Zurück in die Zukunft: Better together?

Vor 40 Jahren stimmten die Wähler_innen in Großbritannien schon einmal über ihren Verbleib in Europa ab. Damals votierte eine überwältigende Mehrheit für „Ja“. Im kommenden Jahr könnte die Entscheidung darüber anders ausfallen. Das wäre ein Verlust – für Großbritannien und die EU.

Bild: Bild: London, Mind the Gap von Alexander Harbich lizensiert unter CC BY-NC-ND 2.0

Die Studie „Brexit – Was für die EU und Großbritannien auf dem Spiel steht“ der Friedrich-Ebert-Stiftung finden Sie hier.

Ansprechpartner: Alexander Schellinger 030-26935-7713.

Die Frage war einfach: "Glauben Sie, dass das Vereinigte Königreich im Gemeinsamen Markt bleiben sollte?“. Die Antwort deutlich: 67% aller Briten stimmten am 5. Juni 1975 für einen Verbleib in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Es war das höchste Ergebnis, das je bei einem britischen Wahlvorgang, auch bei Unterhauswahlen, für eine Seite oder eine Partei erzielt wurde.

Heute, 40 Jahre später, ist Europa ein anderes: Wir leben in einem vertieften, enger zusammengerückten Staatenbund. Zu eng, wie viele Briten finden: Aktuellen Umfragen zur Folge liefern sich Befürworter und Gegner des Brexit ein Kopf an Kopf rennen.

David Cameron unter Druck

Britanniens Premier David Cameron steht innenpolitisch unter Druck, mit der EU über Ausnahmeregelungen für die Mitgliedschaft seines Landes im Staatenbund zu verhandeln. Vermutlich schon im kommenden Jahr sollen die Briten in einem Referendum über ihren Verbleib in der EU abstimmen. Ohne essentielle Eingeständnisse für Großbritannien auf europäischer Ebene dürfte die Abstimmung kaum zu gewinnen sein.

Es geht um viel: „Im Falle eines »Nein« haben beide Seiten viel zu verlieren, das Vereinigte Königreich und die EU“, stellt die jüngst erschienene Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung „Brexit – Was für die EU und Großbritannien auf dem Spiel steht“ fest. Darin analysieren Roger Liddle und Florian Ranft die politische Situation in Großbritannien hinsichtlich des Referendums.

David Cameron, so die Autoren Liddle und Ranft, sei vor allem innenpolitisch getrieben. Sowohl durch Mitglieder seiner Conservative Party  als auch durch die Stimmungslage im Land steht der Premier unter Druck: Die EU-Wahl im Mai 2014 gewann die populistische UK Independence Party (UKIP) als stärkste Partei.

Worum es in den Verhandlungen geht

Wie die Abstimmung ausfallen wird, hängt maßgeblich davon ab, welche Eingeständnisse die britische Regierung heraushandeln kann. Vier Felder stehen dabei auf der Agenda:

  1. Eine Ausnahmeregelung für Großbritannien hinsichtlich des Grundsatzes einer »immer enger werdenden Union«
  2. Garantien gegen »unfaire« Diskriminierung durch die stärker integrierte Eurostaatengruppe
  3. Eine größere Rolle für nationale Parlamente im Gesetzgebungsprozess der EU
  4. Beschränkungen von Sozialleistungen für EU-Migranten.

Alle vier Bereiche gelten als juristisch hochsensibel, weil sie teilweise gegen bestehende Verträge verstoßen könnten und damit rechtlich schwer umzusetzen wären. Letztlich, so die Autoren der Analyse, könnten Großbritannien und die EU ein Paket mit drei Punkten verhandeln - eine Mischung aus realen Eingeständnissen und symbolischen Entscheidungen: Erstens ein Paket, das rechtlich bindende Ausnahmeregelungen und Garantien speziell für Großbritannien enthält. Zweitens eine Erklärung mit (allerdings geringerer) rechtlicher Wirkung zur Richtung für zukünftige Vertragsänderungen. Drittens eine Art „White Paper“, dessen Inhalte sehr detailliert sein könnten und auch einen Entwurf für die Novellierung der EU-Gesetzgebung enthalten könnte.

Better Together

Die Europäische Union steht vor gewaltigen Aufgaben: Die Währungs- und Schuldenkrise ist nach wie vor aktuell, die Flüchtlingskrise ungelöst, die inner- wie außereuropäische Antwort auf die Herausforderung durch Terror und Gewalt unklar. Die britische Frage wirkt angesichts dieser Herausforderungen „als unliebsame Störung“, wie Liddle und Ranft schreiben: „Ein Brexit hätte womöglich Sogwirkung auf die Politik anderer Länder und stellt die Nachhaltigkeit der europäischen Integration in Frage.“ Dabei profitieren sowohl die EU als auch Großbritannien voneinander - wirtschaftlich wie kulturell. Deshalb sei es, so die Autoren, auch besonders wichtig, nicht allein die unbestreitbaren wirtschaftlichen Vorteile der Gemeinschaft hervorzuheben:

„Eine halbherzige Kampagne, die sich auf die wirtschaftlichen Handelsvorteile durch den EU-Binnenmarkt konzentriert, wird nicht ausreichen, um die britische Euroskepsis zu überwinden“, schreiben die beiden Autoren. Es geht letztlich um die großen politischen Herausforderungen wie Klimaveränderung, Energie, Migration, Krankheiten oder Terrorismus - und die sind gemeinsam besser zu lösen. Oder wie es im schottischen Wahlkampf um die Unabhängigkeit von deren Gegnern formuliert wurde: Better together.

Die vollständige Studie von Roger Liddle und Florian Ranft finden Sie hier.

Den IPG-Artikel von Florian Ranft zum selben Thema finden Sie hier.


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