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Für demokratische Institutionen, die wieder liefern!

Vertrauen erneuern, Teilhabe stärken: Wie demokratische Institutionen weltweit wieder tragen können

Die wachsende Unzufriedenheit mit der Leistungsfähigkeit demokratischer Institutionen ist besorgniserregend, bietet aber zugleich eine Chance: Befürworter_innen und Verteidiger_innen der Demokratie können sie nutzen, um neue Formen partizipativer Demokratie zu entwickeln. Denn Herausforderungen wie Vertrauensverlust in Institutionen, der tatsächliche und wahrgenommene Ausschluss bestimmter Bevölkerungsgruppen sowie die Erwartung an einen „liefernden Staat“ finden sich sowohl im Globalen Norden als auch im Globalen Süden. Lösungen für diese gemeinsamen Probleme können nur im offenen, ehrlichen Dialog auf Augenhöhe entstehen – zwischen Afrika, Lateinamerika, Asien, Europa und Nordamerika.  

Derzeit gelingt es den demokratischen Institutionen in Afrika wie auch in anderen Teilen der Welt häufig nicht, ihr grundlegendes Versprechen einzulösen: im Sinne des Gemeinwohls zu regieren und ein besseres Leben zu ermöglichen. Institutionen sind mit der Bereitstellung öffentlicher Güter wie soziale Sicherheit, Bildung, Gesundheit oder Arbeit betraut, haben dieses Versprechen jedoch oft nicht eingelöst. Das führt zu wachsender Unzufriedenheit, die sich in geringer Wahlbeteiligung, Protesten der Gen Z und einem schwindenden Vertrauen in die Demokratie äußert.

Allzu oft ist Demokratie in Afrika zu einem bloßen Ritual geworden, bei dem Checklisten abgearbeitet werden. Doch eine organisch gewachsene Demokratie braucht keine Checkliste – sie muss von der Gemeinschaftsebene bis zur nationalen Ebene wachsen.

Die folgenden drei miteinander verbundenen Ideen könnten demokratische Institutionen wieder funktionsfähig machen:
 

1. Regionale Ebene: Schaffung einer Ubuntu-Demokratie: „Ich bin, weil wir sind“
 

Die Idee der Ubuntu-Demokratie verbindet demokratische Institutionen mit der afrikanischen Moralphilosophie „Ubuntu“. Sie ersetzt Wahlformalismus durch eine qualitativ hochwertige Vertretung, die auf Konsens, Inklusivität und dialogischer Führung basiert. Ubuntu-Demokratie verankert die Regierungsführung wieder in den indigenen afrikanischen Werten von Ehrlichkeit, Menschlichkeit und gemeinschaftlicher Verantwortung, wie sie auch der Panafrikanismus lehrt. Sie versteht Demokratie als System und gemeinsames Ethos und stellt die Würde des Menschen ins Zentrum, um durch neu gestaltete Institutionen soziale Gerechtigkeit zu fördern.
 

2. Nationale Ebene: Aktive Bürgerschaft in politische Macht umwandeln
 

Politische Parteien müssen sich für die Anliegen junger Menschen öffnen, deren Stimme sich derzeit vor allem in Protesten äußert. Es braucht eine Verlagerung des Schwerpunkts von Kritik hin zu organisierter Politik, in der politische Bildung nicht nur Theorie bleibt, sondern als gelebte Praxis erfahrbar wird. Viele junge Menschen in Afrika wollen institutionelle Rahmenbedingungen so radikal verändern, dass Frauen und junge Menschen zu zentralen Akteur_innen des demokratischen Erneuerungsprozesses werden.

Ziel ist ein partizipativeres, direkteres Demokratiemodell, das die soziokulturelle Vielfalt Afrikas widerspiegelt und die Einbindung in demokratische Institutionen stärkt. Dazu gilt es, die Energie der Proteste in konkrete Forderungen und Beteiligungsformen in politischen Prozessen zu übersetzen.
 

3. Lokale Ebene: Das Volksparlament: Auf dem Weg zu mehr direkter Demokratie
 

Dieses Modell verlagert die Macht von zentralisierten Staatsstrukturen hin zu einer deliberativen Mitbestimmung auf lokaler Ebene. Demokratie wird zu einem Prozess aus Beratung und Rechenschaftspflicht – nicht mehr nur zu einer transaktionalen Abstimmung. Direktere Beteiligungsformen ermöglichen Bürger_innen echte Mitbestimmung und verkörpern das Prinzip „eine Vielfalt, eine Stimme”. Durch Modelle der direkteren Demokratie erhalten die Bürger_innen eine strukturierte Mitbestimmung an der Regierungsführung, die dieses Prinzip verkörpert. Dabei werden Vorschläge zur Neukonzeption der Demokratie diskutiert, die an das jahrhundertealte afrikanische Modell direkter Beteiligung, des Dialogs und der Konsensbildung anknüpfen und es neu beleben.

Diese Entwicklungen können eine Erneuerung des öffentlichen Vertrauens und eine Belebung der Demokratie einleiten – partizipativ, würdevoll und in sozial gerechten Werten verwurzelt. Auch für andere Regionen der Welt, etwa in Deutschland, bieten diese Modelle inspirierende Diskussionsgrundlagen und Anknüpfungspunkte, etwa für Konzepte wie Bürgerräte, die Bürger_innen stärker in politische Entscheidungsprozesse einbeziehen.
 

Der Artikel basiert auf dem „Gaborone Democracy Lab“, das von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit Afrobarometer sowie progressiven Politiker_innen, Vertreter_innen von Protestbewegungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften vom 28. bis 29. Oktober 2025 in Botswana organisiert wurde.
 

Gemeinsam mit Afrobarometer versucht der FES Africa Democracy Hub mit dem jährlich stattfindenden „Gaborone Democracy Lab“, Befürworter_innen und Verteidiger_innen der Demokratie aus Afrika sowie ihre Kolleg_innen aus anderen Regionen der Welt mit Politiker_innen zusammenzubringen, um den Dialog und ein gemeinsames Verständnis für die Herausforderungen der Demokratie in Afrika und der Welt zu fördern.


Über die Autor_innen

Galaletsang Dintsi ist Programmmanagerin bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Botswana. Sie konzipiert und führt Programme vorwiegend im Bereich Demokratieförderung durch. Sie hat einen Master-Abschluss in Politik und internationalen Beziehungen (MAPIR) und einen Bachelor-Abschluss in Sozialwissenschaften (Öffentliche Verwaltung und Politikwissenschaft), beide von der Universität Botswana in Gaborone, Botswana.

Ntando Dumani ist Demokratie-Denker, Autor und Praktiker, der sich auf die Förderung demokratischer Handlungsfähigkeit und Erneuerung in Afrika konzentriert. Er vereint auf einzigartige Weise basisdemokratisches Engagement, intellektuelle Tiefe und strategisches Verständnis. Derzeit ist er als Programmmanager bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Simbabwe tätig.


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Jochen.Dahm(at)fes.de

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