Freitag 21. bis Sonntag 23. Juli 2017 in Herrenberg-Gültstein
Kommunale Wohnbaupolitik
„Schaffa, schaffa, bezahlbaren Wohnraum bauen?“
Bauen, Wohnen und Leben in Baden-Württemberg
Der Wohnungs- und Immobilienmarkt befindet sich derzeit in einem rasanten Wandel. Eigentlich ist Deutschland ein Land der Mieterinnen und Mieter. Baden-Württemberg hingegen ist eher ein Bundesland der Eigentümer. Bundesweit liegt die Wohneigentumsquote bei 45,4%, in Baden-Württemberg hingegen bei 51,3%. Baden-Württemberg ist eben das Land der Häuslesbauer.
Doch während Wohnraum in Groß- und Mittelstädten immer knapper wird, gibt es in einigen ländlichen Regionen ein Überangebot und teilweise Leerstand. In den Städten steigen die Immobilienpreise und dadurch auch die Mieten. Die städtischen Quartiere mitsamt ihrer Bewohnerinnen und Bewohner verändern sich. Bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen wird ebenso zur Mangelware wie bedürfnisorientierter Wohnraum, der barrierefrei, altersgerecht oder für Singles geeignet ist. Gleichzeitig steigt jedoch der Bedarf nach diesen Angeboten.
Im Rahmen der SommerAkademie 2017 sind wir mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Wissenschaft, Politik und Verwaltung gemeinsam mit unseren Teilnehmenden den Fragen nachgegangen, welche politischen Lösungen in der Wohnbaufrage verfolgt werden können: Stärker regulierend in den Wohnungsmarkt eingreifen? Die Fördersysteme für mehr öffentlich finanzierte Sozialwohnungen ausbauen? Auf den Markt hoffen und mit Subjektförderung nachsteuern? Auf neue, alternative Wohnformen setzen? Oder alles zusammen? Wie kann die Nachfrage nach bezahlbarem und passendem Wohnraum mit sozial wünschenswerten Quartierskonzepten und baurechtlichen Vorgaben in Einklang gebracht werden? Welche Folgen ergeben sich aus der skizzierten Entwicklung für die Bürgerinnen und Bürger sowie das soziale Zusammenleben in der Stadt? Wie kann eine Neuausrichtung der Wohnungsbaupolitik gelingen?
Zum Einstieg in das lange SommerAkademie-Wochenende gab es den Film „Das ist unser Haus!“ mit anschließendem Gespräch mit dem Filmemacher und Mietshaus-Syndikat-Aktivisten Burkhard Grießenauer. Der Film kann online und Lizenzfrei abgerufen werden unter: www.das-ist-unser-haus.de . An der Diskussion beteiligten sich außerdem Dorothea Riedel von der N.E.S.T.-Bau-AG Tübingen und Ingrid Gerth von der Beginen-Stiftung. Alle drei Projekte können als alternative Organisationsformen zu herkömmlichen Bau- und Wohnformen beschrieben werden.
Am Samstagmorgen hielt Arnt von Bodelschwingh von RegioKontext GmbH aus Berlin einen
Einführungsvortrag mit dem Titel: Die Rückkehr der Wohnungsfrage. Dieser Vortrag kann unter www.fes-online-akademie.de/themen/grundwissen-kommunalpolitik nachgehört werden.
Im Anschluss hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit sich im Rahmen von Workshops vertieft mit einzelnen Themen zu befassen. Diese waren:
Workshop I: Wohnbaupolitik mit Arnt von Bodelschwingh
Workshop II: Story telling mit Dr. Elke Ahrens, Soziologin und Agrarwissenschaftlerin
Workshop III: Sorgende Gemeinschaften mit Michael Lucke, Sozial- und Finanzbürgermeister a.D. Tübingen
Austausch und Diskussion gab es dann beim Markt der Möglichkeiten. Hier wurden von Expertinnen und Experten aber auch einzelnen Teilnehmenden gute Beispiele aus dem ganzen Land vorgetragen, wie einzelne Aspekte der Wohnungsfrage angegangen werden können. Impulse lieferten unter anderem:
- Barbara Neumann-Landwehr, Fachbereichsleiterin in Tübingen zum Thema "Innenentwicklung",
- Annelie Spohn aus Freiburg stellte das Projekt "Wohnen mit Hilfe" vor,
- Günther Seiring und Gabriele Gack die "Gemeinschaft Sonnenwald Schernbach",
- Doreen Petri aus Darmstadt präsentierte die "Neue Wohnraumhilfe" vor und
- Martin Struppe aus Tübingen sprach über "Leben in alternativen Wohnformen".
Am Sonntag war zum Abschluss der Landtagsabgeordnete und Wohnbaupolitische Sprecher Daniel Born eingeladen. Mit ihm diskutieren die Teilnehmenden äußerst angeregt und mit großem Engagement kommunale Handlungsmöglichkeiten bei der Wohnbauentwicklung. Wichtig war dabei die Reflektion der Gründe, weshalb die Kommunen derzeit wieder mit der bereits gelöst geglaubten Wohnungssituation konfrontiert sind. Born kritisierte den Geist der Privatisierung des Wohnungsmarkts in den 1990er Jahren und plädierte für ein langfristig-strategisches Engagement der Kommunen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus.
In einem Punkt waren sich Teilnehmende und Expert_innen einig: Die Frage nach bezahlbarem, bedarfsgerechtem und sozial verträglichem Wohnraum wird die kommunale Politik noch lange beschäftigen.