#ILO100 I 100 Jahre Internationale Arbeitsorganisation I Siechtum oder neuer Frühling?

Nicht nur Grund zum Feiern: Zeit für Rückblenden und Aussichten für die neue Arbeitswelt. Zeit für den Menschen im Mittelpunkt.

Bild: FES Veranstaltung 100 Jahre ILO von Frank Nürnberger/studio10117.de

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Ein Jahrhundert und mehr in einem Tag. Geht das? Ja, sogar in fünf Minuten: Länger brauchten fünf Panelist_innen nicht, um die Essenz des Siegens und Scheiterns dieser einzigartigen, in 1919 zur Förderung sozialer Gerechtigkeit in der Welt der Arbeit gegründeten UN-Institution auf den Punkt zu bringen. Konfrontiert mit der Frage: „Was wünschen sie sich für die nächsten 100 Jahre?“ artikulierten die in der Eingangsrunde der von Friedrich Ebert Stiftung (FES), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Global Labour University (GLU) am 27. März 2019 organisierten Konferenz „100 Jahre ILO - Die Regeln für ein neues Jahrhundert der Arbeit gestalten“ ihre Forderungen:

Arbeit ist keine Ware. Das von der Internationale Arbeitsorganisation (ILO) 1944 formulierte Leitmotiv ist für die brasilianische Gewerkschafterin Clair Ruppert längst nicht Realität. Ein Dasein als Tagelöhner ist noch immer die Realität von vielen Arbeitenden, und die Plattformökonomie  bringt den digitalen Tagelöhner hervor.
Fish Ip, eine Organisiererin von Hausangestellten aus Hongkong fordert, dass wir unser Verständnis von Arbeit und des Arbeitsplatzes erweitern: Heimarbeit gilt es ebenso zu schützen wie Straßenverkäufer_innen. Zudem sollten wir unbezahlte (Sorge-)Arbeit endlich als Arbeit verstehen und entsprechend werten.
Damit dies möglich wird,  sollten wir nach Einschätzung des südafrikanischen Arbeitsforschers Edward Webster die Perspektive der informellen und prekären Arbeiter_innen des Globalen Südens einnehmen. Dann würden wir erkennen, dass das traditionelle Modell des Tripartismus (Zusammenarbeit von politischen Akteuren: Arbeitgeber, Gewerkschaften und Regierungen sitzen an einem Tisch) zu eng konzipiert ist und stattdessen den informell Beschäftigten eine Stimme gegeben werden muss. Für den russische Gewerkschaftsaktivisten Kirill Buketov ist es an der Zeit, endlich den fundamentalen Rechten von Arbeiter_innen, wie sie in den ILO-Kernarbeitsnormen verankert sind, Geltung zu verschaffen! Wie kann es sein, fragt er, dass 100 Jahre nach ILO Gründung in 1919 noch immer Kinderarbeit existiert?

Dazu sei es notwendig, dass sich die ILO mehr Macht gegenüber den Staaten, internationalen Institutionen wie der Welthandelsorganisation oder den Banken erkämpft. Dort, wo Entscheidungen getroffen werden, sind die Arbeitnehmer_innenperspektiven zu berücksichtigen, forderte der niederländische Historiker Marcel van der Linden.

Dem stimmte in der darauf folgenden Diskussion auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zu, indem er betonte: „Die ILO muss sich behaupten!“ Handelsverträge müssen Arbeitnehmer_innenrechte beinhalten, und diese auch durchgesetzt werden. Für Deutschland forderte er, dass Unternehmen zum Beispiel in der Logistikbranche für ihre Subunternehmen haften.

Das fand auch der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Verbindliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen müssen endlich gesetzlich eingeführt werden. Zudem gelte es, die bevorstehenden UN-Reformen dazu zu nutzen, damit Kernarbeitsnormen Grundlage aller UN-Organisationen werden.

Viel Arbeit also für eine Organisation, in der die Arbeitnehmer_innen nur ein Viertel der Stimmanteile halten und sich mit Arbeitgeber_innen und Regierungen einigen müssen.

Umso wichtiger ist es, auf die Ursprungsüberlegung der ILO hinzuweisen: Dauerhafter Frieden ist nur mit sozialer Gerechtigkeit möglich. Diese kann nur durch eine Regulierung der Arbeitswelt basierend auf fundamentalen Rechten von arbeitenden Menschen erreicht werden. Dies gilt für die stark unterschiedlichen Arbeitsmärkte des Globalen Südens ebenso wie für die im Globalen Norden. Der technologische Fortschritt ist dabei politisch zu gestalten und Produktivitätsgewinne so zu verteilen, dass alle, die sie erwirtschaften, davon teilhaben können.

Das von der Weltkommission zur Zukunft der Arbeit formulierte Leitbild einer menschenzentrierten Entwicklung ist, wenn sie im Einklang mit der Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen einhergeht, die Agenda für #ILO200.

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