News Klimawandel, Energie und Umwelt | Klimawandel, Energie und Umwelt COP30 aus Gewerkschaftssicht 10.12.2025 Bert De Wel IGB-Klimaexperte Bert De Wel ordnet die COP30 ein: Trotz enttäuschender Ergebnisse eröffnet der Belém-Aktionsmechanismus eine historische Chance, Arbeitnehmer:innen im globalen Klimaschutz sichtbar zu machen und ihre Rechte zu stärken. Bild: Urheber: ITUC Warum der internationale Mechanismus für einen gerechten Übergang wichtig ist Bei aller Wertschätzung für Brasiliens Gastfreundschaft und das Engagement der COP30Präsidentschaft ist das Endergebnis der COP30 enttäuschend. Die Regierungen lieferten keine überzeugende Antwort darauf, wie sich die Defizite bei den Klimaschutzmaßnahmen und der Finanzierung beheben lassen. Die starren Konsensregeln der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und die massive Verschiebung der geopolitischen Machtverhältnisse verhinderten wesentlichen Fortschritt beim Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Auch beim Thema Anpassungsfinanzierung sind die Länder des Globalen Nordens ihren Verpflichtungen gegenüber dem Globalen Süden wieder nicht gerecht geworden. Ein Grund zur Hoffnung ist allerdings der Beschluss, einen Belém-Aktionsmechanismus (BAM) für einen gerechten Übergang zu entwickeln. Ermöglicht wurde dieser Mechanismus dadurch, dass die Gewerkschaftsbewegung – insbesondere bei der PreCOP in Brasilia und mit Unterstützung der CUT auf die brasilianische Präsidentschaft zuging -, und durch die strategische Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen. Auf der Basis dieses Beschlusses können wir darauf hinarbeiten, dass er den Arbeitnehmer:innen konkrete Verbesserungen bringt. Das ist eine gute Nachricht in unserer von Krieg, Autoritarismus, unternehmerische Verantwortungslosigkeit und der Klimakatastrophe geprägten Gegenwart. Die globale Gewerkschaftsbewegung war hoffnungsvoll nach Belém gereist. Vor dem Hintergrund der Kriege, Konflikte und schwersten Menschenrechtsverletzungen, die sich direkt vor unseren Augen abspielen, und angesichts von Autoritarismus, Konzerngier und Klimakatastrophe sah die Arbeiterbewegung die COP30 als seltene Gelegenheit, ein positives Signal auszusenden. Tatsächlich ist es den Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Basisorganisationen bei der COP30 gelungen, sich Gehör zu verschaffen. Der „Gipfel des Volkes“ (People’s Summit) und der „Marsch fürs Klima“ waren kein perfekter, aber ein lautstarker Ruf nach Gerechtigkeit und setzten ein Zeichen der Solidarität. Dass dieser Ruf nach Klimagerechtigkeit und gerechtem Übergang nicht zu einer ambitionierten Einigung führte, ist ein schweres Versäumnis. Zutiefst enttäuschend ist, dass die Arbeitnehmer_innen und ein für sie gerechter Übergang in der Mutirão-Erklärung mit keinem Wort erwähnt werden. Ein großer Gewinn für Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften Zum ersten Mal überhaupt wird innerhalb der UNFCCC ein eigener Ort geschaffen, an dem Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften, feministische Gruppen, Jugendliche und indigene Völker und Gemeinschaften sich für unsere Anliegen und Rechte einsetzen können. Noch vor wenigen Monaten erschien eine solche Forderung als Ding der Unmöglichkeit. Es bestand die konkrete Gefahr, dass der gerechte Übergang in der breiteren politischen Diskussion über sogenannte einseitige Handelsmaßnahmen auf der Strecke bleibt. Diese Gefahr konnte die brasilianische Präsidentschaft dadurch entschärfen, dass für die