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In vielen europäischen Ländern klafft eine Lücke zwischen Volkswillen und politischer Vertretung. FES-Analysen zeigen: Alter, Bildung, Geschlecht und soziale Lage prägen Teilhabe – Reformen sind nötig für mehr demokratische Gerechtigkeit.
Wahlen und Parlamente sind das Herzstück jeder Demokratie. Sie ermöglichen es den Bürger:innen, die politische Richtung und zentrale Entscheidungen mitzubestimmen. Doch nicht alle gesellschaftlichen Gruppen nutzen ihr Wahlrecht in gleichem Maße, und auch in den Parlamenten sind die sozialen Schichten nicht gleichberechtigt vertreten. Das FES-Regionalbüro Wien – Demokratie der Zukunft erarbeitet zu diesem Thema grundlegende Vergleichsanalysen sowie vertiefende Länderberichte.
Dabei werden die Bevölkerungsgruppen nach Alter, Geschlecht, sozialer Schicht und Bildungsniveau differenziert, um zu ermitteln, welche Menschen sich von der demokratischen Teilhabe am ehesten abwenden. Zugleich wird untersucht, wie die Zusammensetzung der Parlamente im Hinblick auf diese Merkmale aussieht, sodass sichtbar wird, welche gesellschaftlichen Gruppen selbst in den gesetzgebenden Organen vertreten sind. Die Analysen verwenden den Begriff „ideal“ als Referenzwert: Er bezeichnet die Zahl an Abgeordneten, die eine bestimmte Alters-, Geschlechts- oder soziale Gruppe haben sollte, wenn die Repräsentation exakt proportional zur Bevölkerung wäre.
In Kroatien zeigt die Analyse, dass das Parlament die soziale Vielfalt des Landes nur unzureichend abbildet. Der typische Abgeordnete ist ein 52-jähriger Mann mit Masterabschluss aus der oberen Dienstleistungsklasse, häufig ehemaliger Bürgermeister oder stellvertretender Bürgermeister. Junge Menschen sind kaum vertreten: Nur ein einziger Abgeordneter ist unter 30 Jahre alt, während die Altersgruppe 45–59 mit 82 Abgeordneten stark überrepräsentiert ist (ideal wären 47) und die Gruppe 60+ mit 28 Sitzen leicht unterrepräsentiert ist (ideal 34).
Frauen stellen lediglich 48 der 150 Abgeordneten, was eine deutliche Paritätslücke offenbart. Die meisten Frauen sitzen in der Mitte-links-Fraktion (19), gefolgt von Mitte-rechts (13), Grünen/Linken (8), Liberalen (4) und rechtsradikalen Parteien (4).
Die soziale Herkunftsstrukturist stark elitär: 115 Abgeordnete stammen aus der oberen Dienstleistungsklasse, 18 aus der unteren Dienstleistungsklasse, 6 sind Kleinunternehmer:innen und nur 8 gehören der Arbeiter:innenklasse an. In Bezug auf Bildung ist das Parlament hochgradig privilegiert: 65 % haben einen Masterabschluss, 15 % einen Doktortitel, nur 11 % verfügen über eine Sekundarschulausbildung als höchsten Abschluss.
Weniger als jede zweite wahlberechtigte Person in Kroatien nimmt an den nationalen Wahlen teil – innerhalb Europas sind es nur in Bulgarien, Rumänien und Albanien noch weniger. Diese anhaltende Wahlabstinenz schwächt die demokratische Resilienz Kroatiens, da sich immer mehr Bürger:innen von politischen Prozessen entfremden. Im Einklang mit
den allgemeinen europäischen Trends neigen in Kroatien junge Menschen, Geringgebildete und Angehörige der Arbeiter:innenklasse dazu, nicht zu wählen. Die Nichtwähler:innen in Kroatien zeigen ein geringes politisches Interesse, sind aber – im Gegensatz zu anderen Ländern – nicht überproportional unzufrieden mit der Demokratie.
In Serbien zeigt sich ein komplexes Bild: Die Parlamentszusammensetzung ist stark verzerrt. Männer, Hochgebildete und Personen mittleren Alters aus den urbanen Zentren Belgrad und Novi Sad sowie Angehörige der oberen Dienstleistungsklasse dominieren. Frauen machen 38 % der Abgeordneten aus, jüngere (unter 30) und ältere Altersgruppen (über 60) sind deutlich unterrepräsentiert, während die Gruppe der 45–59-Jährigen dominiert.
