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Der Ausbildungsmarkt in Südwestfalen – Herausforderungen und Handlungsansätze

Kommentar von Dr. Anika Jansen, Senior Economist für Fachkräftesicherung Themencluster Berufliche Qualifizierung & Fachkräfte beim IW Köln

Eine junge Elektroingenieurin überprüft das elektrische Steuerungssystem des Schweißroboters und testet dessen Funktionsfähigkeit.
Urheber: picture alliance / Zoonar

Dr. Anika Jansen, Senior Economist für Fachkräftesicherung Themencluster Berufliche Qualifizierung & Fachkräfte beim IW Köln


Die Ausbildung als Schlüssel zur Fachkräftesicherung

Auch in Südwestfalen herrschen Fachkräfteengpässe. Die Region Südwestfalen umfasst die Arbeitsamtsbezirke Meschede-Soest, Siegen und Iserlohn. Dort gab es zuletzt 7.783 offene Stellen, die rein rechnerisch nicht mit passend qualifizierten Arbeitslosen besetzet werden könnten. Das entspricht 40,4 Prozent aller offenen Stellen. Damit sind die Engpässe verhältnismäßig hoch. Im Bundesdurchschnitt betragen sie lediglich 35,6 Prozent. 

Ein Blick auf die Fachkräftelücke nach Niveau zeigt: Am höchsten sind die Engpässe bei den Fachkräften mit abgeschlossener Berufsausbildung, mit einer Fachkräftelücke von 5.628. Bei den Spezialisten, d.h. denjenigen mit Meister oder Fortbildungsabschluss oder Bachelorabschluss betragen diese 1.287 und bei den Expert:innen, d.h. Akademikerinnen mit Master oder Diplomabschluss liegt die Fachkräftelücke bei 868 (eigene Berechnungen auf Basis der IW-Fachkräftedatenbank). Auch unter den Top-10 Engpassberufen sind neun Berufe auf Fachkraftniveau, also Berufe, für die normalerweise eine Ausbildung benötigt wird. Damit zeigt sich ganz klar: Ein zentraler Schlüssel zur Fachkräftesicherung ist die Berufsausbildung. Um die Engpässe auf dem Arbeitsmarkt zu verringern, sollten mehr Menschen eine Berufsausbildung absolvieren.

Herausforderungen auf dem Ausbildungsmarkt in Südwestfalen

Doch auch auf dem Ausbildungsmarkt zeigen sich in Südwestfalen Herausforderungen. So ist die Zahl der bei den Arbeitsagenturen gemeldeten unbesetzten Ausbildungsstellen hier in den letzten Jahren stetig gestiegen. Zuletzt lag sie auf einem Rekordhoch von 1.127. Gleichzeitig sank die Zahl der unversorgten Bewerber:innen auf 951. Das heißt, selbst wenn alle unversorgten Bewerber:innen vermittelt würden, gäbe es immer noch unbesetzte Stellen. Vor allem im Verkauf, in der Lagerwirtschaft und in der Fleischverarbeitung ist die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen hoch. Das heißt zum einen: Das Matching der vorhandenen Bewerber:innen zu den Ausbildungsstellen funktioniert nicht einwandfrei. Das kann verschiedene Gründe haben. Berufsfachliche Passungsprobleme bestehen, wenn Jugendliche andere Berufe suchen, als die Unternehmen zur Ausbildung anbieten. Aber auch regionale Passungsprobleme sind denkbar, wenn die Ausbildungsplätze zu weit vom Wohnort entfernt sind. Es ist auch möglich, dass die Jugendliche in Hinblick auf Schulnoten und – Abschluss nicht den Erwartungen der Betriebe entsprechen. Zum anderen zeigt sich aber auch: Selbst wenn das Matching funktionieren würde, reicht die Zahl an Bewerber:innen rein quantitativ nicht aus. Im Folgenden werden ausgewählte Ansätze dargestellt, um den Herausforderungen am Ausbildungsmarkt zu begegnen.  

Handlungsfelder und Lösungsansätze für Unternehmen und Politik


Über die Vorteile der Ausbildung informieren

Zunächst ist es wichtig, dass die Ausbildung unter den Jugendlichen noch stärker als attraktive Option mit Zukunftsperspektiven wahrgenommen wird. In der Kommunikation ist auch das Umfeld, das maßgeblich Ausbildungsentscheidung mit beeinflusst, wie Eltern und Lehrkräfte, eine wichtige Zielgruppe. Die positiven Aspekte in Hinblick auf Beschäftigungssicherheit und -perspektiven sollten klar nach außen kommuniziert werden. Auch im Hinblick auf Kompetenzentwicklung und Selbstwirksamkeit hat die duale Ausbildung große Stärken. Dafür können Wirtschaft und die Politik auch gemeinsam aktiv werden. So werden beispielsweise von der Allianz für Aus- und Weiterbildung verschiedene Initiativen angestoßen, um die duale Ausbildung zu stärken. Aber auch auf Ebene der Unternehmen gibt es viele Handlungsoptionen, allen voran ein zielgruppengerechtes Ausbildungsmarketing. Unterstützung zum Thema, wie Betriebe am besten Auszubildende finden gibt es zum Beispiel beim KOFA.

