EU-Bankenrettung ja, EU-Arbeitslosenhilfe nein?

Die EU soll sozialer, der Euroraum gleichzeitig stabiler werden. Was kann eine europäische Arbeitslosenversicherung dazu beitragen?

Bild: A von Daniel Bagel lizenziert unter CC BY-NC 2.0

Für Ökonomen sieht eine  optimale Währungsunion so aus: Die Konjunkturverläufe und Wirtschaftsmodelle der Mitgliedstaaten sind sich so ähnlich, dass es nicht zu asymmetrischen Schocks kommt – zu Wirtschaftskrisen, die manche Mitgliedstaaten voll und andere kaum treffen. Ist das nicht der Fall, sollten zumindest die Arbeits- und Gütermärkte der Mitgliedstaaten flexibel genug sein, um mit Arbeitsmigration, Lohn- und Preisanpassungen auf Krisen reagieren zu können. Wenn auch das nicht voll funktioniert, braucht es ein starkes gemeinsames Budget, aus dem die Haushaltsbelastungen der Mitgliedstaaten im Krisenfall abgesichert werden können, die sich etwa aus geringeren Steuereinnahmen und höheren Sozialausgaben ergeben. An der Arbeitskräftemobilität in Europa hakt es noch, deshalb wird intensiv über eine stärkere europäische Haushaltspolitik diskutiert.

Krisenpolitik – Geldpolitik = Fiskalpolitik

Da die Euro-Staaten mit der Geldpolitik ein wichtiges Instrument der Krisenbekämpfung an die Europäische Zentralbank abgegeben haben, ist ihre Krisenpolitik auf fiskalpolitische Maßnahmen angewiesen. Die Eurokrise hat gezeigt, dass das ihre Haushalte leicht überfordert. Hier kommt eine europäische Arbeitslosenversicherung als gemeinsames fiskalpolitisches Instrument ins Spiel: Die Beschäftigten würden ihre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung teils in das nationale, teils in das europäische Versicherungssystem einzahlen. Die nationalen Arrangements blieben also bestehen, das europäische System würde nur zeitlich befristet in Krisenfällen einspringen, die bestimmte Kriterien erfüllen müssten. Dafür müsste strukturelle Arbeitslosigkeit, die weiterhin nationalen politischen Lösungen überlassen bliebe, unterschieden werden von konjunkturellen Einbrüchen auf dem Arbeitsmarkt, bei denen Europa helfen würde.

So würde ein permanentes Transfersystem verhindert, gegen das es vielerorts in Europa Widerstand gibt. Aus „boomenden“ Mitgliedstaaten würde durch die Beiträge Kaufkraft abfließen, was dort wirtschaftlicher Überhitzung entgegenwirken kann. Die Haushalte kriselnder Staaten würden dagegen entlastet und bekämen mehr Spielraum für antizyklische Fiskalpolitik, während die Arbeitslosenunterstützung als automatischer Stabilisator erhalten bliebe, um den Konsum zu stützen. Dabei handelt es sich zwar in erster Linie um ein wirtschaftspolitisches Instrument, als Nebeneffekt könnte die EU dadurch aber auch ein sozialeres Gesicht bekommen. Allerdings besteht die Gefahr, dass ein europäisches Versicherungssystem falsche Anreize für die nationalen Systeme schafft – etwa, dass nationale Leistungen gekürzt werden oder die Mitgliedstaaten sich weniger um die Effizienz ihrer Arbeitsmärkte kümmern. Die Details verschiedener Modelle einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung sind kompliziert und umstritten. Eine Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 13. Oktober 2017 in Stuttgart versammelte verschiedene Positionen.

Der nächste Schritt?

Angesichts der erreichten wirtschaftlichen Integration wertet René Repasi vom European Research Centre for Economic and Financial Governance eine europäische Arbeitslosenversicherung als notwendigen nächsten Schritt. Dabei solle die nationale Arbeitslosenhilfe weiterhin vorrangig gelten, falls sie die besseren Leistungen biete. Nicola Behrend, Richterin am Bundessozialgericht, sieht einen Vorteil eines europäischen Versicherungssystems darin, die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU sozial abzufedern. Arbeitsmigration zwischen EU-Staaten werfe bei Sozialleistungen immer noch viele Fragen auf. Thomas Fischer vom Deutschen Gewerkschaftsbund kritisierte, dass strukturelle und konjunkturelle Arbeitslosigkeit in der Praxis nicht auseinanderzuhalten seien. Insgesamt herrschte in der Runde weniger Skepsis gegenüber der Idee und Ausgestaltung einer europäischen Arbeitslosenversicherung als vielmehr gegenüber der EU-Kommission, sie gut zu verwalten. Hier wird eine problematische Doppelrolle zwischen arbeitsmarktpolitischer Akteurin und Durchsetzerin der Sparpolitik befürchtet.

Ansprechpartnerin in der Stiftung:

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