Besser kommunizieren – Europa richtig erzählen!

Wir kennen Europas reale Chancen, doch die Rechtspopulisten wissen, wie sie Europa digital zerreden.

Vom Erstaunen nach der Trump-Wahl 2016 will niemand mehr hören. Die Geschichte ist zu oft erzählt worden. Und trotzdem zeigt sie auf, wie weh es tut, wenn die Demokratie sich in Sicherheit wiegt und vergisst, am Ball zu bleiben.

Ähnlich scheint es auch  SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ergangen zu sein, der auf Podiumsdiskussionen ebenfalls dieses schon schulbuchartige Beispiel des „morning after Trump“ bemüht hatte und von einem „wochenlangen Kater“ sprach. So auch Anfang April, im Forum Berlin der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Nicht nur dieser Kater nach der US-Präsidentschaftswahl, oder nach dem Brexit – beides die Phänomene, die Demokrat_innen so gänzlich unvorhergesehen in die friedliebende Parade gefahren waren – sondern auch die allseits beschworene Fragmentierung unserer Gesellschaft stellen Europa derzeit auf eine harte Probe. Auch wenn die Wahlen zum Europäischen Parlament Ende Mai nicht die schlimmsten Erwartungen erfüllt hat, was den prognostizierten Rechtsruck angeht, bleibt doch die Frage virulent, wie sich Europa nun aufstellt, welche Politikvision Mehrheiten findet.

Wie lassen sich Narrative entwickeln und warmhalten, die ein progressives Europa sichern? Ein Europa, in dem ich nicht am Wochenende den Vorgarten umgrabe, um mich mit einem privaten Grenzzaun vor einer irrealen, diffusen, von rechts kommunizierten Gefahr zu wappnen.

Entwicklungspflicht für Demokrat_innen

Im Ringen um die wirksamen Narrative muss man anerkennen, dass die rechten Kräfte momentan rein methodisch deutlich wacher sind. Rechtsextreme Parteien und populistische Strömungen wissen dem Trotz etwa eines Drittels der Europäer_innen ein entsprechendes Gegenangebot zu stellen.

Überhaupt herrscht in progressiven Kreisen international Einigkeit, dass die energische und oft eben auch zielstrebige Art der Rechtspopulist_innen zwar schneller das gewünschte Ziel erreicht, dabei aber allerhand umwirft und auf lange Zeit zerstört. Wie wichtig es ist, sich nicht in Sicherheit zu wiegen, sondern sich weiterzuentwickeln, um im Kampf um die Demokratie gestaltungsfähig zu bleiben, zeigt momentan jeder rechtspopulistische Moment in der Öffentlichkeit.

Ein solcher Wunsch nach zeitgemäßem Handeln und nach pragmatischen und weiterhin nahbaren Lösungen ist auch von Seite des Publikums in den nachmittäglichen Debattierklubs der FES-Konferenz zu spüren. „Debate. Protect. Live. Europe!“ war der Titel und der internationale Austausch von Medien, Zivilgesellschaft und Politik war das Ziel. Von Medienseite wie vom Empfänger betrachtet, aus Politiksicht und auch mit Blick auf ein digitales Europa: das Bedürfnis, Lösungen greifbar und umsetzbar zu formulieren, schwingt überall mit.

Es kann keine leere Phrase bleiben, dass auch diejenigen sich weiterentwickeln müssen, die der Demokratie offen wohlgesonnen gegenüberstehen und sich untereinander darin bekräftigen, dass Freiheit und Gleichheit Werte sind, die es unbedingt zu schützen gilt. Die Gefahr im Ausruhen auf Errungenschaften vergangener Jahrzehnte wird aktuell umso deutlicher und macht allerorts klar: Ein freundliches Zunicken der „neuen“ Medien, während weiter fleißig die politische Parole aufs Schiefertäfelchen gemeißelt wird, darf nicht weiter das Mantra sein.

Digital und Analog verbinden: Einfach machen!

Jawohl, nach vorne gehen und jawohl, dort vorne dann auch die digitalen Möglichkeiten endlich wahrnehmen, sich deshalb trotzdem nicht von den Interessen der Plattformen übervorteilen lassen. Dabei darf es einerseits natürlich nicht bei einer seelenlosen Facebookseite bleiben, da sind sich Klingbeil und die anderen Podiumsgäste einig. Das Potenzial der Reichweitengenerierung, des Kontakts mit Demokratiefreund_innen überall und auf diversen Plattformen und mit diversen Methoden muss professionell etabliert werden, so der Online- und Framingprofi Johannes Hillje. Gleichzeitig darf selbstredend der Teil der Gesellschaft nicht schlicht auf die Resterampe geschoben werden, der sich den „neuen“ Medien verspätet öffnet. Eine Kombination muss denkbar und irgendwann auch Realität sein, etwa Events, die live gestreamt und über die sozialen Netze verbunden werden, über Foren kann live mitdiskutiert werden. Und im Idealfall gibt es anschließend ein Bier, eine Mate oder einen Kaffee bei einem gemeinsamen lokalen Treffen, bei dem Alles Revue passiert. Denn nur eines kann die Demokratie den Rechten überlegen machen: Aktivität. Oder, wie Klingbeil sagen würde: „Runter vom Sofa für Europa!“

Ansprechpartnerin in der Stiftung

Franziska Schröter

Projekt "Gegen Rechtsextremismus"

 

Studie "Verlorene Mitte - Feindselige Zustände: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19"

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