100 Jahre FES! Mehr erfahren

Sevilla als Stunde der Wahrheit in der Schuldenkrise

Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis hat die 4. Internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung begleitet und zieht ein gemischtes Fazit.

 

von Sarah Ganter

Mit nicht weniger als der Forderung nach einer Reform der internationalen Schuldenarchitektur, einem fairen internationalen Steuersystem und inklusiven multilateralen Finanzinstitutionen begleitete ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis und Gewerkschaften den Weg zur 4. Internationalen Konferenz für Entwicklungsfinanzierung (#FfD4), die Anfang dieses Monats in Sevilla unter der Leitung der UNO stattfand. Dort trafen sich 70 Staats- und Regierungschef:innen, um Antworten auf die drängenden Fragen für gerechte Entwicklungsfinanzierung zu finden. Der gastgebende spanische Premierminister, Pedro Sánchez, beschrieb die internationale Staatsschuldenkrise als eine der größten Bedrohungen für nachhaltige Entwicklung.

 

Schulden und ihre Folgen für Länder des Globalen Südens

Die internationale Staatsschuldenkrise und geringe Steuereinnahmen lassen Ländern des Globalen Südens keinen fiskalischen Handlungsspielraum, um in nachhaltige Entwicklung zu investieren. 3,3 Milliarden Menschen leben weltweit in Ländern, die mehr für ihren Schuldendienst ausgeben, als für Bildung und Gesundheit, während das Vermögen der zehn reichsten Männer der Welt Schätzungen von Oxfam zufolge im Jahr 2024 pro Tag um 100 Millionen US-Dollar gewachsen ist. Die internationale Finanzarchitektur ist von der Fortschreibung kolonialer Machtasymmetrien geprägt. Der Klimawandel wirkt als Brandbeschleuniger für die Probleme mit denen insbesondere Entwicklungsländer zu kämpfen haben. Dazu kommen Handelskonflikte, der Rückzug der USA aus der Entwicklungszusammenarbeit und eine insgesamt rückläufige ODA-Quote.

 

FfD4 und der laue Compromiso de Sevilla

Ziel war es, mit der 4. Internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung (#FfD4) ein neues Momentum für die Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 und ein starkes Bekenntnis zu bilateralen ODA-Verpflichtungen zu schaffen. Dabei ist der bereits im Vorfeld ohne die USA im Konsens verabschiedete Compromiso de Sevilla  zwar ein erfreuliches Lebenszeichen eines schon totgesagten Multilateralismus. Inhaltlich aber eher ein lauer Kompromiss.

Insbesondere in der Frage der Verschuldung enthält er nicht den erhofften großen Wurf. Während die G7 vor allem auf eine Reform des „Gemeinsamen Rahmenwerks für Schuldenrestrukturierung“ der G20 setzen, fordern Länder des Globalen Südens und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft die Schaffung eines inklusiveren Systems durch einen intergouvernementalen Mechanismus unter dem Dach der Vereinten Nationen (VN). Die Organisation für Handel und Entwicklung der VN (UNCTAD) hatte schon vor längerer Zeit die Schaffung einer entsprechenden „Global Debt Authority“ vorgeschlagen. Der „Compromiso“ sieht hier nur eine Arbeitsgruppe der VN vor, die Lücken im bestehenden System ausloten soll.

 

Geteilte Macht und echte Beteiligung

In einem Side Event, dass die Friedrich-Ebert-Stiftung gemeinsam mit VENRO, dem ITUC Africa und anderen Partnerorganisationen in Sevilla veranstaltete, wurde der Ruf nach „geteilter Macht“ und echter Beteiligung der Schuldnerländer an den Entwicklungen von Lösungen laut. Bislang bleiben diese in wichtigen Entscheidungen und Prozessen außen vor, die von den G20 oder der OECD dominiert werden. Eine weitere wichtige Forderung ist soziale und ökologische Aspekte stärker in die Bewertung der Nachhaltigkeit von Verschuldung einzubeziehen. Der „Compromiso“ sieht hierfür die Einberufung einer Arbeitsgruppe durch den VN-Generalsekretär vor. An dieser sollen der Internationale Währungsfonds und die Weltbank beteiligt sein. Die Arbeitsgruppe soll entsprechende freiwillige Leitprinzipien für die verantwortungsvolle Kreditaufnahme und -vergabe entwickeln.

