Steuervermeidung verlängert die Pandemie

Der neue State of Tax Justice Report zeigt, dass weltweite Verluste an Steuereinnahmen vor allem durch Steuervermeidung in reichen Industrieländern verursacht werden. Allein Holland, Luxemburg, das Vereinigte Königreich und die Schweiz sind für mehr als die Hälfte davon verantwortlich.


Öffentlichen Kassen entgehen jährlich mehr als 483 Milliarden US Dollar an Steuereinnahmen. Das zeigen Berechnungen des diese Woche erschienenen State of Tax Justice Report (SoTJ). Gelder, die dringend gebraucht werden, zur Pandemiebewältigung und für öffentliche Zukunftsinvestitionen in Bildung, Wohnen, Mobilität und Dekarbonisierung. Wer bei Steuervermeidung vor allem an Palmenstrände und einsame Inselstaaten denkt, ist schief gewickelt. Der Bericht zeigt, dass die Einnahmenverluste zu 99 Prozent auf das Konto multinationaler Konzerne und reicher Privatpersonen in Industrieländern gehen. Bestehende Regulierungslücken werden dafür geschickt ausgenutzt. Ganz vorne mit dabei: EU-Staaten wie Holland und Luxemburg. Zusammen mit dem Vereinigten Königreich und der Schweiz sind sie für mehr als die Hälfte der globalen Steuereinnahmenverluste verantwortlich.

Nicht die Cayman Islands, sondern Jersey und Zürich

Der Bericht zeichnet eindrücklich nach, wie irreführend das gängige Bild der Steueroasen unter Palmen ist. Die Mitgliedstaaten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind dem Bericht zufolge für 78 Prozent der globalen Steuervermeidung verantwortlich. In der Summe sind das 378 Milliarden US Dollar. Trotzdem finden sich keine OECD-Länder auf der von der Europäischen Union geführten Liste von Steuerparadiesen. Stattdessen werden darauf eine Gruppe von vorrangig kleineren Inselstaaten geführt, die alle zusammen gerade einmal für 1,1 Prozent der globalen Steuervermeidung verantwortlich sind.

Ärmere Länder sind vergleichsweise stärker von Steuervermeidung betroffen. Zwar sind ihre absoluten Einnahmenverluste deutlich niedriger als die der OECD-Länder, sie machen aber einen größeren Anteil an ihren gesamten Einnahmen aus. Während die OECD-Länder dem Bericht zu Folge Einnahmen in der Höhe von 9,7 Prozent ihres jährlichen Haushaltsvolumens für öffentliche Gesundheitsausgaben verlieren, liegt der Anteil mit 48 Prozent bei den ärmeren Ländern um ein Vielfaches höher. Zusammen mit der globalen Ungleichheit im Zugang zu Impfstoffen treten die fatalen Auswirkungen dieser Missstände in der Pandemie deutlich zu Tage.

Rosa Pavanelli, Generalsekretärin von Public Services International (PSI), der globalen Dachorganisation von öffentlichen Dienstleistungsgewerkschaften bringt es auf den Punkt:

"Die Beendigung der Steuervermeidung würde dafür sorgen, dass jede Sekunde 1000 Menschen vollständig geimpft werden; Wir könnten die 135 Millionen Gesundheits- und Pflegekräfte weltweit in nur anderthalb Tagen vollständig impfen. Der einzige Ausweg aus dieser Krise besteht darin, die Ungleichheit bei Impfstoffen zu beenden, und das erfordert sowohl den Verzicht auf Patente als auch die Beendigung der Steuervermeidung von Unternehmen, die Geld von unseren Gesundheitsdiensten an vorderster Front auf ihre Offshore-Bankkonten zieht."

 

Die globale Mindeststeuer ist gut - ihre Durchsetzung noch besser

Die OECD hat der Steuervermeidung durch multinationale Konzerne mit der geplanten Einführung einer globalen Mindeststeuer den Kampf angesagt. Doch das allein wird nicht reichen, um das globale Ungleichgewicht zu beseitigen. Vor dem Hintergrund, dass OECD-Staaten selbst den Löwenanteil der Steuervermeidung verantworten, die Länder des Globalen Südens aber besonders stark von den Folgen betroffen sind, fordern zivilgesellschaftliche Organisationen seit Langem eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen im Reformprozess und die Schaffung einer zwischenstaatlichen UN-Steuerbehörde. Der Bericht untermauert diese Forderung mit Zahlen.

Außerdem empfiehlt der Bericht:

- Die Einführung einer Übergewinnsteuer für multinationale Konzerne, die während der Pandemie solche Übergewinne erzielen, wie zum Beispiel globale Digitalunternehmen. Die Übergewinne multinationaler Konzerne würden auf globaler Ebene auf der Grundlage einer einheitlichen Steuermethode ermittelt, um zu verhindern, dass Konzerne ihre Gewinne zu niedrig ausweisen, indem sie sie in Steueroasen verlagern.

- Die Einführung einer Vermögenssteuer zur Finanzierung der Pandemiebewältigung und zur Bekämpfung der wachsenden Ungleichheit, die die Pandemie noch weiter verschärft hat. Zusätzlich werden Strafsätze für undurchsichtige Offshore-Anlagen vorgeschlagen und eine Verpflichtung zwischen den Regierungen, diese Undurchsichtigkeit zu beseitigen. Denn auch wenn die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern auf ein Rekordniveau gestiegen ist, sind gleichzeitig Vermögen in der Pandemie explodiert.

- Außerdem wird die Einführung einer öffentlichen länderbezogenen Berichterstattung empfohlen, um nachvollziehbar zu machen, wohin das Geld fließt.

 

Die Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt den State of Tax Justice Report, der seit 2020 als jährlich erscheinende Publikation von der Global Alliance von Tax Justice (GATJ), des Tax Justice Network (TJN) und Public Services International (PSI) veröffentlicht wird.


Ansprechperson

Sarah Ganter
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