Berufsorientierung verbessern 

Schulen können und sollten im Rahmen einer guten und frühen Berufsorientierung in allen Schulformen einen Beitrag zur Berufsorientierung leisten. Denn Jugendliche benötigen bei der Vielzahl von Angeboten Unterstützung bei der beruflichen Orientierung. Dabei ist es besonders empfehlenswert, wenn Unternehmen mit Schulen systematisch kooperieren. Denkbar sind Praktikumsangebote, Betriebsbesichtigungen, Bewerbertrainings, Unterstützung bei Projektwochen, Teilnahme an Elternabenden oder Patenschaften für Schülerfirmen. Insbesondere Formate, bei denen Jugendliche und Unternehmen in direkten Kontakt kommen, wie Praktika, sind besonders erfolgsversprechend. 

Mobilitätsbarrieren überwinden

Eine weitere Herausforderung, insbesondere im ländlichen Raum, sind die teilweise weiten Wege zu den Betrieben und zu den Berufsschulen. Insbesondere bei kleinen Berufen müssen Berufsschulklassen zusammengelegt werden, was die Wege wiederum verlängert. Verschiedene Lösungsansätze sind möglich, um Jugendliche und Betriebe zusammenzubringen. Zum einen kann die Mobilität von jungen Menschen gefördert werden durch Azubitickets, Mitarbeitershuttle Leasingangebote, zum Beispiel von E-bikes, oder Förderung des Führerscheinerwerbs. Auch Azubi Wohnen kann ein Schlüssel sein, ländliche Räume für Auszubildende attraktiver zu machen, beispielsweise durch Kooperationen mit Jugendwohnheimen. Darüber konkurriert die Region mit den Städten in der Umgebung. Ein gezieltes Regionalmarketing bietet hier Potenziale. Betriebe könnten verstärkt auf Kooperationen mit regionalen Partnern, wie Kommunen und Wirtschaftsförderungen setzen, um Synergien zu schaffen.

Weitere Zielgruppen ansprechen

Da sich zeigt, dass es auf dem Ausbildungsmarkt nicht nur ein Passungsproblem zeigt, sondern teilweise auch zahlenmäßig nicht genügend Jugendliche zur Verfügung stehen, ist es empfehlenswert auch weitere Zielgruppen aktiv anzusprechen. Zum einen können gezielt Auszubildende aus dem Ausland in den Blick genommen werden. Zum anderen können auch Quereinsteigende aus anderen Berufszweigen oder bereits erwachsene Un- und Angelernte für eine Ausbildung gewonnen werden. Auch Studienabbrecher gezielt zu rekrutieren und für eine Ausbildung zu ermutigen kann Sinn machen. Dabei sollten überlegt werden, wie eine Ausbildung für die Zielgruppe attraktiv wird. Zum Beispiel kann für Eltern mit kleinen Kindern eine Ausbildung in Teilzeit Sinn machen.

Unterstützungsangebote nutzen

Unterstützungsmaßnahmen gibt es zwar schon viele, diese sind aber teilweise noch unbekannt bei Unternehmen. Es muss daran gearbeitet werden, dass mehr Unternehmen die Programme kennen und nutzen. Dazu zählen zum Beispiel die Einstiegsqualifizierung oder die assistierte Ausbildung. Solche Unterstützung kann insbesondere für leistungsschwache Auszubildende einen wertvollen Beitrag leisten, um die Ausbildung zu schaffen. Zusätzlich können Begleitstrukturen wie z.B. die passgenaue Besetzung stärker genutzt werden. Auch das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (www.kofa.de) unterstützt Unternehmen, die ausbilden wollen, mit wertvollen, praxisnahen Handlungsempfehlungen. 

Was können Arbeitgeber tun? Ganz einfach: Tue Gutes – und rede darüber!

Südwestfalen verfügt über ein sehr gutes Beispiel innovativer und sichtbarer Vereinbarkeitsarbeit: Die Zertifizierung „Familienfreundliches Unternehmen im Hochsauerlandkreis“ und das zugehörige Netzwerk „FFU im HSK“ – mit über 100 regionalen Arbeitgebern – zeigen, wie Unternehmen eine familienbewusste Betriebskultur strategisch verankern und vorhandene Potenziale heben können.

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