Frieden und Sicherheit

Michael Bröning

Zum ewigen Krieg

Damals wurden sie als Ausnahme und zeitlich befristete, dringend notwendige Maßnahme dargestellt. Doch auch zwei Jahrzehnte nach den Anschlägen vom 11. September bleiben Freiheitseinschränkungen weltweit in Kraft.

Vor genau 20 Jahren flogen Terroristen entführte Zivilflugzeuge in das New Yorker World Trade Center und in das Pentagon in Washington DC. Die Bilder haben sich nicht nur in Deutschland und in Vereinigten Staaten, sondern weltweit, ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Tausende von Menschen verloren ihr Leben und auch die weiteren politischen Folgen sind bekannt: Eine erst in diesen Tagen zu Ende gegangene, letztlich desaströse militärische Intervention in Afghanistan, der folgenreiche Einsatz einer „Koalition der Willigen“ (George W. Bush) gegen den Irak Saddam Husseins und davon ausgehend Schockwellen, die vom Nahen- und Mittleren Osten bis nach Europa reichten und die Parameter der globalen Zusammenarbeit bis heute entscheidend prägen.

Doch neben den offensichtlichen Folgen des 11. Septembers 2001 ist 20 Jahre nach dem Anschlag noch eine weitere, bittere Bilanz zu ziehen: Die negativen Auswirkungen auf bürgerliche Freiheitsrechte weltweit.

Unmittelbar nach den Anschlägen wurde in den Vereinigten Staaten bekanntlich mit dem „Patriot Act“ eine einzigartige Einschränkung von bürgerlichen Freiheiten und eine ebenso einzigartige Ausweitung staatlicher Befugnisse in der Terrorismusbekämpfung auf den Weg gebracht. Und: Dieses Maßnahmenbündel erwies sich in den folgenden Monaten und Jahren als politischer Exportschlager. Regierungen auf sechs Kontinenten beeilten sich in der Folge der Anschläge, den „Krieg gegen den Terrorismus“ zu einer politischen Priorität zu erklären und dabei auch bürgerliche Freiheiten deutlich einzuschränken und die Rechte von Sicherheitsbehörden massiv auszubauen.

All das war und ist nicht zwangsläufig illegitim – im Gegenteil. Doch in der politischen Argumentation wurden diese Schritte in aller Regel als Ausnahmereaktion und als zeitlich befristete dringend notwendige Antwort auf eine einzigartige Herausforderung dargestellt. Auch heute noch, 20 Jahre nach den Anschlägen, ist jedoch der größte Teil dieser Anti-Terror-Gesetze nach wie vor in Kraft.

Dies zumindest ist das Ergebnis einer vom New Yorker UN-Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen vergleichenden Studie zur Anti-Terrorgesetzgebung in den G20 Staaten zum Jahrestag der Anschläge in New York. In der vom renommierten Terrorismus-Experten Josef Braml durchgeführten Analyse wurde in Zusammenarbeit mit FES-Büros in den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer untersucht, welche der verhängten Anti-Terror-Maßnahmen auch zwei Jahrzehnte nach dem Anschlag weiterhin in Kraft geblieben sind.

Klares Ergebnis der Untersuchung: Durch die Bank weg wurden Befugnisse der Sicherheitsbehörden, nicht zuletzt in Sachen Datenspeicherung, eingeführt aber nicht wieder rückgängig gemacht. Der Ausnahmezustand wurde nicht überwunden, sondern in vielerlei Hinsicht perpetuiert.

Damit aber bot sich nicht zuletzt für eine ganze Reihe von autoritären Staaten eine einzigartige Gelegenheit, Sonderbefugnisse der Anti-Terrorismusbekämpfung auch gegen unliebsame Regimekritiker und Dissidenten ins Feld zu führen. In ihrem Vorwort zur Studie verweist deshalb Bundesjustizministerin Christine Lambrecht dezidiert darauf, dass zwischen Freiheit und Sicherheit stets eine prekäre Balance besteht. Nicht zuletzt den höchsten Gerichten komme deshalb in demokratischen Gesellschaften die wichtige Aufgabe zu, übergriffigen Tendenzen von Sicherheitsbehörden bestimmt entgegenzutreten, wo immer dies nötig ist.
 

Dr. Josef Braml ist Leiter des Amerika-Programms der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Seine Fachgebiete umfassen amerikanische Weltordnungsvorstellungen und transatlantische Beziehungen, Sicherheits-, Energie- und Handelspolitik der USA, wirtschaftliche und innenpolitische Rahmenbedingungen amerikanischer Außenpolitik sowie vergleichende Governance-Analyse.

Braml, Josef

Anti-Terrorismusgesetze und Machtbefugnisse

Eine Bestandsaufnahme der G20-Staaten 20 Jahre nach 9/11
Berlin, 2021

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Ansprechperson

Konstantin Bärwaldt
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Fokus Zeitenwende der Friedrich-Ebert-Stiftung: Eine neue Ära

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