler liegt in der Mitte der Ellipse.

Autoren

Verantwortlich für die Grafiken:

André Krouwel - Gründer von Kieskompas BV & Freie Universität Amsterdam

Yordan Kutiyski - Analyst - Kieskompas BV

Oscar Moreda Laguna - General Operations Manager - Kieskompas BV

Projektkoordianation:

Oliver Philipp - Friedrich-Ebert-Stiftung

Arne Schildberg - Friedrich-Ebert-Stiftung

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