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Kampf um Gleichberechtigung auch im Arbeitersport

Katarina Schubert

Vor 100 Jahren fand in Frankfurt am Main zum ersten Mal eine internationale Arbeiterolympiade statt. Wir nehmen das zum Anlass, über Frauen in der Arbeitersportbewegung zu berichten.

Das Jahr 1925 war politisch und kulturell ein geschichtsträchtiges Jahr: Nach dem Tod von Friedrich Ebert durchzog die Weimarer Republik ein konservativer Wandel, die Wirtschaft erholte sich nach der Weltwirtschaftskrise, die „Goldenen Zwanziger“ waren auf ihrem Höhepunkt. Und auch der Sport feierte eine Premiere.

Denn zum ersten Mal fand eine internationale Arbeiterolympiade statt. Zunächst im Winter im heute polnischen Szklarska Poręba, bevor dann im Juli 1925 mehr als 3.000 Sportler*innen aus elf Ländern zur ersten Sommer-Olympiade in Frankfurt am Main zusammenkamen. In den Jahren darauf sollten noch Spiele in Österreich (1931) sowie in den Niederlanden und Tschechien (1937) ausgetragen werden. Der Zweite Weltkrieg sorgte dann für ein jähes Ende - nicht nur der Arbeiterolympiade, sondern auch der Aktivitäten der Arbeitersportbewegung insgesamt.

Sport als Ausgleich zur Arbeit

Diese gründete sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die industrielle Revolution die Arbeitswelt auf den Kopf stellte. Die Einführung von technischen Neuerungen wie die Dampfmaschine oder das Fließband ließ die Zahl der Arbeiter*innen ansteigen, die nun neben dem strapaziösen Arbeitsalltag einen Ausgleich brauchten. Diesen fanden sie im Sport.

Das Problem war nur, dass eine Mitgliedschaft in der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, dem Vorgänger der heutigen SPD, einen Ausschluss aus den bürgerlichen Turnvereinen zur Folge haben konnte. Und die Arbeitersportvereine, die sich im Zuge dessen gründeten, wurden aufgrund des Sozialistengesetzes von 1878 verboten. Erst nach der Abschaffung des Gesetzes organisierten sich die Arbeiter*innen ab 1893 im Deutschen Arbeiter-Turnerbund beziehungsweise dem späteren Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB), der auf seinem Höhepunkt rund 1,2 Millionen Mitglieder hatte.

Frauen am Herd, Männer verdienen Geld

Im Vordergrund der proletarischen Bewegung stand der Solidaritätsgedanke des Sports sowie die körperliche Fitness der Arbeiter*innen. Wettkämpfe und das Streben nach Leistung wurden dagegen zunächst abgelehnt. Das galt auch für die Frauen in der Arbeitersportbewegung. Denn die gab es durchaus, auch wenn sie in deutlicher Unterzahl waren und die Männer das Geschehen im Sport selbst, aber auch auf Führungsebene dominierten.

Das lag an der Stellung der Frauen in der Gesellschaft zu jener Zeit. Bis zum Ersten Weltkrieg waren diese sowohl politisch als auch rechtlich stark benachteiligt. Die typische Arbeitsteilung in einer bürgerlichen Familie bestand darin, dass die Frau sich um den Haushalt kümmerte und der Mann das Geld verdiente. Anders in Arbeiterfamilien. Dort ließ sich diese Aufgabenteilung häufig nicht umsetzen, da der Lohn des Mannes oftmals nicht für das Überleben ausreichte, so dass auch die Frau einer Arbeit nachgehen musste.

Anmut und Gesundheit anstatt Höchstleistung

Doch während sich die Männer in ihrer Freizeit auf den Sport konzentrieren konnten, war das für die Frauen umso schwieriger. Denn neben ihrer Arbeit hatten sie sich noch um Haushalt und Kinder zu kümmern. Diese Doppelbelastung blieb nach der Einführung des Wahlrechts 1918 bestehen, auch wenn Frauen nun zumindest politisch gleichberechtigt waren und in den kommenden Jahren bessere Bildungs- sowie Berufsmöglichkeiten für sich beanspruchen konnten. Diskriminierung erfuhren sie aber weiterhin. So auch im Sport. Denn nicht jede Sportart ziemte sich für das weibliche Geschlecht.

