Politik für Europa Brussels Democracy Dialogue 2025 09.12.2025 Bürger:innen spielen eine essenzielle Rolle bei der Verteidigung der Demokratie. Welchen Beitrag können Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Gewerkschaften zur Mobilisierung leisten? Bild: Urheber: Bernal Revert Demokrat:innen müssen... In den letzten Jahren haben illiberale, rechtspopulistische Parteien und Kandidat:innen, die demokratische Normen und Prinzipien infrage stellen, zahlreiche Wahlerfolge erzielt – darunter Donald Trump, Herbert Kickl mit der österreichischen FPÖ, Marine Le Pen und der RN in Frankreich oder der von der polnischen PiS unterstützte Präsidentschaftskandidat Karol Nawrocki. Diese Erfolge kommen oft vermeintlich überraschend, da demokratische Akteur:innen noch immer bemüht sind, die Ursachen dieser Entwicklungen klar zu benennen. Um die aktuellen Herausforderungen für liberale und soziale Demokratien besser zu verstehen, braucht es daher neue Perspektiven und Erklärungsansätze. Einerseits stehen demokratische Akteur:innen in der Pflicht, die Gefahren illiberaler und extrem rechter Politik klar zu benennen. Sie müssen erklären, warum jede:r Einzelne um die Demokratie besorgt sein sollte und warum es notwendig ist, sie aktiv zu verteidigen. Es gilt dabei nicht nur, die Menschen von der Bedeutung von Grundrechten und einer unabhängigen Justiz als zentrale Elemente moderner Demokratien zu überzeugen – zugleich müssen wir sie besser vor Desinformation sowie der Verbreitung illiberaler rechter Propaganda schützen, online wie offline. Andererseits müssen Demokratien auch die Lebensrealität der Menschen spürbar verbessern und durch gute Regierungsführung und konkrete Ergebnisse die Bindung an das politische System stärken. Vor diesem Hintergrund fand der diesjährige Brussels Democracy Dialogue statt. Ziel war es gängige Erklärungen für diese politischen sowie gesellschaftlichen Entwicklungen zu hinterfragen. Expert:innen aus Politik, Wissenschaft, der Gewerkschaftsbewegung und Zivilgesellschaft diskutierten, wie dem Aufstieg illiberaler, rechter Kräfte begegnet und die europäische Demokratie erneuert werden kann. Wie gelingt es, Menschen (wieder) für Demokratie zu begeistern und sie zu verteidigen? In den vergangenen Jahrzehnten sind Demokratien zunehmend inklusiver und pluralistischer geworden. Doch viele Veränderungen fanden ohne Einbezug breiter gesellschaftlicher Schichten statt. Das wiederum erleichterte Angriffe autoritär gesinnter Politiker:innen auf liberale Elemente der Demokratie in zahlreichen Ländern. Wie können Bürger:innen also wieder stärker für die Demokratie begeistert werden? Und wie können sie sich mit ihren Werten identifizieren? Unter anderem diskutierten die Europaabgeordnete Ana Catarina Mendes, Rachel Beatty Riedl (Cornell University), Dan Slater (University of Michigan) und Jakub Kocjan (Akcja Demokracja), wie progressive Akteur:innen überzeugendere und emotional anschlussfähige Narrative entwickeln können, um deutlich zu machen: Die Demokratie ist tatsächlich in Gefahr – und sie ist es wert, verteidigt zu werden. Wie können europäische Demokratien ihre Versprechen besser erfüllen? Viele Wähler:innen scheinen derzeit bereit, wirtschaftliche Vorteile über demokratische Normen und Prinzipien zu stellen. Dies nutzen autoritär gesinnte Akteur:innen gezielt aus, um ihre Macht durch finanzielle Zuwendungen und Versprechen abzusichern. Demgegenüber wirken Aufrufe progressiver Kräfte zu einem langfristigen Kampf gegen wirtschaftliche Ungleichheit auf viele Menschen zu abstrakt und realitätsfern. Anil Duman (Central European University), Jeroen Beirnaert (Internationaler Gewerkschaftsbund ITUC) und Tarik Abou-Chadi (University of Oxford) diskutierten, wie eine sozialdemokratische Vision für eine bessere wirtschaftliche Steuerung aussehen könnte, die durch greifbare Ziele das Vertrauen in demokratische Regierungen stärkt. Der European Democracy Shield und der Kampf gegen rechtspopulistische Desinformation Manipulation und Einflussnahme aus dem Ausland (Foreign information