Im Februar 2020 besetzte der Präsident El Salvadors, Nayib Bukele, an der Spitze einer Einheit der Streitkräfte das Parlament; drei Jahre später, im Februar 2023, eröffnete er ein Mega-Gefängnis für 40.000 Personen. Die beiden Ereignisse markieren den Beginn seiner Strategie des Machterhalts: eine Kombination aus neuem Autoritarismus, Militarismus und Militarisierung, die ihm bei der salvadoranischen Bevölkerung zu großer Popularität verholfen hat.
Andere Länder in der Region und in Lateinamerika im Allgemeinen verfolgen und imitieren das sogenannte “Modell Bukele” als Alternative im Umgang mit ihren schweren Sicherheits- und Gewaltproblemen. Während Honduras ebenfalls den Ausnahmezustand verhängte, verfolgte in Guatemala die scheidende Regierung von Alejandro Giammattei Journalisten, Staatsanwälte und Beamte, die Korruptionsfälle untersuchten. Und in Nicaragua hat die Regierung seit Beginn der verbreiteten Massenproteste im Jahr 2018 einen Polizeistaat errichtet und diesen in den vergangenen zwei Jahren insofern “institutionalisiert”, als sie den gesamten Staatsapparat in den Dienst einer anhaltenden Politik der Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung stellte.
Bei diesem trostlosen regionalen Panorama stehen drei Merkmale miteinander in Verbindung: a) die neuen Formen des Autoritarismus unter dem Deckmantel der demokratischen Formalitäten und der effiziente Einsatz von Kommunikationstechnologien; b) der Militarismus, um den Forderungen gesellschaftlicher Akteure und der großen Mehrheit der Bevölkerung unter dem Vorwand des Vorgehens gegen die Massenkriminalität entgegenzutreten, und c) die Militarisierung zur Entwicklung von Diskursen und Botschaften, die der Legitimierung von Autoritarismus und militaristischen Lösungsansätzen dienen. Ihr Ergebnis ist die Implementierung einer kurzfristigen Sicherheitspolitik, die auf Zwangs- und Strafmaßnahmen beruht. Wie konnte sich solch ein trostloses Szenarium in Zentralamerika herausbilden?
Das 20. Jahrhundert und der neue Autoritarismus in Zentralamerika
Für die zentralamerikanische Bevölkerung begann das 21. Jahrhundert mit großen Hoffnungen und Erwartungen an eine bessere Zukunft. Die langwierigen inneren Konflikte waren endlich beigelegt, es lag ein Hauch von Demokratie in der Luft, und die Friedensvereinbarungen verhießen der Region Frieden, Demokratie und Entwicklung. Doch vor dem Ende des ersten Vierteljahrhunderts legt sich der Schatten des vergangenen Autoritarismus über alle Länder.
In der Region lassen sich mindestens fünf autoritäre Muster beobachten: Machtkonzentration und Stärkung des Präsidentialismus; Zusammenbruch des Gleichgewichts zwischen den Staatsgewalten und ihrer Unabhängigkeit sowie deren Unterordnung unter die Exekutive; hohe Korruption, Intransparenz der staatlichen Verwaltung und Ausbreitung des organisierten Verbrechens in den Staatsstrukturen sowie weitreichende Einschränkungen von Menschen- und Bürgerrechten. Und last, not least, das erneute Erstarken des Militarismus und der Militarisierung mit ihrer Unterstützung für punitive Konzepte und eine Politik der harten Hand, bei der nicht zwischen politischer Dissidenz, Kriminalität und dem Strom der gewaltsam Vertriebenen, die den Isthmus durchqueren, unterschieden wird.
Die genannten Elemente fügen sich zu einem Szenarium von Ungewissheit und trostlosen Zukunftsperspektiven zusammen und veranlassen Tausende Zentralamerikanerinnen und -amerikaner, ihre Länder auf der Suche nach besseren Chancen in Richtung Vereinigte Staaten zu verlassen, um den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, der politischen Verfolgung und der Gewalt zu entkommen.
Die Entwicklung der regionalen Sicherheitsagenda
Im Verlauf von vier Jahrzehnten folgten in der zentralamerikanischen Sicherheitsagenda auf den Optimismus des Rahmenvertrags über demokratische Sicherheit in Zentralamerika (1995) zunächst die Politik der harten und der besonders harten Hand und zuletzt die neuen Formen von Militarismus und Militarisierung.
Direkt nach dem Ende der Konflikte in Nicaragua (1990), El Salvador (1992) und Guatemala (1996) konzentrierte sich die Agenda im Rahmen der Demokratisierungsprozesse und der Reaktivierung des Zentralamerikanischen Integrationssystems (span. Abk.: SICA) auf die Trennung der militärischen und polizeilichen Aufgaben, die Neubestimmung der Beziehungen zwischen den zivilen und militärischen Institutionen, um deren Vormachtstellung wie in den vorangegangenen Jahrzehnten vorzubeugen, und den Aufbau der Polizei in El Salvador, Guatemala und Honduras.