100 Jahre FES! Mehr erfahren

Grundnüchtern: 25 Jahre UN-Sicherheitsratsresolution 1325 und die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“

Warum die Bundesregierung gerade jetzt die Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ als langfristige Investition in nachhaltige Friedens- und Sicherheitspolitik vorantreiben sollte.

 

 

25 Jahre nach der Verabschiedung der UN-Resolution 1325 braucht es eine klare Haltung der Bundesregierung zur Agenda „Frauen, Frieden, Sicherheit“. Sie steht weltweit unter Druck und wird immer wieder auf eine kurzfristige sicherheitspolitische Nützlichkeit reduziert – und doch war sie selten so relevant wie heute. Unsere neue Publikation „Grundnüchtern: Weshalb die Bundesregierung gerade jetzt in die Agenda »Frauen, Frieden und Sicherheit« investieren sollte“ liefert Empfehlungen für die Ausgestaltung eines neuen wirksamen Aktionsplans der Bundesregierung zur Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ für eine nachhaltige Friedenspolitik.

Mit seinem Amtsantritt kündigte Außenminister Johann Wadephul einen „grundnüchternen“ Kurs der Außenpolitik an – sicherheits- und interessengeleitet. Dennoch bekennt sich die Bundesregierung grundsätzlich zur Agenda „Frauen, Frieden, Sicherheit“ (WPS). In außenpolitischen Debatten dominiert zunehmend der Fokus auf nationale Interessen. Geschlechtergerechtigkeit wird dann aufgegriffen, wenn sie als strategisch nützlich erscheint. Dass sie dies tatsächlich ist, zeigen zahlreiche Studien: So erhöhen Friedensabkommen mit substanzieller Beteiligung von Frauen deren Bestand für 15 Jahre um 35 Prozent.

 

Resolution 1325: 25 Jahre Frauen, Frieden und Sicherheit

Die WPS-Agenda ist mehr als ein Mittel zum Zweck. Sie ist ein normativer Kompass in krisenhaften Zeiten – gerade angesichts multipler Gewaltkonflikte weltweit. Gleichzeitig wächst der internationale Gegenwind: Die US-Regierung wendet sich zunehmend von der WPS-Agenda ab. In multilateralen Foren wird der Begriff „Gender“ immer häufiger bekämpft. Diese Entwicklungen zeigen: Der politische Raum für Geschlechtergerechtigkeit schrumpft. Deshalb ist eine klare Positionierung Deutschlands wichtiger denn je.

Der anstehende 25. Jahrestag der Resolution 1325 im Oktober bietet ein strategisches Zeitfenster. Bis dahin braucht es einen neuen, ambitionierten Nationalen Aktionsplan (NAP). Der Alte ist ausgelaufen – ein Anschluss fehlt bislang. Was braucht es nun?

 

Drei zentrale Punkte für einen wirksamen neuen NAP

  1. Kohärenz: Die Agenda muss ressortübergreifend gedacht werden – zwischen Auswärtigem Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Kanzleramt. Der geplante Nationale Sicherheitsrat kann WPS-Themen strukturell verankern. Kohärenz bedeutet aber auch: transparente, abgestimmte und ausreichende Finanzierung. Maßnahmen der Agenda müssen als Teil des sicherheitspolitischen Engagements mitgedacht – und mitfinanziert – werden.
  2. Ressourcen: Zivilgesellschaftliche Expertise darf nicht nur konsultiert, sondern muss institutionell eingebunden werden. Politische Prozesse profitieren vom Wissen lokaler Akteur_innen – und von vertrauensvollen, langfristig finanzierten Partnerschaften.
  3. Allianzen: Deutschlands Netzwerke in multilateralen Foren wie UN, NATO, OSZE und EU bieten starke Anknüpfungspunkte. Die WPS-Agenda gehört auch auf die Agenda der UN-Sicherheitsratskandidatur Deutschlands 2027-28. Und national? Breiter parteiübergreifender Konsens und parlamentarische Mitwirkung bieten eine solide Basis.

Was dabei nicht passieren darf: eine sicherheitspolitische Verengung der Agenda. Derzeit droht WPS auf Frauenquoten im Militär reduziert zu werden – doch der Anspruch ist weit größer. Es geht um die strukturelle Transformation von Sicherheitspolitik. Um Prävention statt Reaktion. Um Partizipation statt paternalistischer Schutzversprechen. Und um ein Sicherheitsverständnis, das auf Verwundbarkeit und Handlungsfähigkeit gleichermaßen blickt.

 

Die vier zentralen Säulen der WPS-Agenda

Die WPS-Agenda liefert das nötige Rahmenwerk – mit ihren vier Säulen Partizipation, Prävention, Schutz und Wiederaufbau. Sie zeigt, dass Geschlechtergerechtigkeit kein »Gedöns« ist, sondern zentrale Voraussetzung für nachhaltige Friedensprozesse. Wer in diese Agenda investiert, investiert in Resilienz – außenpolitisch wie gesellschaftlich.

 

  1. Partizipation beschreibt die gleichberechtigte und aktive Beteiligung von Frauen in allen Phasen von Friedens- und Sicherheitsprozessen. Insbesondere bei politischen Entscheidungsprozessen sehen wir einen großen Gap, denn die bei zivilgesellschaftlichen Peacebuilding-Aktivitäten gewöhnlich hohe Repräsentation von Frauen bildet sich in formellen Entscheidungsprozessen nicht ab.
  2. Prävention bezeichnet die Einbeziehung einer Gender-Perspektive in Frühwarnsysteme, Konfliktanalysen und präventive Diplomatie. Diese Maßnahmen sollen gezielt geschlechtsspezifischer Gewalt vorbeugen. Doch nicht nur das – auch die Prävention von Konflikten allgemein soll gestärkt werden.
  3. Die dritte Säule bezieht sich auf den Schutz von Frauen und Mädchen vor sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt, besonders in bewaffneten Konflikten. Gleichzeitig benennt sie die Sicherstellung des Zugangs zu rechtlichem Schutz und medizinischer Versorgung als zentralen Aspekt.
  4. Die letzte Säule Soforthilfe und Wiederaufbau stellt die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Bedürfnisse beim Wiederaufbau nach Konflikten (z.B. bei der Verteilung von Ressourcen, im Bildungs- und Gesundheitssektor) sowie die Unterstützung von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt in den Fokus.

Publikation

Stamm, Leonie

Grundnüchtern

weshalb die Bundesregierung gerade jetzt in die Agenda "Frauen, Frieden und Sicherheit" investieren sollte

Zum Download (PDF)


Zur Publikation


Über die Autorin

Leonie Stamm ist seit 2021 Research Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Sie arbeitet zu Gender sowie feministischen Ansätzen in der Außen- und Sicherheitspolitik, u.a. die Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ und Feministischer Außen- und Entwicklungspolitik.

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Bleiben Sie international informiert – mit unserem Newsletter

 

Erhalten Sie alle zwei Wochen aktuelle Beiträge aus der internationalen Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung direkt in Ihre Inbox.

 

Jetzt abonnieren!


„Good Society“, die „Gute Gesellschaft“ - Was macht eine solche Gesellschaft aus?

zur Startseite des Projekts

nach oben