Anmut und Gesundheit, keine körperlichen Höchstleistungen, standen bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhundert für die Frauen im Vordergrund, weshalb eigentlich nur das Turnen als Sportart in Frage kam. Doch nicht alle ließen sich von diesen gesellschaftlichen Einschränkungen abhalten. Angespornt durch die Frauenrechtsbewegung spielten nach der Jahrhundertwende und spätestens nach dem Ersten Weltkrieg immer mehr Frauen Fußball, fuhren Rad oder gingen zum Rudern. Das spiegelte sich auch im Sportangebot des ATSB wider. Während nämlich in bürgerlichen Sportvereinen Anfang der 1920er Jahre immer noch hauptsächlich das Turnen auf dem Programm stand, konnten sich die Arbeiterinnen im Handball, Tennis, Trommelball oder Schwimmen ausprobieren.

Trotzdem gab es heiße Diskussionen darüber, ob man Mädchen und Frauen körperliche Höchstleistungen, zum Beispiel bei Wettkämpfen, zumuten könne, denn auch noch zu dieser Zeit waren medizinische, moralische sowie psychologische und ästhetische Vorurteile gegenüber Frauen weit verbreitet. Das galt ebenfalls für die Arbeitersportbewegung. So sollten sie dank körperlicher Bewegung fit für den Klassenkampf werden, gleichzeitig aber mit dem Ziel gesunden Nachwuchses Sport treiben.

Frauen durch Quotenregelung fördern

Auf Funktionärsebene hatten Frauen ebenso einen schweren Stand. Zwar bekannte sich der ATB beziehungsweise ATSB schon früh zur politischen und rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, in der Realität sah das aber anders aus. Nur wenige Frauen engagierten sich abseits des Sports im ATSB. Während ihnen von männlicher Seite Unlust und Unfähigkeit vorgeworfen wurde, gaben die Frauen Vorurteile ihnen gegenüber sowie den Unwillen der Männer, ihre Macht abzugeben, als Gründe an.

Um Frauen in die Führungsebene zu bringen, führte der ATSB ab 1911 sodann eine Quotenregelung ein, die vorsah, dass jeder Kreis eine bestimmte Anzahl von Frauen zum Bundestag schicken musste. In jenem Jahr waren es vier Turnerinnen, die dorthin reisten, 1921 erhöhte sich die Zahl auf zwölf. Nur drei Jahre später wurde erstmals eine Frau als unbesoldetes Mitglied in den Vorstand des ATSB gewählt, ab 1926 musste die Quote von zwei Frauen erfüllt werden und 1930 wurde schließlich ein Bundesfrauenausschuss eingerichtet. Dessen Mitglieder mussten zudem in den wichtigsten Gremien des ATSB vertreten sein.

Trotzdem wuchs die Zahl der weiblichen Mitglieder nur langsam an. Ende der 1920er Jahre nahmen rund 94.000 Frauen am Arbeitersport teil. Was auffiel: Nach der Hochzeit schieden viele von ihnen aus. Die Lebensrealität – Arbeit, Haushalt sowie Kinderbetreuung und teils ein eigenes konservatives Frauenideal - ließ es häufig nicht mehr zu, den eigenen Bedürfnissen nach Zerstreuung durch Sport oder gesellschaftlichen Treffen nachzukommen.

Fortschrittlicher als die Olympischen Spiele

Darüber, ob die Sportlerinnen, die an der ersten internationalen Sommer-Arbeiterolympiade 1925 in Frankfurt am Main teilnahmen, verheiratet waren, ist nichts bekannt. Fest steht aber, dass sie sehr erfolgreich waren und Goldmedaillen im Schwimmen, Turnen und in der Leichtathletik abräumten. Besonders letzteres ist erwähnenswert, denn bei Olympischen Spielen durften Frauen erst drei Jahre später in der Leichtathletik starten. Zu männlich sei der Sport, so die Funktionäre des Internationalen Olympischen Komitees. Das störte die deutschen Sprinterinnen jedoch nicht. Wenngleich nie offiziell anerkannt, brachen sie in Frankfurt den Weltrekord über 4x100 Meter.

Katarina Schubert

Weiterführende Literatur:

Block, Sigrid; Frauen und Mädchen in der Arbeitersportbewegung (1987).

Pfister, Gertrud; „Die Frauen im Arbeiter-Turn- und Sportbund“ in: Arbeitersport in Deutschland 1893-1933. Dokumentation und Analysen (Hrsg.): Diethelm Blecking; S. 35-42 (1983).

In unserer Bibliothek befindet sich umfangreiche Literatur zu den Arbeiterolympiaden. Die entsprechenden Titel sind in unserem Katalog nachgewiesen und teils in Volltext online abrufbar. Sie können hier recherchiert werden.

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