Menschenrechtspreis 2016

La Ruta Pacífica de las Mujeres, Kolumbien

Mit der Verleihung des Menschenrechtspreises 2016 an die Frauenbewegung La Ruta Pacífica de las Mujeres (kurz Ruta Pacífica, dt.: Der Friedensweg der Frauen) , möchte die FES den unermüdlichen Einsatz der Organisation für ein Ende des bewaffneten Konflikts in Kolumbien, für dessen Aufarbeitung und für die Rechte und die selbstbestimmte Teilhabe von Frauen am Friedensprozess würdigen.

In den vergangenen Monaten hat sich der Friedensprozess in Kolumbien positiv entwickelt. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht zivilgesellschaftliche Organisationen über Jahre hinweg die „Flamme der Hoffnung“ genährt hätten. La Ruta Pacífica de las Mujeres ist eine der wichtigsten dieser Organisationen. Ihre Arbeit steht auch stellvertretend für zwei Besonderheiten des kolumbianischen Friedensprozesses: Zum ersten Mal wird die Geschichte eines Konflikts aufgearbeitet, während dieser noch andauert und zum ersten Mal nehmen Vertreter_innen von Opfern des Konflikts direkt an den Friedensverhandlungen teil.

Um den Frieden in Kolumbien dauerhaft abzusichern, wird es weiterhin erheblicher zivilgesellschaftlicher Anstrengungen bedürfen. Auch dabei kann die Ruta Pacífica eine wichtige Rolle spielen, denn sie leistet gewaltfreien Widerstand gegen unterschiedliche Formen von Menschenrechtsverletzungen und verkörpert das selbstständige Eintreten von Frauen(-organisationen) für ihre Rechte vorbildlich.

Zum politischen Kontext

Das internationale Bild Kolumbiens war jahrzehntelang vom innerstaatlichen Konflikt, der Kriminalität und den Drogenkartellen bestimmt. Aber seit mindestens zehn Jahren befindet sich das Land auf dem Weg der Besserung. Auch wenn die organisierte (Wirtschafts-)Kriminalität eine große Herausforderung bleibt, sind die Drogenkartelle zerschlagen. Und die Verhandlungen zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla sind mittlerweile so weit gediehen, dass ein Friedensabkommen wahrscheinlich im ersten Halbjahr 2016 unterzeichnet werden kann.

Sollte dies gelingen, wäre Kolumbien noch immer geprägt von einer rekordverdächtigen sozialen Ungleichheit und zahlreichen sozio-ökonomischen Problemen. Doch der am längsten währende bewaffnete Konflikt der Welt hätte endlich ein Ende gefunden.

Ein Ende des Konflikts durch Verhandlungen wäre immens wichtig. Die Zivilbevölkerung leidet schon viel zu lange an dem Konflikt und erfährt zahlreiche Verletzungen ihrer elementaren Rechte. Hierbei sind Frauen in besonderer Weise etwa von Vertreibung oder sexualisierter Gewalt betroffen. Kolumbien ist dabei kein Einzelfall: Vor mehr als 15 Jahren verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1325, in der der Schutz von Frauen und Mädchen in Konflikten sowie deren gleichberechtigte Beteiligung an Friedensprozessen gefordert wird. Diese Ziele sind aber bei weitem noch nicht verwirklicht – weiterhin erfahren Frauen in Konfliktsituationen vielfach Verletzungen ihrer Rechte und sind sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt.

Klar ist: Ein unterzeichnetes Friedensabkommen wäre nicht das Ende der Arbeit für den Frieden und die Rechte der Frauen in Kolumbien, sondern ein wichtiger Etappensieg. Für einen erfolgreichen Friedensprozess und die Umsetzung der Vereinbarungen braucht es eine wache und schlagkräftige Zivilgesellschaft.

Das Projekt

La Ruta Pacífica ist eine feministische Bewegung, die sich seit 20 Jahren landesweit für eine gewaltfreie Lösung des Konflikts einsetzt. Sie hat sich insbesondere darum verdient gemacht, die Auswirkungen des Krieges auf Frauen sichtbar zu machen. Sie streitet für die Rechte auf Wahrheit und Gerechtigkeit und setzt sich für eine partizipative Erinnerungskultur ein. Große Aufmerksamkeit erlangte die Bewegung vor allem durch Demonstrationen, bei denen eine Vielfalt kreativer Elemente zum Einsatz kam.

Die Ruta Pacífica ist eine Allianz von fast 300 Organisationen, in welcher sich Frauen aller sozialen Schichten der wichtigsten Konfliktregionen zusammengeschlossen haben. Auf regionaler und lokaler Ebene unterstützt sie Frauen dabei, ihre Kriegserfahrungen zu verarbeiten und zu überwinden, etwa durch Rechtsberatung, sozio-psychologische Unterstützung sowie Bildungs- und Kulturprogramme.

