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Archiv der sozialen Demokratie

 

FES-Buchpreis "Das politische Buch". Erinnern an die Bücherverbrennungen 1933

Der FES-Buchpreis "Das politische Buch" wird im Mai eines jeden Jahres verliehen. Erinnert wird mit diesem Preis auch an die nationalsozialistische Barbarei der Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933.

Bild: Denkmal der Bücherverbrennung von Charlotte Nordahl lizenziert unter CC BY-SA 2.0 Mahnmal auf dem Berliner Bebelplatz zum Gedenken an die Bücherverbrennung 10. Mai 1933

Deutschland – Bücherland
Deutschland ist - immer noch - ein Land der Bücher und der Buchkultur. Die weltweit größte Buchmesse findet alljährlich in Frankfurt am Main statt und erfreut sich eines enormen Publikumszuspruchs. Literaturfestivals sind beliebte Kulturveranstaltungen und häufig Aushängeschilder für die Städte und Gemeinden, in denen sie stattfinden. Das Umsatzvolumen in der Buchbranche hat sich trotz einer abnehmenden Zahl stationärer Buchhandlungen innerhalb der letzten zehn Jahre kaum verändert. Und die zahlreichen in Deutschland vergebenen Buchpreise stellen begehrte und öffentlichkeitswirksame Auszeichnungen für Verleger und Autoren dar. So auch der von der Friedrich-Ebert-Stiftung verliehene Preis "Das politische Buch". Mit der Intention, "die große Bedeutung politischer Literatur für die lebendige Demokratie" zu würdigen, wird dieser Preis seit 1982 im Mai eines jeden Jahres im Rahmen eines Festaktes verliehen. Diese Veranstaltung steht zugleich regelmäßig im Zeichen der Erinnerung an ein historisches Ereignis, mit dem sich die deutsche "Kulturnation" von ihrer hässlichsten Seite zeigte.

Bücherverbrennungen - "Feuerstätten des Nationalsozialismus"
Schon kurze Zeit nach der Machtübernahme offenbarte sich der wahre Charakter des nationalsozialistischen Zeitgeistes. Die Bücherverbrennungen, die mit dem "Höhepunkt" der Rede Goebbels' auf dem Berliner Opernplatz am 10. Mai 1933 an diesem Tag selbst und rund um dieses Datum an vielen Orten in Deutschland stattfanden, waren eine frühe Eskalation und Vorwegnahme späterer Grausamkeiten. Die öffentliche Verbrennung der Werke international geachteter Schriftsteller_innen und Wissenschaftler_innen steht geradezu sinnbildhaft für den kulturbefreiten und menschenverachtenden Charakter des "neuen", nationalsozialistischen Deutschland. Zugleich verlieh es dem Denken Vieler Ausdruck, die sich der geistigen Elite des Landes zugehörig fühlten. Die Bereitschaft, ein solches "Fanal einer Epochenwende", zu organisieren oder mitzutragen, wuchs schon Jahre früher, teils im Stillen, teils aber auch deutlich sicht- und spürbar, in vielen Köpfen des deutschen Bildungsbürgertums heran. Fasziniert von völkischen und rassistischen Ideen und geprägt von, so formuliert es Klaus Schönhoven, "Zukunftshoffnungen auf die Restauration vordemokratischer Ordnungen" war es vor allem die zukünftige akademische Elite, welche die Bücherverbrennungen organisierte und durchführte.

Kulturlosigkeit des Kulturbetriebs
Ideologische und auch praktische Unterstützung erfuhren die Student_innen dabei unter anderem von bibliothekarischer oder buchhändlerischer Seite. So erstellten Berliner Volksbibliothekare im Vorfeld der Bücherverbrennungen schwarze Listen mit Büchern unterschiedlichster Literaturgattungen, die den Student_innen Hilfestellungen bei den "Säuberungen" der Leihbüchereien geben sollten. Der Börsenverein der deutschen Buchhändler erklärte unmittelbar nach den Bücherverbrennungen, dass die Werke von zwölf auf den schwarzen Listen genannten Schriftstellern nicht mehr vom Buchhandel verbreitet werden sollten. Dabei versäumte man es auch nicht, dem nationalsozialistischen Regime uneingeschränkte Loyalität zu versichern. Auch wenn natürlich nicht sämtliche Student_innen, Buchhändler_innen, Bibliothekar_innen oder andere Vertreter_innen der geistigen oder kulturellen Elite voller Elan und Überzeugung im Sinne der von Reichspropagandaminister Goebbels formulierten ideologischen Leitgedanken agierten, waren die Bücherverbrennungen "ein Fanal für die Flucht in den Irrationalismus und in die Inhumanität, die weite Kreise der akademischen Eliten im Frühsommer 1933 wissentlich und aktiv vollzogen oder wenigstens passiv hinnahmen."

Kulturmündigkeit und demokratische Toleranz
Dass die Friedrich-Ebert-Stiftung mit ihrem Buchpreis eben daran erinnert, ist in mehrfacher Hinsicht folgerichtig. Ihre Bibliothek steht in unmittelbarer Tradition der ersten sozialdemokratischen Parteibibliothek, die von den Nationalsozialisten im Juni 1933 beschlagnahmt wurde und in deren Bestand sich zahlreiche Schriften fanden, die der Bücherverbrennung zum Opfer fielen. Zudem ist es ein wesentliches Element der politischen Bildungsarbeit der FES, gegen antidemokratische, fremdenfeindliche, rassistische und antisemitische Einstellungen zu arbeiten. Teil dieser Arbeit ist es, das Erinnern an die Schrecken und Gräueltaten unter dem Nationalsozialismus lebendig zu halten. Dass dies von ungebrochener Bedeutung ist, belegen die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre. Die Analyse Björn Engholms zum aktuellen Zustand der Gesellschaft im Rahmen seiner Festrede zur ersten Preisverleihung am 10. Mai 1982 ist auch heute noch aktuell: "Neofaschistische Manifestationen", geringe historische Kenntnis insbesondere mit Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland, "Feindseligkeiten gegenüber Minderheiten", insgesamt ein "Mangel an Toleranz" - dies war im Jahr 1982 und ist auch heute gesellschaftliche Realität. Daher seine Schlussfolgerung: "Die Aufgabe der politischen und kulturellen Bildung, die unser ganzes Volk zur Kulturmündigkeit und zur demokratischen Toleranz führen soll, ist noch nicht erfüllt". An dieser Aufgabe weiter zu arbeiten, ist 85 Jahre nach den Bücherverbrennungen notwendiger denn je.


Die Zitate sind diesen beiden Schriften entnommen:

Weitere Titel zu den Bücherverbrennungen im Katalog der FES-Bibliothek.

Informationen zum FES-Buchpreis "Das politische Buch".


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