Die Stärke der Partizipation

Wie die arabische, junge Klimabewegung sich auf internationalem Klimaparkett der COPs bewegt, erklärt uns Franziska Wehinger, FES Amman.

Bild: Franziska Wehinger im Interview mit Hala Murad, Vorsitzende der CAN Arab World von FES Amman

Bild: CAN Arab World beim FES-Workshop von FES Amman

Bild: CAN Arab World Delegation von FES Amman

Bild: @COP25 Sarah Elharthey Young Arab Energy Experts von FES Christiane Heun

Bild: @COP25 Publikumsfrage von FES

Bild: @COP25 Abdallah Shamali Young Arab Energy Experts von FES Christiane Heun

In welcher Form hat sich FES MENA an der letzten COP24 in Polen – Katowice beteiligt?

Jedes Jahr sendet die FES eine zivilgesellschaftliche Delegation von Klimaaktivistinnen und -aktivisten sowie Klimaforscherinnen und -forschern zur Weltklimakonferenz (Conference of the Parties, COP). Nach Gründung des Climate Action Network Arab World (CAN AW), mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung 2014, gewann die arabische Klimabewegung auf der COP22 in Marokko an Dynamik. Seitdem unterstützt die FES CAN AW Mitglieder sowie eine Gruppe von jungen Klimaaktivistinnen und -aktivisten die Teilnahme an den Weltklimakonferenzen, um auch regierungsunabhängigen Akteuren eine Stimme zu geben.

Im Gegensatz zu Europa, Südamerika und Asien war auf der COP24 in Polen die arabische Welt am wenigsten sichtbare zivilgesellschaftliche Gruppe. Dennoch wächst unsere zivilgesellschaftliche FES MENA Delegation rasant und wird stärker. In Madrid zur COP25 sind wir sehr gut aufgestellt: Fünf unserer eingereichten Veranstaltungen sind durch die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) offiziell bestätigt und können durchgeführt werden. Arabische Aktivisten und Aktivistinnen werden die arabische Welt in einem anderen Licht darstellen. Sie wollen den Ruf dieser rohstoffreichen Region verbessern, die zurzeit einen Temperaturanstieg von 4 Grad befeuert. Zudem kann ich auch noch eine positive Veränderung innerhalb der arabischen Klimabewegung allgemein wie auch unseren Delegationen erkennen: Mehr Frauen als Männer sowie mehr junge Leute sind in unserer Delegation vertreten.

Erzählen Sie uns mehr über die Beteiligung und die Rolle von jungen Leuten

    Die„Fridays for Future“- Bewegung hat die Jugend auch in dieser Region erreicht. Sie nimmt hier nur andere Formen an und findet einen anderen Ausdruck. Die arabische Jugend ist sehr gut darin, Kenntnisse und Fachwissen in Energiefragen zu erwerben, und sie entwickeln Gegenargumente im Hinblick darauf, warum ökonomische Modelle für die MENA-Region auf fossilen Brennstoffen als Basis aufbauen müssen. Dann muss dies zu politischem Handeln führen – etwas, das in dieser Region sehr häufig nicht passiert. Aus diesem Grunde haben wir das Trainingsprogramm „Young Energy Expert“ ins Leben gerufen, das junge Leute in politischen Maßnahmen zu Energiewende und erneuerbare Energien schult. Die Nachfrage danach war enorm: Wir hatten mehr als 300 Bewerbungen und konnten daraus die zwölf am besten qualifizierten und begabtesten jungen Leute aus zehn verschiedenen arabischen Ländern auswählen.

    Diese Gruppe hat nun ihre eigene Vision der Energiewende in der MENA-Region zu Papier gebracht – hin zur CO2-Neutralität. Es ist großartig zu sehen, wie Khaled aus dem kriegszerrütteten Jemen, Sarah aus dem ölreichen Saudi-Arabien und Bandali aus dem rohstoffarmen Jordanien gemeinsam dieses Paper erarbeiten. Dieses Jahr werden sie die FES MENA Delegation begleiten und ihre Vision auf verschiedenen Panels der COP25 in Madrid vorstellen, auch mit der Deutschen Jugenddelegation im Deutschen Pavillon. (Darüber werden wir gesondert auf unserem Themenstrang COP25 berichten)

    Wir hatten bis jetzt 25 Weltklimakonferenzen – die USA sind aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Können Weltklimakonferenzen wirklich etwas bewegen? Welche Bedeutung haben sie noch?

