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Obsession Wettbewerbsfähigkeit

Die Analyse beleuchtet anhand von fünf Thesen zentrale Probleme der Obsession mit Wettbewerbsfähigkeit und zeigt Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung auf.

Wettbewerbsfähigkeit ist wieder auf der europäischen Agenda. Kaum ein wirtschaftspolitisches Schlagwort prägt die aktuelle Debatte so stark wie dieses – ob in nationalen Reformprogrammen oder in Brüsseler Strategien. Versprochen werden Wachstum, Stabilität und Zukunftsfähigkeit. Doch erweist sich das Leitbild der Wettbewerbsfähigkeit als trügerisch.

Diese Kurzstudie zeigt, dass ein Wettbewerb um niedrigere Lohnkosten, gelockerte Standards und geringere Sozialausgaben nicht zu mehr Wohlstand führt, sondern im Gegenteil die Nachfrage, Investitionen und Produktivität schwächt. Für die Staaten der Europäischen Union bedeutet dies: Anstatt in eine Sackgasse des „Race to the Bottom“ zu geraten, ist eine Neuausrichtung der gemeinsamen Wirtschaftspolitik erforderlich.

Die Analyse beleuchtet anhand von fünf Thesen zentrale Probleme der Obsession mit Wettbewerbsfähigkeit und entwickelt Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung. Zentral dafür ist ein hochwertiger Wettbewerb, der Produktivität, Innovation und soziale Stabilität stärkt – geprägt durch eine hohe Tarifbindung, eine europäische Lohnkoordination und den Abbau wirtschaftlicher Ungleichgewichte. Nur so kann Europa den Krisen und Herausforderungen – von Klimaneutralität bis zu geopolitischen Machtverschiebungen – gerecht werden.
 

5 Thesen für einen produktiven Wettbewerb

These 1: Es ist unmöglich, gesamtwirtschaftlich die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Wettbewerbsfähigkeit ist ein relatives Konzept: Eine Steigerung auf gesamtwirtschaftlicher Ebene ist unmöglich, da Verbesserungen einzelner Akteure immer auf Kosten anderer gehen. Für nachhaltigen Wohlstand ist Produktivität entscheidend, da sie absolut gesteigert werden kann.
 

These 2: Eine Verbesserung der Lebensstandards geht nur über eine höhere Produktivität.

Die EU hat Wettbewerbsfähigkeit zum Leitmotiv erhoben, jedoch fehlen kohärente Strategien für Produktivität, Investitionen oder industrielle Entwicklung. Entscheidend ist die Qualität des Wettbewerbs: Fördert er Innovation und Strukturwandel oder lediglich Kosten- und Lohnsenkungen? Nur ein produktivitätsorientierter Wettbewerb schafft nachhaltiges Wachstum.
 

These 3: Die Fixierung auf Wettbewerbsfähigkeit untergräbt die Binnennachfrage.

Die Fixierung auf Wettbewerbsfähigkeit verleitet dazu, Vorteile vor allem durch Lohnsenkungen, Ausgabenkürzungen und Standardabbau zu erzielen. Diese Maßnahmen wirken zwar kurzfristig, schwächen jedoch die Binnennachfrage und bremsen das Wachstum. Eine tragfähige europäische Wirtschaftspolitik muss die EU als weitgehend geschlossene Volkswirtschaft betrachten und die Binnennachfrage stärken.
 

These 4: Die Obsession mit der Wettbewerbsfähigkeit hat Europa wirtschaftlich geschadet.

Die einseitige Fixierung auf Wettbewerbsfähigkeit belastete insbesondere die schwächeren EU-Länder. Kürzungen bei Löhnen und Ausgaben schwächten die Nachfrage, bremsten Investitionen und Innovationen und führten zu einem stagnierenden Produktivitätswachstum sowie einer nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik.
 

These 5: Nicht mehr Wettbewerb, sondern besserer Wettbewerb ist der Schlüssel.

Ein nachhaltiges Wachstum lässt sich nicht durch kurzfristige Kostensenkungen, sondern nur durch Investitionen, Innovationen und Strukturwandel erreichen. Ein Wettbewerb, der auf Produktivitätsfortschritte ausgerichtet ist, ermöglicht es, die Produktivität kollektiv zu steigern, wirtschaftliche Stabilität zu sichern und die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas langfristig zu stärken.

Über den Autor

Dr. Patrick Kaczmarczyk ist Ökonom an der Universität Mannheim und Redakteur bei Surplus. Zuletzt war er Leiter für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen beim Wirtschafts­forum der SPD und UNO-Berater.


Kaczmarczyk, Patrick

Obsession Wettbewerbsfähigkeit

Ein Wachstumsversprechen auf dem Prüfstand
Bonn, 2025

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