Vorbereitet sein

Am Donnerstag wird die Kultusministerkonferenz darüber beraten, wie das kommende Schuljahr organisatorisch und inhaltlich gestaltet werden soll. Einig sind sich die Minister_innen aller Länder darin, dass alle Schüler_innen möglichst schnell wieder im schulischen Regelbetrieb unterrichtet werden sollen – im gewohnten Klassenverband und nach den geltenden Stundenplänen.

Bild: von Burkhard Jungkamp

 

Schuljahr 2020/21: Rückkehr zum Regelbetrieb?

 

Von Burkhard Jungkamp

 

Am Donnerstag wird die Kultusministerkonferenz darüber beraten, wie das kommende Schuljahr organisatorisch und inhaltlich gestaltet werden soll. Einig sind sich die Minister_innen aller Länder darin, dass alle Schüler_innen möglichst schnell wieder im schulischen Regelbetrieb unterrichtet werden sollen – im gewohnten Klassenverband und nach den geltenden Stundenplänen. Einige Länder haben die Grundschulen bereits geöffnet, andere wollen sie noch vor den Sommerferien öffnen, wieder andere wollen zum Beginn des Schuljahres 2020/21 nachziehen. Auch in den weiterführenden Schulen soll alsbald wieder so regulär und normal wie möglich unterrichtet werden. Angesichts eines zurzeit niedrigen Infektionsgeschehens ist das nachvollziehbar.

 

In Szenarien denken

Und doch wird die Rückkehr zum regulären Schulbetrieb nicht die Wiederkehr der vertrauten schulischen Normalität sein. Das Corona-Virus ist ja keineswegs verschwunden. Darum ist weiterhin Vorsicht geboten, sollten Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen weiterhin eingehalten werden, Infektionsketten nachvollziehbar bleiben. Zudem lässt sich das künftige Infektionsgeschehen nicht vorhersagen. Es kann sich regional so unterschiedlich entwickeln, dass möglicherweise hier Schulen geschlossen werden müssen, während sie dort geöffnet bleiben können. Auch ist eine zweite Pandemiewelle nicht ausgeschlossen – mit der Folge, dass landes- oder bundesweit der Fernunterricht wieder zum Regelfall wird.

Die Länder sind also gut beraten, auf unterschiedliche Szenarien vorbereitet zu sein. Wie ist das Schuljahr zu gestalten, wenn trotz aller Corona-Risiken der Präsenzunterricht der Regelfall ist, wie wenn Präsenz- und Fernunterricht kombiniert werden müssen, wie wenn der Fernunterricht der Regelfall ist? Die Expert_innenkommission der Friedrich-Ebert-Stiftung hat dazu Vorschläge unterbreitet, die auf breite Zustimmung gestoßen sind. Umso erfreulicher ist es, dass zwei Kommissionsmitglieder am 18. Juni beratend an der KMK-Sitzung teilnehmen dürfen.

 

Orientierung für die Schulen

Die Länder sollten den Schulen - so wie es beispielsweise Hamburg, Rheinland-Pfalz und Brandenburg in den zurückliegenden Monaten getan haben - möglichst konkret Orientierung bieten und sie unterstützen in einer Situation, in der Organisation von Schule so schwierig ist wie kaum je zuvor. Hier sind Absprachen in der KMK erforderlich: Welche Infektionsschutz- und Hygienemaßnahmen müssen eingehalten werden? Welche Personen dürfen nicht für den Präsenzunterricht, welche hingegen als zusätzliches pädagogisches Personal für den Fernunterricht eingesetzt werden? Welche Schülergruppen werden von der Schulpflicht befreit? Welche Fächer sind im Falle weiterer Einschränkungen in welchem Umfang zu unterrichten? Welche Lehr- und Lerninhalte sind weiterhin obligatorisch, worauf kann verzichtet werden? Wie sollen Leistungen festgestellt, wie bewertet werden? Was bedeutet das für die Abschlussprüfungen? Müssen die Prüfungsaufgaben aus dem Aufgabenpool der KMK unverändert übernommen werden oder dürfen sie von den Ländern oder gar von den Einzelschulen verändert werden? Bleiben die Vergleichsarbeiten verbindlich? Welche Regelungen sollen für die Versetzungen bzw. Nichtversetzungen gelten? Welche Mindestanforderungen müssen erfüllt sein, damit das häusliche Lernen als „Fernunterricht“ anerkannt werden kann?