91 % der Abgeordneten haben einen Hochschulabschluss, obwohl nur 16 % der Bevölkerung ein Studium abgeschlossen haben. Ländliche Regionen sind stark unterrepräsentiert, und Arbeiter:innen sowie unqualifizierte Beschäftigte sind nahezu vollständig abwesend.
Die Wahlbeteiligung in Serbien liegt näher am europäischen Durchschnitt, als häufig angenommen, und beträgt etwa 75 % der tatsächlich anwesenden Wahlberechtigten. Offizielle Statistiken unterschätzen die tatsächliche Teilnahme teilweise aufgrund von Verwaltungsproblemen oder Migration. Dennoch bestehen deutliche soziale Ungleichheiten: Ältere, höher gebildete, wirtschaftlich besser gestellte und politisch engagierte Menschen nehmen häufiger teil, während junge Menschen, Geringgebildete und marginalisierte Gruppen deutlich seltener wählen.
Die Analyse zeigt, dass niedrige Wahlbeteiligung und ungleiche Repräsentation eng miteinander verbunden sind: Gruppen, die ohnehin im Parlament unterrepräsentiert sind, beteiligen sich auch weniger an Wahlen. Maßnahmen wie die Überarbeitung des Wähler:innenregisters, Diskussionen über Diaspora-Wahlrechte und gezielte Mobilisierung junger und marginalisierter Wähler:innen durch Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen könnten diese Lücke verringern.
In der Tschechischen Republik zeigt sich ebenfalls eine ungleiche Beteiligung am demokratischen Prozess. Besonders junge Menschen, Personen mit niedrigem Bildungsniveau, Arbeitslose sowie sozial oder wirtschaftlich benachteiligte Bürger:innen nehmen seltener an Wahlen teil. Bildung erweist sich dabei als entscheidender Faktor: Hochschulabsolvent:innen wählen deutlich häufiger als Menschen mit lediglich Grundschulabschluss. In einigen strukturell benachteiligten Regionen brechen bis zu ein Sechstel der Schüler:innen die Schule vorzeitig ab, und nur 16 % der Bevölkerung verfügen über einen Hochschulabschluss.
Junge Menschen fehlen oft nicht nur aufgrund ihres Alters, sondern auch, weil politische Bildung und politische Diskussionen im familiären Umfeld häufig fehlen. Gewerkschaften spielen eine wichtige Rolle: Eine Mitgliedschaft erhöht die Wahrscheinlichkeit der Wahlteilnahme, da sie politische Teilhabe und das Gefühl politischer Wirksamkeit stärkt. Dennoch nimmt die Zahl der Mitglieder kontinuierlich ab, und Gewerkschaften sind historisch belastet durch ihre Verbindung zur Zeit vor 1989.
Die Länderberichte aus Kroatien, Serbien und Tschechien zeigen ein klares Muster: Junge Menschen, Frauen, sozial benachteiligte und bildungsferne Gruppen sind sowohl bei Wahlen als auch in Parlamenten häufig unterrepräsentiert, während hochgebildete, männliche, städtische Mittelalte aus der oberen Dienstleistungsklasse dominieren. Dieses Ungleichgewicht gefährdet die demokratische Repräsentation und Legitimität und macht deutlich, dass systemische Reformen notwendig sind.
Um die Ungleichheiten in demokratischer Partizipation und parlamentarischer Repräsentation zu verringern, empfehlen die Autor:innen:
Nur wenn alle gesellschaftlichen Gruppen aktiv in politische Prozesse eingebunden werden, können Demokratien ihre Legitimität bewahren und sicherstellen, dass die Stimmen aller Bürger:innen gehört werden.
Hier geht’s zu den Länderberichten: FES Democracy of the Future's Work on Inequality and Democracy
Hier gehts zu Medienberichten aus Kroatien: Unequal Democracy Croatia
Eine Politik für Europa muss in erster Linie von den Bürger_innen Europas getragen werden. Wir wollen daher wissen, welche Erwartungen die Menschen an die EU haben. Momentan ist eine kritische Einstellung weit verbreitet. Wie muss sich die EU verändern, damit das Vertrauen in sie wieder wächst? Wie kann die EU fairer, demokratischer und inklusiver gestaltet werden? Vor allem im Rahmen der politischen Bildung wollen wir einen Beitrag leisten, um ein Europa des Zusammenhalts zu befördern.
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