Du willst wissen, wie feministisch der Film ist? Frag die Mango-Meter-App!

Medhavinee Namjoshi hat Mango Meter mitentwickelt. Hier erzählt sie, was ihr an Bollywood missfällt und was die App bewirken soll

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"Mango Meter" wurde am 16. Februar 2019 in Jakarta, Indonesien, vorgestellt. Die App dient dazu, feministische Filmkritiken für asiatische Mainstream-Filme zu erstellen. Die Entwicklerinnen sind Mitglieder eines Netzwerks, das von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Asien über die regionale Arbeit in den Bereichen Gender und soziale Gerechtigkeit unterstützt wird.

Im folgenden Beitrag erklärt die Mitentwicklerin der App, Medhavinee Namjoshi, ihre Unzufriedenheit mit Bollywood und warum die App Mango Meter etwas bewegen kann.

Es gibt einige Tests, die Kinofilme vor dem Hintergrund feministischer Aspekte analysieren, wie z.B. der Bechdel Test oder der Mako Mori Test (mehr dazu in der englischen Wikipedia). Allerdings kennen viele Menschen diese Tests nicht. Sie haben keine Plattform, von der aus sie Filmkritiken aus feministischer Sicht erstellen können und – wie in unserem Fall, aus einer nicht-westlichen Perspektive heraus – westliche Schönheitsideale in Frage stellen können.  

Mit Mango Meter möchten wir diese Lücke füllen und eine Plattform einführen, in der andere Meinungen Gehör finden und anerkannt werden. Wir möchten die Kinobesucher_innen sensibilisieren und wir möchten, dass die Filmindustrie mitbekommt, dass Frauen nicht mehr als passive Objekte in Filmen dargestellt werden wollen.

Störender Sexismus in Bollywood-Filmen

Was mich bei indischen Filmen, und speziell bei Bollywood-Produktionen ärgert und stört, ist die dürftige Inklusion, Partizipation und Darstellung indischer Frauen, wohingegen die Filmindustrie selber von Männern und patriarchalischen Vorstellungen von heterosexuellen, männlich beherrschten Geschlechterrollen dominiert wird. Dies spiegelt sich in der Produktion von Filmen wider, wo es keine Frauen als Regisseurinnen, Produzentinnen, Kamerafrauen, Drehbuchautorinnen, Redakteurinnen oder Verleiherinnen gibt. Die Dominanz von Männern in all diesen Bereichen verstärkt noch die männliche Perspektive und patriarchalische Kontrolle, die Männer über die Inhalte und den Charakter Bollywoods ausüben. Bollywood portraitiert Frauen, Transgender-Menschen oder Personen, die nicht aus den Kernländern des Hindi-sprechenden Kontinents stammen, als Karikaturen. Frauen werden immer über-sexualisiert und die sexuelle Belästigung durch balzende Nachbarn wird als normal dargestellt.

Bollywood hat generationenlang Stalking und sexuelle Belästigung normalisiert und in den Liedtexten wie Liebe aussehen lassen:

"Du hast nicht das Recht, mich an meinen Streifzügen durch Deine Straße zu hindern und mehr noch: Ich werde Dir nachstellen, bis du "ja" sagst / Dein Hund soll mich gefälligst nicht anbellen, weil du mir gehörst." (Liedtext aus dem Film Phata Poster Nikhla Hero)

Westliche Filme oder Hollywood unterscheiden sich nicht sehr von ihren asiatischen Gegenstücken in Hinblick auf die patriarchalischen und stereotypen Schilderungen, was die Darstellung von Frauen oder Menschen mit anderer Hautfarbe und sonstigen benachteiligten Gruppen angeht, die nicht weiß, Amerikaner_innen und heterosexuell sind.

Schädliche Stereotype werden salonfähig

Filme, und insbesondere Bollywood-Filme, behandeln Frauen als das "Andere". Ihre Existenzberechtigung erhalten Frauen dadurch, dass sie es dem männlichen Protagonisten erlauben, als Retter dazustehen. Weibliche Charaktere sind eindimensionale, "gute Frauen", wie die sich aufopfernde Mutter, Schwester, Ehefrau, Liebesobjekt des "Helden" oder aber sie werden als Vamps dargestellt – übersexualisiert und schlampig. Dies fördert passive, abhängige Frauenbilder, die für den gesamten Handlungsstrang nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Schilderungen werden auch so dargestellt, dass Frauen von Verantwortung ausgeschlossen werden oder selber keine Initiative ergreifen können. Dass die männliche Dominanz, Gewalt und das maskuline Bild des Protagonisten als "normal" dargestellt werden, ist sehr beunruhigend und wirkt sich, so glaube ich, negativ auf die Einzelnen und auf die Gesellschaft als Ganzes aus, da die Geschichten des Mainstream-Kinos eigentlich schädliche Stereotypen salonfähig machen und verstärken.

Frauen können Filme feministischer machen

Damit Filme feministischer werden, müssen wir meiner Meinung nach mehr Frauen in den verschiedenen Bereichen der Filmproduktion haben. Wir benötigen einen Paradigmenwechsel, sodass Frauen als Regisseurinnen, Kamerafrauen, Drehbuchautorinnen, Produzentinnen oder Verleiherinnen präsent sind. Wir müssen zusehen, dass mehr Frauen dort ihren Platz einnehmen, damit sie eine Stimme in den Geschichten bekommen. Ein wirklich feministischer Film wäre eine Produktion, die Männlichkeit oder Krieg in keiner Form verherrlicht, eine Produktion, die Menschen anderer Hautfarbe oder Herkunft oder Homosexuelle oder Menschen mit Behinderungen aktiv und realistisch darstellt.

Mango Meter will aufrütteln

Gute Beispiele feministischer Filme sind Nil Battey Sannata, Margarita With a Straw, Lipstick Under my Burkha, English Winglish, und ein ganz neuer – Ek Ladaki ko dekha to asia laga. Für mich sind dies einige jener Filme, die eher an das feministische Ideal herankommen.
Andererseits ist fast jeder Bollywood-Film problematisch. Um nur einige zu nennen: die Salman-Khan-Filme nach Dabangg, besonders die Film-Songs und Dialoge sind besonders sexistisch. Selbst in zeitgenössischen Filmen wie Cocktail, die vorgeben, dass man ein unabhängiges Mädchen mit freiheitlicher Einstellung zwar daten kann, aber wenn es dann um Heirat geht, sei es doch besser, sich ein "gefügiges" Mädchen vom Lande mit indischen Werten zu suchen.

Diese Art von Film wird in unserer App Mango Meter als sexistisch klassifiziert.

Wir möchten, dass sich mehr Menschen uns anschließen, denn zusammen können wir etwas verändern, Film für Film.

 

Mango Meter gibt es gratis für Android-Geräte bei Google Play oder im App Store von Apple.

Kontakt für weitere Informationen: Lea Gölnitz, FES Office for Regional Cooperation in Asia

Medienresonanz

Bericht über die Mango Meter App im Bayern 2 Podcast "Tagesticket"
(ab 12:30 min.)

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