Zwischenkonferenz in Bonn im Juni 2027 und Juni 2028 Dialogrunden mit der Welthandelsorganisation und anderen Akteuren vereinbart wurden. Die Gewerkschaften fordern seit vielen Jahren einen festen Platz am Verhandlungstisch, denn Schutz und Stärkung der Arbeitnehmerrechte, die Organisation der Arbeitnehmerbeteiligung und echter gesellschaftlicher sozialer Dialog mit dem Ziel menschenwürdiger Arbeit, qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze, Renten, Gesundheit und Sicherheit sowie eines universellen sozialen Sicherungssystems sind wesentliche Voraussetzungen für ein höheres Tempo beim Klimaschutz. Ein gerechter Übergang ist kein Selbstläufer. Durch die Einbindung der Gewerkschaften wird der gesellschaftliche Rückhalt für Klimaschutzmaßnahmen gestärkt. Es stellt politische Entscheidungsträger vor die Aufgabe, einerseits die ambitionierten Maßnahmen umzusetzen, die notwendig sind, und andererseits zuverlässig für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Da es vor allem um die Umsetzung geht, war es so wichtig, dass beschlossen wurde, einen Mechanismus zu entwickeln und nicht einen Aktionsplan oder ein anderes Konstrukt, denn dies hätte lediglich zu weiteren endlosen und unproduktiven Diskussionen im Rahmen der UNFCCC geführt. Was jetzt zählt: Umsetzung, Beteiligung und starke Rechte für Arbeitnehmer:innen Die Regierungen haben beschlossen, dass die Ausarbeitung des BAM bis zur COP31 im nächsten Jahr abgeschlossen sein muss. Die Einführung eines Mechanismus, der zur Umsetzung beitragen soll, wird keine leichte Aufgabe sein. Der Beschluss beinhaltet viele Aspekte und Richtlinien, die in den BAM eingearbeitet werden sollte – die ILO-Leitlinien für einen gerechten Übergang, der Beschleuniger für Arbeitsplätze und Sozialschutz, die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, soziale Absicherung, Kompetenzentwicklung, menschenwürdige Arbeit und hochwertige Arbeitsplätze, informeller Sektor, Pflegewirtschaft, die Rechte indigener Völker, Geschlechtergleichstellung, Zugang zu Energie, Energieumstieg, Technologietransfer und weiteres mehr. Ein schwerer Schlag für die indigenen Völker ist, dass – sehr wahrscheinlich auf Drängen Chinas – der Abbau kritischer Mineralien von der Liste gestrichen wurde. Damit das Versprechen, das der BAM den Arbeitnehmer:innen gibt, eingelöst wird, müssen erstens sie und die Gewerkschaften in den Steuerungsgremien dieses Mechanismus vertreten sein und zweitens sollte die ILO eine zentrale Rolle übernehmen, indem sie die ILO-Leitlinien für einen gerechten Übergang umsetzt und gewährleistet, dass grundlegende Arbeitnehmerrechte gestärkt und geschützt werden. Darüber hinaus sollte der BAM die Regierungen bei der politischen Umsetzung konkret unterstützen – mit Instrumenten wie einem Helpdesk, nationalen Anlaufstellen für einen gerechten Übergang und der Koordinierung vorhandener Strukturen zur Unterstützung von Technologie, Capacity-Building und Finanzierung. Alle an diesem Prozess beteiligten Akteur_innen werden enorme Anstrengungen unternehmen müssen, um sich bis November 2026 auf der COP31 auf all diese Aspekte zu verständigen und sie in die Praxis umzusetzen. Die COP30-Präsidentschaft trug auch maßgeblich dazu bei, eine Einigung über den Aktionsplan zur Geschlechtergleichstellung zu erzielen. Die Verhandlungen in Baku im vergangenen Jahr waren gescheitert. Die äußerst regressive Entwicklung in Geschlechterfragen, die von einigen autokratischen und autoritären Regimen forciert wird, nahm in diesem