Dies sind einige der Fragen, die möglichst schnell beantwortet werden müssen. Hierzu liegen Empfehlungen der Expert_innenkommission auf dem Tisch. Präsenzunterricht vorrangig für die Jüngeren, Fernunterricht auf der Basis verbindlicher Stunden- bzw. Wochenpläne, gegebenenfalls erforderliche Stundenplankürzungen nicht ausschließlich zu Lasten der sog. „Nebenfächer“, Schwerpunktsetzungen in den Lehrplänen und Prüfungsinhalten aller Fächer, attraktive Angebote während und außerhalb der Unterrichtszeit (Sommer- bzw. Ferienschulen), um Lernrückstände kompensieren zu können – das sind einige der Vorschläge.

Zudem, so heißt es in der Stellungnahme, sollten die Länder Mindeststandards für die pädagogisch reflektierte Nutzung digitaler Technologien festsetzen, flächendeckend Angebote einer entsprechenden Qualifizierung unterbreiten. Wenn der Fernunterricht weitgehend digital erfolge, müsse der Schulträger ggf. durch die Bereitstellung entsprechender Hard- und Software dafür Sorge tragen, dass alle Schüler_innen über die gleichen Voraussetzungen verfügen.

Anders gesagt: Schüler_innen ohne Zugriffsmöglichkeiten auf häusliche Computer, Laptops, Tablets oder Smartphones sollten möglichst schnell leihweise mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden. Unverzichtbar ist daher die bedarfsgerechte Ausstattung der Schulen mit Endgeräten. Dafür sollte das Antragsverfahren für Mittel aus dem Digital-Pakt vereinfacht und das 500 Mio. Euro-Bundesprogramm kurzfristig genutzt werden. Bund, Länder und Kommunen sollten sich schnellstmöglich auf eine dauerhafte Förderung der digitalen Bildung in der Schule verständigen.

 

Beratung durch Expert_innen, Entscheidung durch die Politik

Aufgabe der Politik ist es, abzuwägen zwischen dem Recht der Schüler_innen und Lehrer_innen auf körperliche Unversehrtheit, dem Recht junger Menschen auf Bildung und den psychosozialen, familialen und wirtschaftlichen Folgen eines eingeschränkten Präsenzunterrichts. Sich von Expert_innen beraten zu lassen und dann auf dieser Grundlage zu entscheiden, wann und unter welchen Umständen die Schulen wieder geöffnet werden, das liegt in ihrer Verantwortung. Dieser Verantwortung wurden die Schulminister_innen der Länder bisher gerecht. Das müssen auch diejenigen eingestehen, die mit getroffenen Entscheidungen hadern.         

Im März 2020 bewiesen die Schulminister_innen der Länder, dass sie sich in Grundsätzen einig und in der Lage waren, schnell und entschlossen zu entscheiden. So wurde Schleswig-Holsteins Vorstoß, unter den beschwerlichen Umständen geschlossener Schulen auf die Durchführung der Abiturprüfungen zu verzichten, von der KMK im Schnellverfahren abgelehnt. Und einen Monat später – die Infektionstätigkeit war inzwischen weniger hoch als befürchtet – erfüllte die KMK den Auftrag der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident_innen der Länder, ein Konzept für eine schrittweise Öffnung der Schulen vorzulegen, binnen 14 Tagen. Nun geht es darum, Leitlinien für die Gestaltung des Schuljahres 2020/21 zu verabschieden. Bildungspolitik ist – eigentlich immer, aber in Zeiten der Pandemie besonders – Handeln unter Unsicherheit und Zeitdruck. Wie die Bildungsminister_innen bislang damit umgegangen sind, lässt hoffen, dass die Schulen alsbald die nötige Orientierung erhalten.  

 

Burkhard Jungkamp ist Moderator des Netzwerk Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Expert_innenkommission der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Schuljahr 2020/21. Von 2005 bis 2014 war er Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg.