‚Nein, keine gute Zeit für Alleinerziehende‘, meint Nicola Stroop vom Verband Alleinerziehender Mütter und Väter NRW e.V. (VaMV). Die Ausgangslage war schon nicht komfortabel, das sind altbekannte Fakten. Denn bei Alleinerziehenden stehe nur ca. die Hälfte eines Haushaltseinkommens zur Verfügung, wenn man es mit Paarfamilien vergleicht. Rund 42 % der Haushalte von Alleinerziehenden sind von Armut bedroht. Das Armutsrisiko sei bei dieser Familienform besonders hoch. Ebenso steht in der Regel nur die Hälfte der Zeit zur Verfügung, da sich ja nicht zwei Erwachsene kümmern, sondern nur einer. Alleinerziehende sind deshalb besonders stark auf eine Infrastruktur und Betreuung angewiesen. Diese fiel während der Corona-Krise anfangs von heute auf morgen weg.
Der VaMV hatte während des Lockdowns eine Hotline für Alleinerziehende eingerichtet. Diese wurde sehr gut angenommen. Es wurden Fragen zur Existenzsicherung gestellt, zur Kinderbetreuung, aber auch solche wie „was mache ich wenn ich ausfalle?“
Was ist in der Politik angekommen? Anja Butschkau MdL meint, es sei schnell angekommen, Kontakte wurden gehalten und Maßnahmen auf den Weg gebracht. Unterstützung war notwendig, und darauf wurde reagiert wie der Notfallbetreuung auch für Kinder von EinEltern-Familien. Sie weist darauf hin, dass bereits vor Corona Zeiten, nämlich im Frühjahr 2019 ein Antrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/ Die Grünen zur Entlastung von Alleinerziehenden „Unterstützung für alleinerziehende Mütter und Väter in NRW stärken“ gestellt wurde, ebenso wie ein Antrag zur Kindergrundsicherung (alle Forderungen und Anträge hier). Was kommt von dem von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Konjunkturpaket bei den Alleinerziehenden an? Der geplante Kinderbonus in Höhe von 300,- wird nicht auf Unterhaltsvorschuss und Sozialleistungen wie Wohngeld angerechnet, allerdings auf Unterhaltsleistungen. D.h. 150,- Euro gehen in den Haushalt des anderen Elternteils, wenn dieser Unterhalt bezahlt. Das sei
nicht immer gerecht, da oftmals das Kind nicht in diesem Haushalt lebt, und 60 % der Kinder von Alleinerziehenden den anderen Elternteil selten oder nie sehen. Der VaMV habe deshalb zu einer Protest-Email aufgerufen (Voller Kinderbonus für Alleinerziehende!). Zudem sieht das Konjunkturpaket einen Entlastungsbeitrag für Alleinerziehenden vor. Viele wünschten sich das dauerhaft. Was wir dringend bräuchten, so Nicola Stroop weiter, sei endlich eine Anerkennung von Alleinerziehenden, dass es einfach viele Familienformen gebe. Viele Leistungen orientieren sich an dem klassischen Familien-Modell: Vater-Mutter-Kind, das passe aber nicht mehr.
‚Was können wir lernen aus den Strukturen?‘, fragt die Moderatorin Andrea Blome, und wie könnten andere Strukturen verankert werden? Eine gerechtere Besteuerung, die Abschaffung der steuerlichen Nachteile und neue Leitlinien auf allen Ebenen, wären Ansätze, so die Antworten. Die Zeit des Lockdowns habe kurze Zeit zu einem Paradigmenwechsel geführt, vieles war plötzlich möglich. Wichtig seien auch andere Rahmenbedingungen in der Kinderbetreuung, vor allem ausreichend finanziert. Und, um den bereits bestehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, andere Gehälter für Erzieher_innen, so Anja Butschkau. Wertschätzung für diese Tätigkeiten und bessere Vergütung seien notwendig. Aber auch flexiblere Betreuung der Kinder, z.B. in den Randzeiten (siehe Projekt des VaMV Sonne, Mond und Sterne und den Bericht) schaffen die wichtige Verlässlichkeit.
Wir bräuchten einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für alle Kinder bis zum Alter von 14 Jahren, inklusive dem Anspruch auf einen OGS-Platz, so die deutliche Formulierung von Nicola Stroop.
Ein Problem sei auch, dass Alleinerziehende oftmals keinen (adäquaten) Job bekommen. Die großen Hürden von Alleinerziehenden am Arbeitsmarkt müssen angegangen, Arbeitgeber_innen stärker einbezogen, und mehr in Verantwortung genommen werden , evtl. durch finanzielle Anreize. Auch sei die Qualität der Kinderbetreuung schwierig. Kinderbetreuung ist nach wie vor eine Mangelware, so dass man es sich nicht immer aussuchen kann. Es ginge aber auch um das Recht des Kindes auf Bildung, Qualität habe auch mit der finanziellen Ausstattung der Kita und der OGS zu tun.
‚Was fehlt eigentlich?‘, so die abschließende Frage. Eine Meta-Ebene der Beratungsinfrastruktur, sozusagen eine Alleinerziehenden-Anlaufstelle vor Ort, niedrigschwellig, und im Sinne einer Lotsenfunktion. Viele wissen gar nicht was sie suchen, denn Alleinerziehend ist ein Querschnittsthema ist. Der Antrag der SPD, so Anja Butschkau, beinhalte eine bedarfsgerechte und
flächendeckende Beratungsstruktur, z.B. in jeder größeren Stadt. Beratungsstellen müssten dabei für alle gut zu erreichen sein. Die Forderungen zum Schluss lässt sich in einem Dreiklang zusammenfassen: Zugang zur flächendeckenden und guten Kinderbetreuung ermögliche den Zugang der Alleinerziehenden zu Erwerbstätigkeit, und damit Zugang zu finanziellen Ressourcen. An dieser Stelle wurde die Wichtigkeit eines Lobbyverbandes wie den VaMV betont, zu wissen, man sei nicht allein, und es werde auch was bewegt. Und dass es Zeit wird für einen Paradigmenwechsel, dabei Forderungen lauter zu stellen, dass man sich für die gemeinsame Sache zusammenschließt und gemeinsam dafür sorgt, dass die Situation sich verbessert. Damit es doch noch eine gute Zeit wird für Alleinerziehende.
Redaktion: Jeanette Rußbült, Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro NRW