Politische Bildung und Integration in Brandenburg

Seit mehr als 20 Jahren organisiert die FES Brandenburg jährlich eine Integrationskonferenz. Worum geht es, fragen wir Landesbüroleiterin Anne Seyfferth.



Die FES Brandenburg veranstaltet seit über 20 Jahren jährlich eine Integrationskonferenz. Was gab den Ausschlag für diese Konferenzreihe?

Zuwanderung und Integration sind wichtige Politikfelder für Brandenburg. Sie bieten Chancen für das Land, wie beispielsweise Fachkräfte, die aufgrund des demografischen Wandels fehlen. Sie tragen außerdem dazu bei, dass Brandenburg sich als ein weltoffenes, international orientiertes Land präsentieren kann. Gleichzeitig bedeutet die Aufnahme von Geflüchteten, die meisten aus Syrien, und Arbeitsmigrant_innen, vor allem aus Polen kommend, wie in anderen Bundesländern auch, eine Herausforderung für das Land, beispielsweise für die Beschulung. Stärker als in westlichen Bundesländern allerdings hat die grundsätzliche Debatte zur deutschen Flüchtlings- und Migrationspolitik spätestens seit 2015 – wie auch in anderen ostdeutschen Bundesländern – zu einem Erstarken rechtsextremer Einstellungen und Handlungen geführt. Dies nicht etwa in Regionen mit besonders vielen Migrant_innen, sondern mit vergleichsweise geringem Ausländer_innenanteil, wie auch die neue  „Mitte-Studie“ der FES aufzeigt. Auch der letzte Brandenburg Monitor (2020) machte deutlich, dass sich noch immer viele Bürger_innen in Brandenburg schwer mit dem Thema Flucht und Migration tun.  

Mit der Reihe „Landesintegrationskonferenz “ bietet unser Landesbüro eine jährliche Plattform für Debatten aktueller Themen mit relevanten politischen Entscheidungsträger_innen, Vertreter_innen von Migrant_innenorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen.  Sie wirkt damit politikberatend und ergänzt ein Bündel von bildungspolitischen Maßnahmen des Landesbüros, wie beispielsweise spezifische Kompetenzseminare für Bürger_innen, die haupt- oder ehrenamtlich mit Migrant_innen und Zugewanderten arbeiten.  

Wie spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklungen in der Schwerpunktsetzung der Konferenzen über die Jahre und welches Thema steht in diesem Jahr im Fokus?

Brandenburg war eines der ersten Bundesländer, das ein Landesintegrationskonzept erarbeitet hat. Einer der ersten Integrationskonferenzen hat sich daher mit diesem 2002 erarbeiteten Konzept beschäftigt. Auch die in den folgenden Jahren überarbeiteten Konzepte und ihre thematischen Schwerpunkte fanden Eingang in unsere Konferenzthemen. Zwischen 2008 und 2018 fand – ausgehend von einem niedrigen Niveau – eine Verdreifachung der Anzahl der im Land Brandenburg lebenden Ausländer_innen statt. Vor diesem Hintergrund spielte beispielsweise die Frage nach einer Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Land und Bund für eine gelingende Migrations- und Integrationsarbeit eine Rolle sowie die Herausforderung, wie eine „Willkommenskultur“ gelebt werden kann. Spezifische Themen wie die interkulturelle Öffnung von frühkindlichen Einrichtungen, Bildung und Sprache als Integrationsfaktor auf dem Arbeitsmarkt ergänzten die Themenpalette.

Mit Blick auf die kürzlich stattgefundenen Bundestagswahlen haben wir uns dieses Jahr das Thema Politische Bildung von Zugewanderten im Land Brandenburg vorgenommen. Dazu haben wir im Vorfeld eine Studie in Auftrag gegeben, die versucht – insbesondere mittels Fragebögen und Telefoninterviews – einen Überblick über den Stand, die Erfolge und Herausforderungen dazu aufzuzeigen. Debattiert werden sollen die Erfolge und Hindernisse bei der Umsetzung politischer Bildungsmaßnahmen. Wir hoffen aber auch, dass wir einige gute Ansatzpunkte für eine qualitative und quantitative Intensivierung dieses wichtigen Bausteins für eine erfolgreiche Integration von Zugewanderten in unser Bundesland erarbeiten können.

Politische Bildung ist eines der für unsere Demokratie zentralen Themen, wird aber im Bereich der schulischen Bildung seit langem vernachlässigt, wie auch eine FES-Studie von 2019 deutlich machte. Inwiefern stellen sich, Ihrer Einschätzung nach, im Kontext politischer Bildungsarbeit mit Migrant_innen andere Herausforderungen als mit Nicht-Migrierten?

Die von uns beauftragte Studie zu politischer Bildung, die wir noch dieses Jahr veröffentlichen werden, kommt zu einer Reihe interessanter Ergebnisse. Die interviewten bildungspolitischen Träger geben an, dass es ihnen schwerfällt, die anvisierte Zielgruppe zu erreichen. Dabei spielt sicherlich eine Rolle, dass wir es in Brandenburg mit einem Flächenland zu tun haben. Bildungspolitische Projekte scheinen vor allem zu gelingen, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: ein Vorhandensein von ehrenamtlichen Initiativen, die bereits Kontakte zu den in Brandenburg schutzsuchenden Menschen aufgebaut haben und eine räumliche Konzentration der Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften, weil das die Erreichbarkeit erleichtert.

Hinzu kommt ein weiteres Phänomen in Brandenburg: Wie bereits erwähnt, stellen Zuwander_innen aus Polen die stärkste Gruppe innerhalb der ausländischen Bevölkerung. Auch leben in Brandenburg viele Zugewanderte aus der Russischen Föderation, Rumänien, Ukraine bzw. Bulgarien. D.h. Brandenburg ist auch ein Einwanderungsland für Arbeitskräfte aus Osteuropa sowie EU-Ländern aus Mittel- und Südosteuropa geworden. Sie sind bislang kaum von bildungspolitischen Maßnahmen angesprochen worden, da diese vor allem Menschen mit Fluchthintergrund adressieren. Damit befindet sich diese Zielgruppe der „Nicht-Geflüchteten“ gewissermaßen im toten Winkel, wenn es um Angebote der politischen Bildung geht.

Die Konferenz findet sowohl in Präsenz, als auch digital statt. Wen möchten Sie mit diesem Veranstaltungsangebot erreichen? 

Wir haben in Zeiten der Pandemie gelernt, dass ein Online-Angebot sehr vorteilhaft für ein Flächenland wie Brandenburg ist. Unsere Konferenz richtet sich u.a. an alle Integrationsbeauftragte im Land und da sind sicherlich einige froh, dass sie nicht nach Potsdam reisen müssen. Eingeladen sind außerdem viele Migrant_innenenorganisationen, die ja häufig politische Bildung anbieten sowie andere Träger von politischen Bildungsangeboten. Auch Vertreter_innen aus der Landesverwaltung und andere Organisationen, die sich für das Thema Integration engagieren, wie beispielsweise die Sportjugend Brandenburg, haben ihr Kommen angekündigt.   

Und worauf freuen Sie sich persönlich am meisten am Veranstaltungstag?

Ich freue mich auf persönliche Begegnungen, die in dem ersten Jahr meiner neuen Aufgabe hier im Landesbüro aufgrund der Pandemie viel zu kurz gekommen sind. Gespannt bin ich auf die Reaktion unserer Teilnehmenden bei der Vorstellung der wesentlichen Ergebnisse unserer Studie und die Debatten in den Arbeitsgruppen. Entspannt schließlich bin ich, wenn am Ende alles gut gelaufen ist mit der hybriden Technik, alle eingeladenen Referent_innen erschienen sind und sich alle zufrieden und bereichert in Potsdam oder im Netz verabschieden!

Vielen Dank für das Interview!


Die Landesintegrationskonferenz findet am 14.10. statt. Anmelden kann man sich hier.

 

Anne Seyfferth

leitet seit 2020 das Landesbüro Brandenburg der Friedrich-Ebert-Stiftung in Potsdam. Zuvor war sie in der internationalen Arbeit der FES beschäftigt und hat unter anderem von 2015-2020 die Büros in Tschechien und der Slowakei geleitet.

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