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Die Digitalisierung des Nachlasses von Marie Juchacz im AdsD

Nike Pfaue

Unser Bestand der SPD-Politikerin und Gründerin der Arbeiterwohlfahrt ist nun online einsehbar. Er umfasst vielfältige Korrespondenz und Manuskripte aus dem US-Exil und der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Eine Digitalisierung von Beständen kann aus ganz unterschiedlichen Gründen erfolgen. Im Falle des Nachlasses von Marie Juchacz waren zwei Gründe ausschlaggebend. Zum einen gibt es ein großes öffentliches Interesse an dieser historisch bedeutenden Frau und zum anderen war uns der Schutz der Originale ein besonders wichtiges Anliegen. Die SPD-Reichstagsabgeordnete war als Gründerin und langjährige Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt einflussreich und breit vernetzt, sie gehörte zu den wichtigsten sozialdemokratischen Politikerinnen der Weimarer Republik. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 musste sie ins Exil gehen, zunächst ins Saargebiet, 1935 weiter nach Frankreich und schließlich 1941 in die USA, wo sie das Kriegsende erlebte und bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland 1949 blieb. In all diesen Jahren pflegte sie eine umfangreiche persönliche Korrespondenz mit hochrangigen Parteimitgliedern, mit sozialistischen Intellektuellen sowie mit ihren Verbündeten aus der sozialen Arbeit. Ein Teil dieser Dokumente, der nun erstmals online zugänglich gemacht wurde, wird als Nachlass Marie Juchacz im Archiv der sozialen Demokratie bewahrt.

Dank der Digitalisierung ist es nun wesentlich einfacher, mit diesem wertvollen Bestand zu arbeiten, ihn beispielsweise nach Schlagworten im Volltext zu durchsuchen und sich nach Belieben in diesen spannenden Dokumenten zu vertiefen. Ein weiterer umfangreicher Bestand mit politischer Korrospondenz und Unterlagen von Marie Juchacz, der über den Bestand der Arbeiterwohlfahrt ins AdsD gelangte, ist zudem vor Ort einsehbar.

Dokumentensichtung, Scanvorgang und digitale Erfassung

Zu Beginn des Projekts wurden der Zustand und der Umfang von unterschiedlichen infrage kommenden Beständen überprüft, um den ungefähren Arbeitsaufwand sowie den geeigneten Umgang mit den Akten beim Scannen abschätzen zu können. Der Bestand Marie Juchacz besteht aus 19 Verzeichnungseinheiten, die sich aus handschriftlichen und maschinenschriftlichen Dokumenten zusammensetzen. Der Zustand des Papiers ist durchmischt. Es gab sowohl gut erhaltene als auch sehr fragile Dokumente, die besonders vorsichtig behandelt werden mussten. Nach der Sichtung des Materials und der konservatorischen Prüfung wurde eine Digitalisierungsskizze erstellt, um das Projekt besser planen zu können. Aus dieser Skizze lassen sich die Arbeitsschritte ablesen und eine Einschätzung des Aufwands mit Hochrechnung der benötigten Arbeitsstunden für den Digitalisierungsvorgang inklusive Vorbereitung, Scannen und Nachbereitung ermitteln. Die veranschlagte Stundenanzahl für das Scannen belief sich auf ungefähr 50 Stunden, während sich die Qualitätskontrolle auf circa 12 Stunden belief. 

Im AdsD gibt es eine hybride Scanstation, um auf die verschiedenen Zustände der Akten beim Scannen bestmöglich reagieren zu können. Für besonders fragile Dokumente kann ein Aufsichtsscanner genutzt werden, für besser erhaltene und stabilere Dokumente ein Einzugsscanner. Der Einzugsscanner wurde für das Scannen von archivischen Materialien entwickelt, er geht pfleglicher mit dem Papier um als ein handelsübliches Bürogerät. Direkt nach jeder Akteneinheit wurde eine Qualitätskontrolle durchgeführt, sodass Korrekturen direkt und zeitnah möglich waren. Bei der Überprüfung orientierten wir uns an den DFG-Praxisregeln zur Digitalisierung. Sobald der Digitalisierungsprozess abgeschlossen war, wurden die Digitalisate in die Digitale Sammlung (mit der Software Visual Library) der Friedrich-Ebert-Stiftung hochgeladen, die einen Online-Zugang zu den Digitalisaten ermöglicht.

Datenaufbereitung und Online-Bereitstellung

Um den Zugang zu diesem Bestand zu erleichtern, wurde bei allen Digitalisaten eine Texterkennung (OCR/HTR) durchgeführt. Damit können die Digitalisate nach Schlagworten im Volltext durchsucht werden. Die Metadaten zu dem Nachlass wie etwa die Verzeichnungsdatensätze wurden anschließend via EAD-Import aus der Archivsoftware Scope in die Visual Library überführt. Bei Druckschriften erfolgte die Volltexterstellung direkt in der VL, Handschriften mussten hingegen zunächst mit der KI-gestützten Entschlüsselungssoftware Transkribus bearbeitet werden. Der nächste Schritt war die automatische Entitäten-Auszeichnung und Verknüpfung auf Basis der Volltexte. Bei der Named Entity Recognition (NER) werden in den Texten Kategorien wie Personen, Körperschaften, Orte oder Themen erkannt. Anschließend werden diese mittels Named Entity Linking (NEL) mit Normdaten verknüpft. Dadurch können Indices gebildet werden, z.B. ein Personenindex, der die Recherche im Nachlass enorm erleichtert. Aufgrund der Verknüpfung mit den Normdaten können weitere Informationen wie etwa biografische Daten zu den im Nachlass erkannten Personen bereitgestellt werden. All diese Schritte bei der Digitalisierung sind notwendig, um einen Bestand bestmöglich und so barrierearm wie möglich für die Nutzung online bereitzustellen.

Digitale Sammlung

Die Digitalisate inkl. Ihrer Metadaten können über unsere digitalen Sammlungen abgerufen werden.

Ausstellung in Köln

Wegbereiterinnen des Wandels – Die Erste Frauenbewegung in Köln. Ausstellung im Historischen Archiv mit Rheinischem Bildarchiv (bis 22. März 2026)

AWO-Bestand

Weitere umfangreiche Korrespondenzen von Marie Juchacz aus den Jahren 1941–1955 finden sich im Bestand des AWO Bundesverbands. Sie sind bei uns auf Anfrage ebenfalls einsehbar.

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