Das New Yorker Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung hat dazu bereits im vergangenen Jahr in einer Serie von Expert:innenpapieren Vorschläge veröffentlicht. Darin wird deutlich, dass…

  1. …die Analyse der Schuldentragfähigkeit keine rein technische Angelegenheit ist, sondern immer auch auf der Grundlage politischer Kriterien erfolgt.
  2. …Fragen von Klimafolgen und sozialer Ungleichheit dabei zentrale Berücksichtigung finden müssen.
  3. …ein transparentes Verfahren zu Effektivität beiträgt und das Vertrauen der beteiligten Akteure in Schuldentragfähigkeitsanalysen stärkt.

 

Nationale Gesetze als Ergänzung zu multilateralen Bemühungen

Wichtiger als die in Sevilla getroffenen Beschlüsse ist die Frage, was nach der Konferenz konkret daraus folgt. Auf der Grundlage des Abschlussdokuments des FfD4-Prozess wurden im Rahmen der Sevilla Platform for Action (SPA) 130 konkrete Projektvorhaben lanciert. Unter anderem wurde ein Club der Schuldnerländer (Borrowers‘ Platform) gegründet, der Erfahrungsaustausch und gemeinsame Positionierung verschuldeter Länder ermöglichen soll. Eine Allianz für „Debt Pause Clauses“ will die Aussetzung des Schuldendienstes in durch Klimawandel oder Gesundheitskrisen ausgelösten Notsituationen vorantreiben.

Neben Maßnahmen auf der multilateralen Ebene können komplementär auch Gesetze im nationalen Rahmen mehr Rechtssicherheit und Nachhaltigkeit bei der Aufnahme von Krediten schaffen. Sie sorgen für:

  • mehr Transparenz
  • demokratische Kontrolle
  • einen verantwortlicheren Umgang mit Ressourcen
  • Schutz von Menschenrechten und Umwelt

In Vorbereitung der Sevilla-Konferenz hat sich die Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrem weltweiten Projekt „End the Sovereign Debt Trap #ETDT“ in einer Serie von Hintergrundpapieren angeguckt, wie solche legislativen Initiativen aussehen können.

 

Colodenco, Maia (Hrsg.)

End the debt trap

options for national legislative action : background papers dossier

Zum Download (PDF)


Zur Publikation


Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Bleiben Sie international informiert – mit unserem Newsletter

 

Erhalten Sie alle zwei Wochen aktuelle Beiträge aus der internationalen Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung direkt in Ihre Inbox.

 

Jetzt abonnieren!


Kontakt

Sarah Ganter
+49 30 26935-7430
Studie

Die Zukunft der NATO

Die NATO ist stark wie lange nicht! Aber auch geeint? Unsere neue Studie analysiert Debatten zur NATO in 14 Mitglieds- und ausgewählten Nicht-Mitgliedsstaaten. weiter

Studie

Security Radar 2025

Der aktuelle Security Radar 2025 umfasst Umfrageergebnisse zur Wahrnehmung von Sicherheit und Bedrohungen aus 12 Ländern Europas sowie den USA & Russland. weiter

Studie

Internationale Netzwerke der radikalen Rechten

Die radikale Rechte vernetzt sich immer effektiver - und zwar weltweit. Was können progressive Kräfte dem entgegensetzen? weiter

PEACEptions
Projekt

PEACEptions

Gemeinsames Projekt mit dem GIGA zu Konzepten von Frieden. Mehr auf unserer Website weiter

nach oben