manipulation and interference, FIMI) zählt mittlerweile zu den größten Bedrohungen für unsere Demokratien, auch weit über Europa hinaus. Die extreme Rechte nutzt modernste Online- und Medientechnologien, einschließlich Künstlicher Intelligenz, um Desinformation zu verbreiten und Wähler:innen weltweit zu manipulieren. Tech-Oligarchen unterstützen illiberale, rechte Politiker:innen und Aktivist:innen auf ihren Plattformen und greifen gleichzeitig unabhängige Medien an. Der von der Europäischen Kommission vorgeschlagene European Democracy Shield, Europäischer Schutzschild für die Demokratie, soll den Schutz vor diesen Bedrohungen stärken. Rebekka Kesberg (University of Sussex), Bharath Ganesh (University of Amsterdam), Valeriu Pasa (WatchDog.MD) und Alice Stollmeyer (Defend Democracy) debattierten, ob diese EU-Initiative Desinformation tatsächlich wirksam eindämmen und die Integrität künftiger Wahlen sichern kann. (Soziale) Demokratie neu denken: Wo kann eine neue demokratische Vision entstehen? Donald Trump und die Tech-Oligarchen sind derzeit damit beschäftigt, die älteste Demokratie der Welt vor unseren Augen zu demontieren und gleichzeitig autokratisch gesinnte Politiker:innen weltweit zu ermutigen, ihrem Beispiel zu folgen. In Europa sehen rechtsextreme Parteien darin die Bestätigung, dass wir uns vermeintlich auf eine Gesellschaft zubewegen, in der Gewaltenteilung, regelbasierte Ordnung und politische Partizipation an Bedeutung verlieren. Zugleich wächst in vielen Teilen der Bevölkerung die Offenheit für systemische Brüche und einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. Beim Brussels Democracy Dialogue 2025 wurden die Teilnehmenden daher eingeladen, nach vorn zu blicken und eine neue demokratische Vision zu entwerfen. Die Europaabgeordnete Evin Incir, Thamy Pogrebinschi (WZB Berlin Social Science Center), Alberto Alemanno (HEC Paris/Harvard University) und Anja Neundorf (University of Glasgow) diskutierten, wie pluralistische und liberale Demokratien durch mutige, transnationale Kooperation und innovatives Denken erneuert werden können. Abschlussempfehlungen Angesichts des wachsenden Drucks auf demokratische Institutionen in ganz Europa und darüber hinaus ist die Unterstützung und das Engagement der Bürger:innen wichtiger denn je. Demokratie braucht Demokrat:innen – Menschen, die sich gesellschaftlich einbringen, Vertrauen in die demokratischen Institutionen haben und bereit sind, diese zu verteidigen. Um verlorengegangenes Vertrauen und den Glauben an die Demokratie zurückzugewinnen, formulierten die Teilnehmenden des Brussels Democracy Dialogue vier zentrale Handlungsempfehlungen:Demokrat:innen müssen strategischer vorgehen und die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente konsequent nutzen, um rechtspopulistische und antidemokratische Kräfte zu bekämpfen.Demokratien müssen auf die Bedürfnisse und Forderungen der Bürger:innen reagieren, zugleich aber konkrete Ziele in ein umfassendes progressives Projekt für das 21. Jahrhundert einbetten, um den Kulturkampf gegen Rechtspopulist:innen und Antidemokrat:innen zu gewinnen.Die EU muss ihre Abwehr gegen Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland (FIMI) deutlich ausbauen und dabei sowohl die strukturelle Dimension (z.B. die Regulierung großer Onlineplattformen) als auch die emotionale Dimension von FIMI einbeziehen.Demokrat:innen müssen die Demokratien aktiv erneuern und eine positive Vision für politisches Engagement entwickeln, statt lediglich die historische Funktionsweise der Demokratie zu verteidigen. Publikation: Brussels Democracy Dialogue 2025 Building a progressive vision for a resilient and responsive democracy in the 21st century key findings of the Brussels Democracy Dialogue 2025 : Time to reset! How can we revitalise European democracies? Bonn : Friedrich-Ebert-Stiftung, 2025 Plottka, Julian Zum Download (PDF) Kontakt Autor Marco Schwarz Projektverantwortlich Tobias Mörschel Newsletter International Themenportal: Die Welt gerecht gestalten Friedrich-Ebert-Stiftung Brüssel