Eine intensivere europäische Sicherheitskooperation in Gestalt der Stärkung Europols könnte zukünftige Terrorangriffe effektiver verhindern.
Seit den Anschlägen in Paris, Brüssel, Berlin, und Nizza wird es immer deutlicher: Europa gerät vermehrt ins Visier terroristischer Angreifer.
Diese Einschätzung wird auch durch die statistische Erhebung „European Union Terrorism Situation and Trend Report 2018“ von Europol bestätigt. Demnach erhöhte sich die Anzahl der Anschläge 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 45%. Mit einem Plus von mehr als 100% verbuchten islamistisch motivierte Attentate den größten Anstieg.
Die Zahlen verwundern nicht. Europa und die USA gelten als Versinnbildlichung des westlichen Lebens, das durch radikale Islamisten abgelehnt und zum Feindbild stilisiert wird. Darüber hinaus haben sich europäische Nationalstaaten in den Kampf gegen den Terrorismus, im speziellen gegen den sogenannten „Islamischen Staat“, eingeschaltet.
„Europa ist beim Kampf gegen den Terrorismus eindeutig nicht auf der Höhe“
Umso erstaunlicher ist, dass bei der Abwehr von Terroranschlägen noch immer einfach vermeidbare Fehler passieren. Es handelt sich meist um eine mangelhafte Kommunikation zwischen nationalen Behörden oder zwischen Behörden verschiedener Nationalstaaten. Dies zeigte sich etwa bei den Anschlägen vom 13. November 2015 in Paris und Saint-Dennis. So konnte der Hauptverdächtige Salah Abdeslam nach den Anschlägen eine französische Kontrolle passieren und nach Belgien ausreisen. Den belgischen Behörden lagen zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerem Informationen über die Radikalisierung Salah Abdeslams vor. Wären diese Informationen in einer europäischen Datenbank vermerkt oder auf sonstigem Weg mit Frankreich geteilt worden, hätte Salah Abdeslam die Kontrolle nicht passieren können.
„Europa ist beim Kampf gegen den Terrorismus eindeutig nicht auf der Höhe“, sagte der französische Abgeordnete und Vorsitzende des Untersuchungsausschusses für die islamistischen Anschläge 2015 und 2016, Sébastian Pietrasanta.
Die EU muss neue Wege gehen, um dem transnationalen Terrorismus effektiv zu begegnen und Anschläge zu verhindern. Um den Terrorismus gemeinsam auf internationaler Ebene zu bekämpft, müssen Informationen verlässlich kommuniziert und gemeinsame Mechanismen konsequent genutzt werden. Eine Möglichkeit dazu bietet der Ausbau der Behörde Europol, die gewährleisten kann, dass Informationen verlässlich gesammelt, ausgewertet und geteilt werden und somit präventive Handlungsmöglichkeiten genutzt werden können.
Ein ungleicher Kampf
Die Stärkung Europols – genau das fordert die von Prof. Dr. Christian Kaunert im Auftrag des Referates Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung verfasste Studie „An Unequal Fight“.
Kaunert, selbst Professor für Sicherheitsstudien und Polizeiwesen an der University of South Wales, beleuchtet zunächst die aktuelle Rolle Europols und den Beitrag der Behörde im Bereich der Terrorabwehr. Der Autor betont die Rolle Europols als eine Art Informationszentrum mit enormen Kapazitäten, verweist jedoch gleichzeitig darauf, dass die Behörde noch zu stark auf nationale Behörden angewiesen sei. Sowohl beim Zusammentragen von Informationen, als auch bei operativen Handlungen ist Europol auf deren Wohlwollen angewiesen. Kaunert fordert, Europol in den kommenden Jahren mit einem größeren Budget und operativen Fähigkeiten auszustatten. Darüber hinaus müsse es für alle Nationalstaaten zur Pflicht werden, ihre geheimdienstlichen Erkenntnisse mit Europol zu teilen.
Ein stärkeres Europol
Nur ein starkes und unabhängiges Europol kann garantieren, dass Informationen international gesammelt, ausgewertet und geteilt werden und auf Basis dieser tatsächlich gehandelt wird.
Daher muss am Ende einer Debatte um Fehler in der Terrorismusbekämpfung folgender Appell stehen: Macht Europol zu einem starken Präventivakteur, der nicht mehr auf das Wohlwollen nationaler Behörden angewiesen ist – nur so kann dem Terrorismus in Europa effektiv begegnet werden.
Ansprechpartner in der Stiftung:
Tobias Fella