      Die Weltklimakonferenzen (COPs) stehen dafür, dass Vertragsstaaten eine Allianz eingegangen sind. In Kyoto 1992 haben sie sich dafür ausgesprochen, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um den Klimawandel zu bekämpfen und Schäden für das ökologische System, das uns umgibt, wie auch für die Menschen abzuwenden. Diese Vereinbarung hieß Kyoto-Protokoll und wurde 2015 durch das Pariser Abkommen, das auf der COP21 in Paris beschlossen wurde, zum internationales Recht. So gesehen ist eine COP kein abgeschlossener Prozess, sondern ein Instrument, um zunächst das Kyoto-Protokoll und jetzt das Pariser Abkommen umzusetzen. Zwei Gründe, warum wir sie brauchen: Zunächst haben alle Staaten zugestimmt, ihre Ziele in einem Fünf-Jahres-Zyklus zu erhöhen, dies beginnt 2020, wenn die Regierungen ihre sogenannten national festgelegten Ziele (Nationally Determined Contributions, NDCs) vorstellen und darlegen müssen, wie sie ihre festgelegten Ziele erreicht haben. Ein weiterer Aspekt ist, dass viele Punkte des Pariser Abkommens noch nicht gelöst sind: Die Fragen nach Verlust und Schaden (Loss & Damage), Emissionshandel und auch nach einem konkreten Regelwerk.

      So lange wir noch Treibhausgase ausstoßen (und das geschieht heute stärker als je zuvor), brauchen wir die COP. Außer der Reduzierung von Treibhausgase ist die COP für ärmere Staaten in der arabischen Welt eine Möglichkeit, die finanzielle Unterstützung reicherer Staaten anzuregen, um Wetterextreme, geringere landwirtschaftliche Produktion und den Anstieg des Meeresspiegels bekämpfen zu können.

      Es stimmt, dass die USA aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen. Das wird aber den Rest der Welt nicht davon abhalten zusammen zu arbeiten. Im Gegenteil, es entstehen neue Allianzen, wie die zwischen China und Frankreich, der Zusammenschluss von US-Bundesstaaten und Gemeinden, die sich höhere Ziele denn je stecken, Industrien, die ihre Produktion klimaneutral gestalten wollen, und Bürgerinnen und Bürger aus allen Teilen der Erde, die zu weltweitem Handeln aufrufen. Nichtstaatliche Akteure sind heute wichtiger als je zuvor.

      Warum ist es wichtig, dass die Zivilgesellschaft Regierungen und politische Entscheidungsträger_innen trifft?

        Die Partizipation von nicht-staatlichen Akteuren an der COP ist in der arabischen Welt entscheidend. Da Saudi-Arabien jedes Jahr den Vorsitz der Liga der Arabischen Staaten (LAS) innehat, verstecken sich die arabischen Regierungen dahinter. Das ist jedoch keine repräsentative Vertretung der Region, da viele rohstoffarme Staaten einen stärkeren Willen haben, an einer Reduzierung der Treibhausgase zu arbeiten, als Saudi-Arabien. Diese Staaten haben zugleich größere Schwierigkeiten, sich dem Klimawandel anzupassen. Die Widerstandsfähigkeit Überschwemmungen, Dürren und Wetterextremen zu entwickeln und standzuhalten, ist in Staaten wie Palästina, Jordanien und Tunesien wesentlich weniger ausgeprägt als in den Golfstaaten. Arme arabische Staaten sind politisch wie auch finanziell von den Golfstaaten abhängig. Die Zivilgesellschaft kann wesentlich freier und kritischer sprechen und daher diese geopolitische Struktur hinterfragen.

        Zusätzlich hat die Zivilgesellschaft die Aufgabe, höhere Ziele zu setzen, sowohl für eine schnellere Energiewende als auch für stärke Anpassungsbemühungen. Politische Turbulenzen, Sicherheitsfragen wie auch die ökonomische Krise in dieser Region lassen den Klimawandel für viele Regierungen als unwichtig erscheinen. Die Klimabewegung hat hier eine riesige Aufgabe.

        Haben diese Treffen irgendeinen Effekt?

          Wir haben in der Region viele Vortreffen zur COP organisiert, auf denen die Zivilgesellschaft mit den Regierungen zusammenkommt. Das ist ein gutes Zeichen – es zeigt, dass die Regierungen bereit sind, die Zivilgesellschaft zu treffen. Leider ist es so, dass die Umweltministerien viele Versprechen geben, doch die Regeln werden durch die Energieministerien aufgestellt, die die Energiewende in vielen Ländern verlangsamen.

          Aber das ist ja nicht nur in der arabischen Welt so – das beobachten wir weltweit.

           

          Franziska Wehinger ist Regionale Projektleiterin Klima & Energie der Friedrich-Ebert-Stiftung im Nahen/Mittleren Osten und Nordafrika mit Sitz in Amman/Jordanien. Zentrale Themen des Projektes sind  Energietransformation, internationale Klimapolitik und nachhaltige Stadtentwicklung.

            Das englischsprachige Interview führte Omar Sufan, Regionaler Kommunikationsmanager der Friedrich-Ebert-Stiftung im Nahen/Mittleren Osten und Nordafrika.

            Aus dem Englischen übersetzt von Meiken Endruweit.

               

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