Was die Bewegung besonders auszeichnet, ist der Perspektivwechsel, den sie erreicht hat: Die Frauen der Ruta Pacífica sehen sich nicht mehr ausschließlich als Opfer des Konfliktes, sondern als gesellschaftliche und politische Subjekte, die sich aktiv am Friedensprozess beteiligen.

Als ein wichtiges Projekt initiierte die Ruta Pacífica eine eigene Wahrheits- und Erinnerungskommission. In deren Rahmen sammelte siemehr als 1.000 individuelle Zeitzeugnisse von Frauen, deren Menschenrechte im Zuge des Konflikts verletzt wurden. Mit dem Bericht der Kommission trug die Bewegung direkt zu den laufenden Friedensverhandlungen, zur Wahrheitsfindung und zur Erinnerungskultur bei.

In Anerkennung dieser hervorragenden Arbeit wird die Ruta Pacífica von einer Vielzahl von nationalen und internationalen Organisationen unterstützt. Im Jahr 2014 gewann die Bewegung den von der FES Kolumbien mitvergebenen Premio Nacional de Paz.

Die Repräsentantin

Stellvertretend für die vielen Tausend Frauen, die in der Ruta Pacífica zusammengeschlossen sind, nimmt deren nationale Koordinatorin, Marina Gallego, den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung 2016 entgegen. Sie hat sich große Anerkennung dafür erworben, politischen Diskussionen zu Menschenrechten, bewaffnetem Konflikt und Friedensschaffung aus Sicht der Frauen Impulse zu geben.

Marina Gallego ist eine der Gründerinnen der Ruta Pacífica de las Mujeres. Sie organisierte landesweite Mobilisierungen von Frauen, die auch international Beachtung fanden. Die ausgebildete Rechtsanwältin koordinierte zudem innerhalb der Ruta Pacífica die Wahrheits- und Erinnerungskommission und unterstützte diese als Teil des Forschungsteams.

Als Mitglied der ersten Expert_innendelegation auf dem Gebiet Gender, die im Dezember 2014 nach Havanna reiste, war sie aktiv an den Friedensverhandlungen zwischen kolumbianischer Regierung und FARC-Guerilla beteiligt. Im selben Jahr wurde sie von El Tiempo, der auflagenstärksten Tageszeitung des Landes, in die Liste der wichtigsten Persönlichkeiten des Jahres aufgenommen.

Weitere Informationen

Begründung für die Nominierung
Flyer

Website der Preisträgerin
Ruta Pacífica de las Mujeres
youtube-Kanal von Ruta Pacífica

Audio Podcasts
Interview mit Maria Gallego (Deutsch)
Interview mit Maria Gallego (Spanisch)

Medienberichte anlässlich der Preisverleihung
Vorwärts.de: Die Macht der Männer überwinden (Deutsch)
Wolf-Dieter Vogel: Der Pfad der Frauen (Deutsch)
DRadio Kultur: Jetzt müssen die Frauen ran (Deutsch)
Semana.com: Luchadoras incansables (Spanisch)
Deutschland.de: Premio de Derechos Humanos (Spanisch)
EFE.com: Ruta de las Mujeres, premiada en Berlín por una paz "imparable" para Colombia (Videobeitrag, Spanisch)
Funkhaus Europa: La Ruta Pacífica de las colombianas (Audiobeitrag, Spanisch)

Berichte über die Ruta Pacifica und das Engagement von Frauen in Kolumbien
Semana.com (Spanisch; über die Ruta Pacifica)
Eltiempo.com (Spanisch; über die Ruta Pacifica)
FES Newsletter Lateinamerika & Karibik, 12/2014, S. 17 (Deutsch; über die Verleihung des Premio Nacional de Paz 2014 an die Ruta Pacifica)
Askonline.ch (Deutsch; über die Wahrheits- und Erinnerungskommission der Ruta Pacifica)
Foreignpolicy.com (Englisch; zum Engagament von Frauen im Friedensprozess)
Unwomen.org (Englisch; zum Engagament von Frauen im Friedensprozess)

Publikationen der Friedrich-Ebert-Stiftung
FES Infobrief Gender Matters 05/2015 (Deutsch)
Propuestas de paz territorial desde los movimientos sociales, Analyse der FES Kolumbien, 10/2015 (Spanisch)
Los retos en convivencia, administración de justicia y seguridad rural en el posconflicto Analyse der FES Kolumbien, 2/2015 (Spanisch)
Kolumbien entscheidet sich für den Frieden, Perspektive der FES Kolumbien, 7/2014 (Deutsch)

Alle FES-Publikationen über Kolumbien finden Sie hier.

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