Jahr noch schlimmere Ausmaße an und ist sehr entmutigend. Trotz dieser Rückschläge gelang es den Regierungen, den Belém-Aktionsplan zur Geschlechtergleichstellung zu verabschieden, der eine lange Liste von Aktivitäten zu folgenden Schwerpunktthemen umfasst: (A) Capacity-Building, Wissensmanagement und Kommunikation, (B) Gender-Balance, Teilhabe und Frauen in Führungspositionen, (C) Kohärenz, (D) Geschlechtergerechte Umsetzung und Mittel zur Durchführung und (E) Monitoring und Berichterstattung. Der gerechte Übergang wird im ersten Absatz erwähnt und in dem Aktionsplan als konkrete Maßnahme behandelt. Der Stillstand zwischen den Förderländern und den Ländern, die den Umstieg wollen, spitzte sich bei der COP30 zu. Selbst die bei der COP28 abgeschlossene „Globale Bestandsaufnahme“ (Global Stocktake, GST) wurde immer wieder in Frage gestellt. Mit Unterstützung von mehr als 80 Bündnispartnern machte Kolumbien bis zum letzten Moment Druck, während Saudi-Arabien mit Rückendeckung seiner Partner keinen Millimeter nachgab. Kolumbien und die Niederlande werden im April gemeinsam eine Konferenz im kolumbianischen Santa Marta organisieren, und der Präsident der COP30 wird eine Roadmap für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ausarbeiten, die allerdings außerhalb des UNFCCC-Prozesses stattfinden wird. Abschließend ist zu erwähnen, dass es beim Thema Anpassung nicht gelang, die seit zwei Jahren laufende Arbeit an den Indikatoren abzuschließen. Das ist enttäuschend. Grund für das Scheitern waren diejenigen Indikatoren auf der Liste, für deren Umsetzung eine Finanzierung gebraucht wird. Länder des Globalen Südens kritisierten die fehlenden finanziellen Mittel. Außerdem erfüllten die Verhandlungsführer die Forderung der am wenigsten entwickelten Länder, die Anpassungsfinanzierung zu „verdreifachen“, verschoben das Ziel jedoch von 2030 auf 2035. Nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen hat die Türkei den Zuschlag für die Ausrichtung der COP31 im Jahr 2026 erhalten. Australien wird die Verhandlungen leiten, und die PreCOP wird im Pazifikraum stattfinden. Es ist besorgniserregend, dass die COP31 in einem Land ausgerichtet wird, das laut aktuellem gewerkschaftlichen Globalen Rechtsindex 2025 zu den zehn Ländern mit den schlechtesten Arbeitsbedingungen zählte_ und in einer Stadt (Antalya), in der mit großer Härte gegen die Opposition vorgegangen wird und der Bürgermeister im Gefängnis sitzt. Über den Autor Bert De Wel versteht sich als ökologischer Ökonom und befasst sich seit über 30 Jahren mit dem Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen und ökologischen Themen. Nach knapp zehn Jahren als Berater für Umwelt- und Energiepolitik bei der belgischen Gewerkschaft ACV-CSC wurde er 2018 klimapolitischer Referent beim Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB). Bert ist Ansprechpartner für Arbeitnehmer_innen und Gewerkschaftsorganisationen bei der UNFCCC und der UNEP/UNEA. Seit 2018 leitet er die Gewerkschaftsdelegation auf den jährlichen Klimakonferenzen (COP). Kontakt Projektverantwortliche Yvonne Blos Verwandte Artikel Bild: Urheber: AP Photo/Eraldo Peres Freitag, 07.11.2025 Klimawandel, Energie und Umwelt Just Transition im Mittelpunkt – Die FES auf der COP30 Warum soziale Gerechtigkeit der Schlüssel zu erfolgreicher Klimapolitik ist. Interview mit Yvonne Blos, Referentin für internationale Klimapolitik bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. 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