Wir trauern um Erhard Eppler

Eppler 1969

Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammen–arbeit im Wahlkampf für die Bundestagswahl 1969. (Foto: J.H. Darchinger/FES)

Eppler 1974

SPD-Vorsitzender Willy Brandt, Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammen–arbeit Erhard Eppler, 1974 (Foto: J.H. Darchinger/FES)

Eppler 1987_1

Diskussionseröffnung zum neuen SPD-Grundsatz–programm in München am 18.9.1987. (Foto: J.H. Darchinger/FES)

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Deutsch-deutsche Gespräche in Bonn; mit Otto Reinhold, Direktor der Akademie für Gesellschaftswissenschaften des Zentralkomitees der SED, 1987. (Foto: Frank und Marc Darchinger)

Eppler 1991

Auf dem SPD-Parteitag in Bremen am 29.5.1991. (Foto: J.H. Darchinger/FES)

Mit Erhard Eppler ist einer der großen Querdenker der SPD am 19. Oktober 2019 in Schwäbisch Hall gestorben

Am 9. Dezember 1926 in Ulm geboren, wuchs Erhard Eppler als viertes von sieben Kindern in einem liberalen Elternhaus auf. Er studierte Germanistik und Geschichte, promovierte 1951 zum Dr. phil. und war acht Jahre lang im Schuldienst tätig. Sein politisches Engagement begann mit der Ablehnung der Wiederbewaffnung. 1952 war er Mitbegründer der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) Gustav Heinemanns, seiner späteren politischen Leitfigur, dem nachmaligen ersten sozialdemokratischen Bundespräsidenten. Eppler verließ die GVP und trat im Januar 1956 in die SPD ein, da seiner Ansicht nach "dort Friedrich Naumanns Ideen konsequenter verarbeitet würden als bei den Freien Demokraten". Im Herbst 1961 kam er über die baden-württembergische Landesliste in den Bundestag, dem er bis 1976 angehörte. 1967/1968 wurde er außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Zahlreiche Ämter in Partei, Landes- und Bundespolitik

In den Landesvorstand der SPD Baden-Württemberg wurde er 1968 auf dem Landesparteitag in Mannheim gewählt. Ebenfalls 1968 wurde Eppler in der Großen Koalition zum Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt. Diesem Amt verlieh er nach Beobachtermeinung ein "idealistisches Profil". Nachdem Willy Brandt 1974 zurückgetreten war, sah Eppler unter Bundeskanzler Schmidt wenig Spielraum für seine entwicklungspolitischen Anliegen und reichte seinen Rücktritt als Minister ein. Von 1973-1981 war er Landesvorsitzender der SPD in Baden-Württemberg, die er zu einer ökologisch orientierten Partei fortentwickeln wollte. Von 1976-1982 war er Mitglied des Landtages Baden-Württemberg und 1976-1980 Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Nach seinem Rücktritt vom Landes- und Fraktionsvorsitz engagierte er sich stark in der Friedens- und Ökologiebewegung und schrieb sich eine "Scharnierfunktion" zwischen der SPD und der Friedensbewegung zu.

Als Mitglied des Parteivorstands (1970-1991) und des Präsidiums (1973-1982, 1984-1991), Vorsitzender der Grundwertekommission (1973-1992) und stellvertretender Vorsitzender beider Programmkommissionen der SPD (1985-1989) wurde er zu einem der wichtigsten Moderatoren, Nachdenker und Formulierer der SPD im Nachkriegsdeutschland. Unter seiner Federführung entstand der "Irseer Programmentwurf" (1986), der die Grundlage für das spätere "Berliner Programm" (1989) darstellte.

Von der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder forderte Eppler ein "Gesamtkonzept" und erhob öffentlich Einwände gegen Begriffe wie "Neue Mitte" und "Dritter Weg", wie sie im sogenannten Schröder/Blair-Papier zur Erneuerung der Sozialdemokratie 1999 beschrieben wurden.

Engagement in der evangelischen Kirche und für den innerdeutschen Dialog

In der evangelischen Kirche übernahm Eppler in der Zeit von 1968-1984 eine Reihe von kirchenpolitischen Ämtern. So war er Mitglied der EKD-Synode und im Vorstand des Deutschen Evangelischen Kirchentags sowie mehrfach Präsident des Evangelischen Kirchentags. Während der gesamten Zeitspanne seines kirchenpolitischen Wirkens unterhielt Eppler engen Kontakt zu evangelischen Christen in der DDR.

Eppler nahm sich überdies des schwierigen innerdeutschen Gesprächs zwischen SPD und SED an. Im August 1987 stellte er zusammen mit dem Ostberliner Professor Otto Reinhold das erste gemeinsame Grundsatzpapier von Sozialdemokraten und SED-Politikern vor ("Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit"), das in zweijähriger Arbeit entstand und auf ein geteiltes Echo stieß.

Vor- und Querdenker der Sozialdemokratie

Der oft als Vor- und Querdenker der Sozialdemokraten Bezeichnete war daneben umfassend publizistisch mit Beiträgen zur Ökologie- und Friedensbewegung sowie Erinnerungen aus dem Alltag im Dritten Reich tätig. In seinem Buch "Auslaufmodell Staat?", für das er von der FES mit dem Preis "Das politische Buch" ausgezeichnet wurde, warnte er bereits 2005 davor, dass die große Gefahr des 21. Jahrhunderts in einem handlungsunfähigen, erpressbaren Staat läge. Ebenso stark beschäftigte ihn die Frage, wie die globalen, anonymen Finanzmärkte von einer demokratischen Gesellschaft kontrolliert und eingedämmt werden können.

Als Mitglied des FES-Kuratoriums und wichtiger Impulsgeber für politische Diskussionsprozesse hat er im Rahmen von FES-Veranstaltungen öffentliche Debatten maßgeblich angeregt. So etwa 1999 in einer Podiumsdiskussion des FES Gesprächskreises Geschichte unter dem Titel "Mein Vater war doch kein Verbrecher – und doch hat er einem verbrecherischen Regime gedient" oder 2002 im Gespräch Epplers mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker in der FES Berlin über die politische Kultur der Wahlkämpfe und des Regierens. Seinen Nachlass hat er dem Archiv der sozialen Demokratie überantwortet.

Die FES wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.