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Kurzgefasst und eingeordnet von Anne-Kathrin Weber. Anne-Kathrin Weber ist promovierte Politikwissenschaftlerin, freie Journalistin und Rezensentin.
Deutschlands Superreiche sind schwer zu fassen. Denn nur einige wenige stellen sich für Interviews zur Verfügung, und die Datenlage zu Reichtum in Deutschland ist mehr als dünn. Das ist politisch gewollt, genauso wie die zahlreichen legalen Möglichkeiten, Steuern zu umgehen. Auch bei der grundsätzlichen Besteuerung von Vermögen ist die Politik auffällig handlungsunfähig. Es bedarf eines tragfähigen politischen Rahmens, um die Lasten zukünftig besser zwischen den Superreichen und dem Rest der Gesellschaft zu verteilen – eine Forderung, die auch einige Vermögende unterstützen.
Die soziale Marktwirtschaft schafft sinnvolle Anreize, um Wohlstand und Innovation zu fördern, und trägt damit zum Wohl der Gemeinschaft bei. Reichtum ist daher nicht per se zu verurteilen – das sorgt nur dafür, dass sich die Fronten zwischen den Reichen und dem Rest der Gesellschaft weiter verhärten. Allerdings gilt es, das Steuersystem anzupassen, um Vermögen stärker zu besteuern und über Grenzen hinsichtlich der Höhe von Reichtum nachzudenken.
Julia Friedrichs ist Journalistin und arbeitet als Autorin von Reportagen und Dokumentationen für ARD und ZDF sowie für die Wochenzeitung „Die Zeit“. Für ihre Arbeit wurde sie mit zahlreichen Preisen, u. a. dem Grimme-Preis, ausgezeichnet.
Wer zum Thema Reichtum in Deutschland recherchiert, stößt gleich zu Beginn auf ein Problem – nämlich, dass es keine einheitliche Definition dessen gibt, ab wann man als reich gilt:
„Ab rund 750 000 Euro Haushaltsvermögen gehört man, nach den Daten der Bundesbank, zu den oberen 10 Prozent. Viele Forscher setzen die Grenze allerdings höher: Reich sei, wer allein aus seinem Vermögen heraus so viel Ertrag erziele, dass er davon auch ohne Erwerbsarbeit gut leben könne. Je nach Zinslage liegt die Schwelle dafür bei zwei, vielleicht drei Millionen.“
Das viel größere Problem liegt allerdings darin, dass Deutschland nicht über belastbare und umfangreiche Statistiken über den Reichtum seiner Bürger_innen verfügt: „In einem Land, das zwar präzise über die Zahl der Übernachtungen auf seinen Campingplätzen oder die Hundesteuer, aufgeschlüsselt nach Bundesland, Auskunft geben kann, werden diese Zahlen von Amts wegen nicht erhoben.“ Der Staat entzieht sich hier einer wichtigen Verantwortung, indem er diese Daten nicht erhebt. Diese Lücke – man kann sogar von einem „Schweigekartell“ sprechen – ist auch für die Forschung ein gravierendes Problem. Viele Untersuchungen über Superreiche in Deutschland bleiben ungenau. Nur durch das Engagement von Interessierten und Redaktionen, die diese Daten akribisch recherchieren, können wir trotzdem einiges über diejenigen erfahren, die über großen Reichtum verfügen – zum Beispiel, dass die „Welt der Superreichen […] immer noch eine männlich dominierte“ ist.
Außerdem gilt: Großer Reichtum, der über reinen Wohlstand hinausgeht, entsteht in aller Regel nicht durch ein hohes Einkommen, sondern durchs Erben. Diese Tatsache entkräftet das gerade auch von einigen Vermögenden kolportierte Narrativ, Reichtum stünde allen offen – wenn man nur hart genug dafür arbeite. Es ist zwar richtig, dass viele Superreiche umtriebig und sehr leistungsbereit sind. Einige beziehen auch ein Gehalt. In der Regel verfügen sie darüber hinaus aber auch über vielfältige andere Möglichkeiten, ihren Reichtum zu vermehren, zum Beispiel über Immobilienbesitz oder Familienunternehmen.
