Ja, aber…

Die Ergebnisse der jüngsten PISA-Sonderauswertung stellen dem deutschen Bildungssystem kein gutes Zeugnis aus – zum Zeitpunkt 2018. Sie spiegeln aber nicht wieder, dass in den Bereich digitaler Bildung jüngst deutliche Bewegung gekommen ist – und sich der Bildungsföderalismus als flexibel erwiesen hat.

Bild: Martin Pfafferott von Friedrich-Ebert-Stiftung

 

Von Martin Pfafferott

 

Die Ergebnisse der jüngsten PISA-Sonderauswertung stellen dem deutschen Bildungssystem kein gutes Zeugnis aus – zum Zeitpunkt 2018. Sie spiegeln aber nicht wieder, dass in den Bereich digitaler Bildung jüngst deutliche Bewegung gekommen ist – und sich der Bildungsföderalismus als flexibel erwiesen hat.

Gestern legte die OECD die Ergebnisse einer PISA-Sonderauswertung vor. Gegenstand waren insbesondere die digitale Ausstattung von Schulen, die Ressourcen und die Kompetenzen von Lehrkräften und Schüler_innen.

Die Ergebnisse zeigen einmal mehr: Deutschland ist kein Vorreiter in Sachen digitaler Bildung. In manchen Bereichen, etwa was die Lehrkräftefortbildung betrifft, findet sich Deutschland sogar am Ende der Skala OECD-Länder.

Das kann nicht zufriedenstellen. Gerade der Befund, dass die Digitalisierung von Bildung Chancenungleichheiten noch vertiefen kann, darf nicht ruhen lassen. Ohnehin benachteiligte Schüler_innen haben oftmals erschwerten Zugang zu digitaler Infrastruktur, ihre Lehrkräfte weniger digitale Kompetenzen.

Die mediale Resonanz war erwartbar, und sie ist gekommen: Vom Armutszeugnis ist die Rede, vom digitalen Abseits. Natürlich muss Kritik zugespitzt werden können. Doch müssen die Befunde auch eingeordnet werden:

Die Befragung wurde im Jahr 2018 durchgeführt, lange vor Corona und damit lange vor den aktuellen bildungspolitischen Entwicklungen. Das heißt: Aus den Zahlen lässt sich zwar durchaus schlussfolgern, dass die digitale Grundausstattung zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Corona-Pandemie nicht zufriedenstellend war. Es ist aber falsch, daraus den Schluss zu ziehen, die Bildungspolitik habe in der Corona-Krise versagt.

Natürlich werden die Reaktionen von Bund und insbesondere der Kultusministerien und der Kultusministerkonferenz nicht allen weit genug gehen. Und doch lohnt in Erinnerung zu rufen, welche Maßnahmen jüngst ergriffen worden sind:

500 Millionen Euro wurden für die Bereitstellung von Laptops für benachteiligte Schüler_innen bereitgestellt, die gleiche Summe für die Ausstattung aller Lehrkräfte mit Dienstlaptops und – vielleicht am wichtigsten: Mit ebenfalls 500 Millionen Euro beteiligt sich der Bund an der Ausbildung und Finanzierung technischer Administrator_innen an Schulen. Wer Lehrkräften und Schulleitungen zuhört, weiß: Genau an der Stelle besteht oft der größte Bedarf, eben weil Lehrkräfte neben ihren pädagogischen Aufgaben nicht nebenbei eben mal so den IT-Wart der Schule spielen können.


3 x 500.000.000 und flexibler Bildungsföderalismus

Die Formel „3 x 500 Millionen“ ist griffig, politisch ist aber ein anderer Effekt noch bedeutsamer: Bund und Länder agieren in Fragen digitaler Bildung miteinander. Allein der Umstand, dass ein Schulgipfel mit Beteiligung der Bundeskanzlerin, der SPD-Vorsitzenden und alle Kultusminister_innen stattfindet, zeigt, dass die Architektur des bundesdeutschen Bildungsföderalismus durchaus flexibel sein kann, wenn es darauf ankommt.

Gerade im Bereich digitaler Bildung erleben wir in dieser Architektur derzeit Verschiebungen, die es ohne Corona nicht gegeben hätte. Wer hätte vor einem Jahr geglaubt, dass der Bund eine Bildungsplattform entwickeln soll, die die Angebote der Länder vernetzt? Dass Bund und Länder gemeinsam intelligente tutorielle Systeme entwickeln, die Digitalisierung der Bildung auf eine qualitativ hochwertige Stufe heben sollen? Dass sie gemeinsam bei der Entwicklung von Open Educational Ressources vorangehen?

Wer hätte gedacht, dass regionale digitale Kompetenzzentren entstehen sollen, die Schulen vor Ort unterstützen, sie beispielsweise mit Hochschulen vernetzen, die Fortbildungsangebote von Lehrkräften erweitern? Gerade die Kompetenzzentren haben das Potenzial, echte Meilensteine bei der digitalen Entwicklung von Schulen zu spielen – und zwar insbesondere im Hinblick auf digitales Unterrichten und die Schulentwicklung.

Das alles kommt zu spät, mag man einwenden, sind bloße Ankündigungen. All die Initiativen und Entwicklungen hätten auch ohne Corona und schon früher kommen müssen, mag mancher sagen. All das mag stimmen. Wahr ist aber auch: Für fast nichts im Leben ist es wirklich zu spät. Und wie auch sonst im Leben gilt: Lamentieren allein bringt nichts, man muss auch anpacken. Die jüngsten Beschlüsse sind ein Anfang.

 

Dr. Martin Pfafferott leitet den Bereich Bildung und Wissenschaft der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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