100 Jahre FES! Mehr erfahren

Abtreibung

Was bedeudet Abtreibung?

Abtreibung ist die gezielte Beendigung einer ungewollten Schwangerschaft. Laut Statistischem Bundesamt kam es im Jahr 2020 zu rund 100 000 Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland. 81 % wurden ambulant in Arztpraxen durchgeführt. Häufig sind es Mädchen und sehr junge Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen. Aber auch Frauen, die schon mehrere Kinder haben, entscheiden sich manchmal gegen ein weiteres Kind.

 

Der Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland grundsätzlich nach § 218 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Unter der Voraussetzung, dass eine Schwangerschaftskonfliktberatung stattgefunden hat, ist die Abtreibung bis einschließlich der 12. Woche nach der Empfängnis straffrei. Bei einer medizinischen oder kriminologischen Indikation ist der Abbruch ebenfalls erlaubt.

 

Das Recht auf Abtreibung war ein zentrales Thema der westdeutschen Frauenbewegung. Mit dem Slogan „Mein Bauch gehört mir“ gingen in den 1970er Jahren Frauen gegen die staatliche Bevormundung auf die Straße. Sie forderten die Abschaffung von § 218 StGB. In der Zeitschrift STERN hatten 1971 prominente Frauen an einer von Alice Schwarzer initiierten Selbstbezichtigungsaktion teilgenommen: „Wir haben abgetrieben“.

 

Die öffentliche Diskussion ist bestimmt von der Frage, wann beginnt menschliches Leben. Frauen wird kein Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper zugestanden. In die massive Ablehnung der Selbstbestimmung mischen sich konservative, religiöse bis zu fundamentalistische Ansichten mit einer patriarchalischen Haltung. Auf Gesetzgebungsebene macht sich in der Abtreibungsfrage die fehlende Parität bemerkbar: Es sind vorrangig Männer, die die Gesetze machen. In vielen Ländern weltweit, wie beispielsweise neuerdings auch wieder in Polen, wird Frauen das Recht auf Abtreibung teilweise oder gänzlich verwehrt.

 

In Deutschland führen fundamentalistisch oder auch christlich-orthodox orientierte Abtreibungsgegner* innen von Zeit zu Zeit Demonstrationen mit dem Titel „Marsch für das Leben“ durch. Gut organisiert unterhalten sie Beratungsstellen mit seriös aufgemachten Websites. Die Beratung ist jedoch, anders als etwa bei Pro Familia, nicht ergebnisoffen.

 

Zur rechtlichen Situation: 1974 verabschiedete der Bundestag die Indikationenlösung. Sie sah Straffreiheit bei Vorliegen von sozialen, medizinischen oder kriminologischen Gründen vor. Die Regelung wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht 1975 gekippt. Es forderte die Gesetzgebung auf, eine Fristenlösung mit Beratungszwang zu verabschieden. Der solchermaßen reformierte § 218 StGB gilt bis heute. In der DDR war der Schwangerschaftsabbruch dagegen straffrei möglich. Mit der Wiedervereinigung musste die westdeutsche Regelung auch für die ostdeutschen Bundesländer übernommen werden. Im August 2021 hat sich der Fachkongress „150 Jahre § 218 Strafgesetzbuch“ gegen die fortwährende Kriminalisierung der Abtreibung ausgesprochen. Die Abschlusserklärung fand breite Unterstützung von zahlreichen Organisationen aus dem Spektrum von Beratung, Gesundheit, Migration, Frauen- und Gleichstellungspolitik sowie von mehr als 600 Einzelpersonen.

 

Die Diskussion um das Abtreibungsrecht war 2017 erneut aufgeflammt, als mehrere Frauenärztinnen eine Strafanzeige nach § 219a StGB erhielten, initiiert von organisierten Abtreibungsgegnern. Die Ärztinnen hatten auf ihren Webseiten auf schonende Abtreibungsmethoden in ihrer Praxis hingewiesen. Dies gilt als strafrechtlich verbotene Werbung für Abtreibung. Mittlerweile sind weitere Strafverfahren, auch gegen männliche Gynäkologen, hinzugekommen. Wer selbst keinen Schwangerschaftsabbruch vornimmt, darf jedoch über Abtreibung informieren.

 

Mit der ersatzlosen Streichung des §219a StGB wird die weitere Strafverfolgung von Ärzt*innen, die über den Abbruch informieren wollen, ihr Ende finden.

 


Quellen



Weitere Beiträge zum Thema Gender und Geschlechtergerechtigkeit:

04.11.2020 Gender

Der grenzüberschreitende Pflegearbeitsmarkt in Mitteleuropa - Mythos eines integrativen Europas

Welchen Gefahren, Sorgen und Problemen Pflegekräfte aus Mittel- und Osteuropa ausgesetzt sind.
weitere Informationen

01.03.2020 News, Gender

Ein wichtiges Puzzleteil

Wir sprachen mit Evely Regner (MdEP) über die neue EU-­Gleichstellungsstrategie.
weitere Informationen

04.11.2020 Gender

Gechlechterungleichheit und die Sorge-Ökonomie: Zeit für Veränderung

Zur Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in bezahlten und unbezahlten Sorgeberufen. Ein Beitrag von Robert Sweeney.
weitere Informationen

31.07.2020 Gender

Zeit sich zu kümmern!

Dieser Policy Brief bespricht Ergebnisse und politische Folgen der COVID-19-Pandemie von denen Frauen überdurchschnittlich stark betroffen sind.
weitere Informationen

Gender, Fokus

Internationaler FES Frauentag 2022

Hier finden Sie alle Aktivitäten der FES rund um den diesjährigen Frauentag.
weitere Informationen

Dienstag, 02.03.21 18:30 bis 20:00 +++ ONLINE +++ LP, Gender, Feminismus, Gleichberechtigung, Jugend (NICHT anklicken, Unterkategorie wählen), Gender

Online-Diskussion | Frauen in der Energiewende

In dieser Veranstaltung soll diskutiert werden, wie gesellschaftliche Strukturen einerseits und wie konkrete Energieprojekte andererseits ausgestaltet sein müssen, um die Beteiligung von Frauen an der Energiewende zu...
weitere Informationen

29.08.2020 Veranstaltung, Gender

Was heißt schon systemrelevant? - Wir SIND das System!

Online-Veranstaltung anlässlich des Internationalen Frauentages am 4. März 2021.
weitere Informationen

09.02.2021 Gender Weltweit, Internationale Gemeinschaft und Zivilgesellschaft

Geschlechtergerechtigkeit in der Digitalwirtschaft – ein dringendes Problem

Illustration mit dem Schriftzug „A Roadmap for Feminist Action“ in roten Buchstaben vor einem hellen Hintergrund. Rechts steht eine gezeichnete Person auf einem Surfbrett und reitet auf einer stilisierten Welle.
In der Debatte über die Auswirkungen der Digitalisierung in einer globalisierten Welt wurde eine Gruppe bislang weitgehend vergessen: Frauen. Die EU könnte dies ändern.
weitere Informationen

Zeitstrahl, Gender, Aus Geschichte lernen

Interaktiver Zeitstrahl zur Geschichte des Feminismus

Simone de Beauvoir, Judith Butler – welche Rolle spielten sie und andere Aktivist_innen für die Frauenbewegung in Deutschland und den Feminismus auf der ganzen Welt?
weitere Informationen

20.01.2021 Blog, Gender

Weibliche Ökonomie

Das unterschätzte Fundament der deutschen Volkswirtschaft. Ein Beitrag von Dr. Uta Meier-Gräwe.
weitere Informationen
nach oben