Wie können Rückkehrer_innen-Netzwerke sinnvoll in den Reintegrationsprozess eingebunden werden und welche Chancen und Risiken gibt es zu bedenken? Hierzu schreibt Sophie Meiners, Research Fellow im Migrationsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Reintegrationshilfen für Migrant_innen, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Deutschland und die EU arbeiten eng mit Herkunftsländern zusammen, um die Reintegration vor Ort zu unterstützen. Dabei gehen die Hilfen über eine rein monetäre Unterstützung hinaus und können auch Berufsausbildungen und psychologische Hilfen umfassen. Dennoch stoßen solche Bemühungen auf Kritik und Grenzen: Kurzfristige und individualisierte Unterstützung kann nicht die eigentlichen Ursachen von Migration und Vertreibung wie Armut, Unsicherheit und fehlende Möglichkeiten adressieren, die Faktoren sind, die überhaupt erst zur Abwanderung führen.
Eine Möglichkeit, die Wirksamkeit dieser Hilfen zu erhöhen, kann die Einbeziehung von Initiativen und Gruppen sein, die von Rückkehrer_innen selbst geleitet werden. Dadurch kann nicht nur die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der Projekte gestärkt werden, sondern es können auch nachhaltige Strukturen über Projektzyklen hinaus implementiert werden.
Rückkehr_innen-Netzwerke sind vielfältig und überregional – auch wenn sie nicht überall entstehen
Die sogenannten „Rückkehr_innen-Netzwerke“ sind vielfältig und sind in einer Vielzahl von Regionen weltweit aktiv. So gründeten zum Beispiel Rückkehrer_innen in Nigeria informelle Social-Media-Gruppen und in Bangladesch entstanden durch die Hilfe einer lokalen NGO formalisierte Netzwerke von Rückkehrer_innen in verschiedenen Landesteilen. Diese Gruppen bestehen teils ausschließlich aus vor kurzem zurückgekehrten Personen, können aber von Personen geleitet werden die nicht, oder nicht mehr, mit den Problemen der Reintegration zu kämpfen haben.
Doch obwohl die Entstehung solcher Netzwerke kein regionales Phänomen ist, sind sie nicht in allen Ländern zu finden. Dies lässt sich durch verschiedene Faktoren erklären. Zum einen ist zu beobachten, dass Rückkehrer_innen-Netzwerke in Kontexten entstehen, in denen eine große Zahl von Migrant_innen im gleichen Zeitraum zurückkehrt. Diese lernen sich dann in Registrierungsprozessen oder Reintegrationsprogrammen kennen und bleiben in Verbindung. Ein weiterer Faktor ist das Vorhandensein von bestehenden Rückkehrer_innen-Netzwerken, die als Vorbilder dienen können. Gemeinsame Herausforderungen, wie zum Beispiel die Bewältigung von Traumata und Stigmatisierung, spielen ebenso eine Rolle wie eine mangelnde Reintegrationsunterstützung und das Fehlen von familiären Unterstützungssystemen. Beides macht das Zusammentreffen mit Gleichgesinnten zu einem dringlicheren Bedürfnis. Auch die Unterstützung durch externe Akteure und eine aktive Zivilgesellschaft tragen dazu bei, Netzwerke entstehen zu lassen.
Rückkehrerer_innen-Netzwerke bieten viele Vorteile, doch bergen auch Risiken
Ganz unabhängig von der Art ihrer Entstehung und ihrem Formalisierungsgrad können diese Netzwerke die Reintegration von neuen Rückkehrenden effektiv unterstützen. Sie bieten praktische Hilfe mit Blick auf Wohnen, Beschäftigung und bürokratische Hürden. Darüber hinaus fungieren sie als vertrauenswürdige Vermittler_innen, informieren Neuankömmlinge über verfügbare Unterstützung und setzen sich als Fürsprecher_innen für die Interessen der Rückkehrer_innen ein. Sie können somit eine wichtige Rolle bei der Gestaltung von Reintegrationspolitiken und der Aufklärung der Herkunftsgesellschaften über die Realitäten des Lebens während der Migration und nach der Rückkehr ins Herkunftsland spielen.
Neben diesen unverzichtbaren Stärken bergen die Rückkehrer_innen-Netzwerke allerdings auch Risiken. Konkurrenz um Ressourcen, wie beispielsweise finanzielle Mittel die über Projekte mit internationalen Organisationen eingeworben wurden, und die mangelnde Beteiligung von Frauen können die Repräsentativität einiger Netzwerke einschränken. Zudem haben die meisten Netzwerke einen sehr geringen Professionalisierungsgrad, was an sich nicht negativ ist, jedoch dazu führen kann, dass die Gruppen bestehende Unterstützungsangebote duplizieren und nur mit mäßiger Qualität anbieten. Zuletzt kann ein Engagement in den Netzwerken dazu führen, dass die Mitglieder sich durch die übermäßige und langjährige Identifikation als „Rückkehrer_in“ zusätzlich vom Rest der Gesellschaft distanzieren und damit ihre soziale Reintegration herauszögern oder verhindern.
Trotz Risiken ist die Einbindung der Netzwerke längt überfällig und unter Einhaltung von Safeguards möglich
Die Vorstellung, dass Rückkehrer_innen-Netzwerke ausschließlich eine positive Kraft sind, mit denen unter allen Umständen zusammengearbeitet werden kann und sollte, ist daher nicht richtig. Doch das bedeutet nicht, dass eine Zusammenarbeit ausgeschlossen werden sollte. Vielmehr sollten die Perspektiven von Rückkehrer_innen immer Teil von Reintegrationsprogrammen sein. Die Frage ist nicht, ob mit Rückkehrer_innen-Netzwerken kooperiert werden sollte, sondern wie sie sinnvoll eingebunden werden können.
Die im Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Äußerungen der Gastautorin spiegelt nicht die Haltung der Redaktion oder der Friedrich-Ebert-Stiftung wieder.
Sophie Meiners ist Research Fellow im Migrationsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Zuvor war sie als Carlo-Schmid-Fellow beim UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) im Büro des Sonderbeauftragen für Klima tätig. Während eines Aufenthalts im Sambia-Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung sammelte sie zudem Erfahrungen in den Bereichen Entwicklung und Binnenmigration.
Die im Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Äußerungen der Gastautor_innen spiegeln nicht notwendigerweise die Haltung der Friedrich-Ebert-Stiftung wider.