In der Theorie gilt zwar: Wer viele Einkünfte hat, der muss auch viele Steuern zahlen: „Da ist die Lohnsteuer auf vielleicht ein Geschäftsführergehalt, da sind die Kapitalertragssteuern, zum Beispiel auf Dividenden, da sind die Steuern auf vermietete Immobilien, Unternehmenssteuern im In- und Ausland, Gewinne, die nicht ausgeschüttet werden, sondern in der Holding verbleiben, und so weiter und so fort.“ In der Praxis gibt es aber Berater_innen, die Superreichen dabei helfen, möglichst wenig Steuern zu bezahlen, ohne dabei Gesetze zu brechen: „Diese ‚Schlupflöcher‘ […] sind in aller Regel völlig legal. […] Jemand hat sie den ‚Gestaltern‘ gelassen. Und dieser Jemand ist: der Gesetzgeber, das Parlament, die Politik.“ Auch einige Beamt_innen des Bundesfinanzministeriums beraten im Rahmen von Nebentätigkeiten zu den Möglichkeiten, die Steuerlast für Superreiche möglichst niedrig zu halten.
Spätestens hier stellt sich unweigerlich die Frage, wie gerecht das deutsche Steuersystem eigentlich ist: „Warum ist es mit denen, die ihr Geld ausschließlich mit Erwerbsarbeit verdienen, so streng und lässt denen, die schon ein Vermögen besitzen und deren Einkünfte hauptsächlich als Ertrag ihres Kapitals zu ihnen fließen, Lücken, durch die Berater sie führen können?“ Klar ist: Der politische Wille fehlt, die Steuerlast gerechter nach oben hin zu verteilen: „Es scheint die einfache, die bequeme, vielleicht die feigere Methode zu sein, das Geld in der Mitte abzuschöpfen statt am obersten Ende.“
Diese Ungerechtigkeit trägt zur zunehmenden Polarisierung unserer Gesellschaft bei – ein Fakt, den auch einige Superreiche öffentlich scharf kritisieren. Es braucht daher eine Politik, die den Rahmen für ein Übereinkommen zwischen den Superreichen und dem Rest der Gesellschaft schafft, die Lasten gemeinsam zu tragen. Das heißt, dass Vermögen stärker besteuert werden sollten – und dass wir uns im Klaren darüber sein müssen, dass viel Geld auch viel Macht und Einflussnahme bedeutet: „Vermögen vervielfacht die Wucht der Meinungen, der politischen Interessen, der Bedürfnisse Einzelner. Das beißt sich mit dem Grundprinzip der Demokratie, in der jede Stimme gleich viel zu zählen hat.“
Wir sollten auch darüber sprechen, dass Reichtum zu überbordender Dekadenz führen kann, die das Klima und damit unser aller Zukunft bedroht. Auch aus diesen Gründen sollte dem Reichtum durch die Politik ab einem gewissen Punkt eine Grenze gesetzt werden. Was wir hingegen tunlichst vermeiden sollten, ist, Reiche für ihren Reichtum per se zu verurteilen: „Jedes Land braucht funktionierende Unternehmen. Jede Gesellschaft braucht Menschen, die etwas wagen, die Verantwortung übernehmen.“
Anders als der etwas reißerische Titel des Buches vermuten lässt, hat es kein simples Reichen-Bashing zum Thema. „Ich glaube, dass vor dem Urteil immer das Verstehen kommen muss“, schreibt Julia Friedrichs. Diesem Anspruch wird sie vorbildlich gerecht: Respektvoll geht die Autorin mit ihren reichen Gesprächspartner_innen und deren Mitarbeitenden um, die ihr für ihre Recherche Rede und Antwort gestanden haben. Viele Aussagen lässt sie für sich stehen, und wenn sie sie kritisch einordnet, dann ohne die Polemik, die sich andernorts oft in die Debatte um soziale Ungleichheit und Steuergerechtigkeit mischt. Mit Crazy Rich hat Julia Friedrichs eine reflektierte Analyse vorgelegt, in der sie pro Marktwirtschaft und Vermögen, aber eben auch nachdrücklich für eine stärkere politische Kontrolle des Reichtums in Deutschland plädiert.
Verlag: PiperErschienen: 29.08.2024Seiten: 384EAN: 978-3-8270-1512-9