Blickt man auf die Evolutionsbiologie, so unterscheiden sich Menschen nicht durch eine höhere Intelligenz von Artverwandten wie Schimpansen oder Orang-Utans, sondern durch die sozialen Lernfähigkeiten. Menschen allein erröten bei einer emotionalen Reaktion oder geben ihre Blickrichtung durch das Weiße in den Augen preis, wohingegen alle anderen Primaten verdunkelte Augäpfel besitzen. Auf diese Weise sind wir ein offenes Buch für unsere Mitmenschen, was Kommunikation, Vertrauen und damit gegenseitiges Lernen erleichtert.
Während hohe Intelligenz den Erfindungsgeist fördert, geht sie oft mit einer geringeren sozialen Kompetenz einher. Je geringer die soziale Kompetenz ist, desto schwieriger wird das Lernen voneinander. Das soziale Lernen gilt jedoch als die größte Stärke des Menschen. Denn soziales Lernen ermöglicht eine schnellere kollektive Anpassung an neue Umweltentwicklungen. Die Neandertaler hingegen waren dazu nicht in der Lage; trotz ihrer individuell großen Intelligenz.
Auch die These, dass Menschen von Natur aus zu Gewalt neigen, ist aus heutiger Sicht wissenschaftlich nicht haltbar. Vergangene Studien, die die Gewaltneigung zu belegen glaubten, haben sich in vielerlei Hinsicht als methodisch falsch erwiesen. Zum Beispiel wurden in einer bekannten Studie zu Unrecht Tote als Opfer der Gewalt im untersuchten Volke gezählt, obwohl sie eigentlich von zivilisierten Nachbarn erschossen worden waren. Neue Studien zur Entwicklung von „Jägern und Sammler“-Gesellschaften belegen sogar die große Freundlichkeit der Menschen. Kleine Nomadengruppen reisen fortwährend, aber wenn sie sich treffen, dann essen und feiern sie gemeinsam und nicht selten vermischen sich die Gruppen immer wieder untereinander.
„Zum größten Teil unserer Geschichte haben wir nicht Besitztümer angehäuft, sondern Freundschaften.“
Auch Ausgrabungen des Homo sapiens aus der Zeit seines Naturzustandes, vor dem Beginn der Landwirtschaft, bieten keinerlei Beweise für eine massenhafte Gewaltneigung. Gewalt trat etwa bei Fehlverhalten Einzelner auf, die sich ohne Grund über die Interessen der Gruppe zu stellen versuchten. Gleichheit war innerhalb der Gruppe besonders wichtig. Von ihr wurde nur dann abgewichen, wenn ein Stammesmitglied durch eine Fähigkeit oder Kompetenz temporär der Gruppe als Ganzes helfen konnte. Im Vergleich zu den Neandertalern war Gleichheit in den Stämmen des Homo sapiens auch durch die Gleichberechtigung der Geschlechter viel stärker und führte zu einem vielfältigeren Netzwerk und einem intensiveren Wissensaustausch.
Wann begannen aber dann die ersten Kriege und warum? Nach der letzten Eiszeit vor 15.000 Jahren fingen Menschen an, sich im verbesserten Klima zwischen Nil und Tigris niederzulassen, weil dort besonders fruchtbare Natur zur Verfügung stand.
„Faszinierend ist, dass in genau dieser Periode nach dem Ende der Eiszeit auch die ersten Kriege ausbrechen. Genau zu der Zeit, als wir uns an einem Ort niederließen, errichteten wir auch die ersten militärischen Befestigungen, zeigt sich an archäologischen Untersuchungen. […] Es sind zahlreiche Skelettüberreste ausgegraben worden, die sich auf diese Zeit datieren lassen; sie zeigen deutliche Anzeichen von Gewalt. Wie konnte es so weit kommen? Wissenschaftler vermuten wenigstens zwei Ursachen. An erster Stelle gab es jetzt Besitz, um den man kämpfen konnte, vor allem um Land. An zweiter Stelle hat uns das sesshafte Leben misstrauischer gegenüber Fremden gemacht.“
Die wachsende Bevölkerung auf engstem Raum führte zu mehr Krankheit, mehr Landwirtschaft, mehr Arbeit und damit weniger Zeit für soziale Kontakte. Frauen wurden an den Hof gebunden. Die Obsession der Jungfräulichkeit vor der Ehe diente auch dem Schutz vor Geschlechtskrankheiten, die es vorher nicht gab. Eine Rückkehr zur alten Lebensweise war unmöglich, denn die größere Bevölkerung musste ernährt werden, das Wissen über Sammeln und Jagen ging verloren und die Weiterreise in andere Regionen hätte zu Konflikten mit den dortigen Bewohnern geführt. Vor vielen dieser Zivilisationsprobleme stehen die Menschen noch heute. Es ist noch offen, ob und wann wir es schaffen, diese Probleme zu lösen.