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Veranstaltungsrückblick | Organisierte Kriminalität – Gefahr für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft | 25. Juni 2025 | Landesbüro Baden-Württemberg
„Die Welt läuft Gefahr, den Kampf gegen die transnationale organisierte Kriminalität zu verlieren.“ – Mit dieser eindringlichen Warnung des ehemaligen Interpol-Chefs Jürgen Stock leitete Florian Koch in die Veranstaltung ein.
Zu Beginn wurde das Phänomen der Organisierten Kriminalität (OK) grundlegend eingeordnet: Wer sind die Akteure? Was ist OK und wie lässt sie sich erfassen und messen? Deutlich wurde, dass OK in der öffentlichen Wahrnehmung oft kaum eine Rolle spielt. Es gibt keine spektakuläre Einzeltaten oder Opfer, die Aufmerksamkeit erzeugen würden. Gleichzeitig sind die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden immens: Geldwäsche entzieht dem Staat Milliardenbeträge, Korruption und illegitime Einflussnahme untergraben das Vertrauen in rechtsstaatliche Institutionen und langfristig droht so die Aushöhlung der öffentlichen Ordnung.
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde deutlich, dass Deutschland auf vielen Ebenen unzureichend aufgestellt ist, um der wachsenden Bedrohung durch Organisierte Kriminalität wirksam zu begegnen. Zwar gilt Deutschland noch als grundsätzlich resilient gegenüber OK-Strukturen, doch der Handlungsdruck nimmt spürbar zu. Positiv hervorgehoben wurde die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die gezielt gegen OK vorgehen sollen. Allerdings merkte die Runde kritisch an, dass diese noch nicht flächendeckend vorhanden seien und es an einer wirksamen Vernetzung zwischen Strafverfolgungsbehörden und Justiz mangele – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Laut einem Teilnehmer befinde sich Deutschland mittlerweile sogar an einem Kipppunkt. So hätte die Bedrohungslage durch OK ein solches Ausmaß erreicht, dass sie nur durch ein entschlossenes, koordiniertes und nachhaltiges Handeln eingedämmt werden könne.
Weiter wurde betont, dass sich das Ausmaß von OK nur schwer beziffern lasse und in Deutschland bislang nur das sogenannte Hellfeld sichtbar sei – also das, was durch polizeiliche Ermittlungen bekannt wird. Eine systematische Dunkelfeldforschung fehle im Vergleich zu anderen Ländern immer noch. Statt gesicherter Erkenntnisse gibt es in Deutschland vor allem Schätzungen und Annahmen – diese deuten jedoch bereits auf gewaltige Dimensionen hin: etwa in Bezug auf geschätzte Umsätze, sichergestellte Drogen oder kriminelle Vermögenswerte. Auch internationale Vergleiche zeichnen ein beunruhigendes Bild: Laut dem Global Organized Crime Index 2023 zählt Deutschland zu den Ländern mit einer der höchsten Marktgrößen für organisierte Kriminalität in Europa – gleichzeitig weist es eine nur mittelmäßige Widerstandsfähigkeit auf.
Auch die Strafverfolgungsbehörden stehen vor erheblichen strukturellen und personellen Herausforderungen. Ermittlungsverfahren – insbesondere im Bereich der OK – gelten als Luxus, da sie mit erheblichem Zeit- und Personalaufwand verbunden sind. Den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden fehlen aber die entsprechenden Mittel und Fachkräfte. Für die viele dieser komplexen Verfahren sei daher häufig keine Luft, da gleichzeitig eine Vielzahl anderer Verfahren abzuarbeiten sei, so ein Podiumsgast. Dies führt zu einer Überlastung der Ermittlungsstellen und erschwert die Priorisierung anspruchsvoller Ermittlungen. Ein besonders ressourcenintensives Feld ist die Bekämpfung der Geldwäsche. Sie erfordert tiefgreifende Fachkenntnisse und speziell geschultes Personal. Dieses steht vielerorts nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung. Aufgrund des hohen Ermittlungsaufwands und des Mangels an qualifizierten Fachkräften bleiben viele potenzielle Geldwäscheaktivitäten unerkannt oder unzureichend verfolgt. Folglich wurde auf dem Podium gefordert, mehr in Personal und technische Ausstattung zu investieren.
In der Diskussion wurden auch die rechtlichen und strategischen Grundlagen der Bekämpfung der OK kritisch hinterfragt. Ein zentrales Problem: Die gesetzlichen Regelwerke in Deutschland basieren größtenteils immer noch auf der Definition für OK aus den frühen 1990er-Jahren. Trotz tiefgreifender Veränderungen im Erscheinungsbild und in den Arbeitsweisen krimineller Netzwerke wurden die entsprechenden Gesetze nicht ausreichend angepasst. Dabei ist die OK hochgradig anpassungsfähig und agiert heute in transnationalen und digital vernetzten Strukturen. Neue Phänomene wie Cyberkriminalität, KI-gestützter Betrug oder digitale Geldwäsche finden in der aktuellen Gesetzgebung bislang kaum adäquate Berücksichtigung. Damit laufen wir Gefahr, dass Ermittlungen ins Leere greifen, weil rechtliche Werkzeuge fehlen oder nicht mehr zeitgemäß sind. Eine grundlegende rechtliche und konzeptionelle Modernisierung der OK-Bekämpfung, so einer der Teilnehmer, sei daher dringend geboten.
Ein herzlicher Dank gilt unseren Podiumsgästen Daniel Brombacher (Global Initiative Against Transnational Organised Crime), Peter Holzwarth (Oberstaatsanwalt Stuttgart), Prof. Dr. Arndt Sinn (Forscher, Universität Osnabrück) und Sascha Binder (innenpolitischer Sprecher, SPD), die mit ihren Perspektiven aus Praxis, Wissenschaft und Politik zu einer vielschichtigen und lebendigen Diskussion beigetragen haben.
Zum Programm der Veranstaltung
Einsichten des Globalen Index der Organisierten Kriminalität für die deutsche Politik
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