Referat Lateinamerika und Karibik

Video: Die Gründung der FARC als politische Partei in Kolumbien

Bild: Jairo Rivera von © FES Kolumbien

Standpunkt

Jairo Rivera ist Pressesprecher für den Frieden für die „Stimmen des Friedens“ (Voces de Paz) im kolumbianischen Repräsentantenhaus.

 

Die auf dem Gründungskongress der FARC getroffenen Entscheidungen, ob diese nun mutig waren oder nicht, haben letztendlich viel mit dem Stand der Umsetzung des Friedensvertrags zu tun sowie mit den Ängsten der Guerilla-Gemeinschaft – einer Gemeinschaft, die eine Guerilla war, nun aber in die Sphäre des legalen politischen Lebens eintritt. Letztlich möchte sie nicht nur eine weitere politische Partei sein, sondern dem Land die eigene Version der Geschichte erzählen: Warum haben sie gekämpft? Warum haben sie diesen Krieg geführt? Und dies kann sie in einem demokratischen Rahmen tun. Sie sind dabei allerdings mit einem Land konfrontiert, welches diese Erzählung nicht nur nicht hören will, sondern die Guerilla auf irgendeine Art und Weise ablehnt und verabscheut.

Während der Ausarbeitung der Satzung gab es drei große und wichtige Diskussionen, die für die politischen Entscheidungen bezüglich der Zukunft des politischen Kollektivs maßgeblich sind. Es gab zum einen den Beschluss zum Namen und zum Logo, also zum Gesicht, mit dem man sich künftig dem Land präsentiert. Zum anderen ging es um die Entscheidung über den Charakter, d. h. die Frage, ob die Organisation der FARC eine marxistisch-leninistische Ausrichtung beibehält, oder ob man der kolumbianischen Gesellschaft eine moderne, breiter aufgestellte Partei präsentiert. Und schließlich war die Form der Organisation, quasi das Gerüst der Partei, das Thema: Welche Art von Partei präsentiert man in Übereinstimmung mit dem Charakter und der Botschaft, die man dem Land vermitteln will? Meiner Meinung nach waren das die Hauptdiskussionen, die auf dem Kongress geführt wurden.

In der Debatte haben sich zwei mögliche Namen zur Abstimmung im Plenum herauskristallisiert: entweder die Beibehaltung des Kürzels der FARC oder der Vorschlag „Neues Kolumbien“ (Nueva Colombia) als Name der Partei, der in der Umfrage Timochenkos auf Twitter und Facebook gewonnen hatte. Und wie begründeten v. a. ehemalige Guerilleros, dass das Kürzel beibehalten werden sollte? Das Argument, das ich mehrmals gehört habe, ist, dass man uns unsere Vergangenheit nicht einfach wegnehmen könne. „Es fühlt sich an, als wäre bis heute ein großer Teil des historischen Gedächtnisses ausgelöscht, weil die Umsetzung des Friedensabkommens nicht funktioniert hat. Wir haben so viele Jahre im Namen der FARC gekämpft, da dürfen sie uns den nicht auch noch nehmen.“ So wurde intern argumentiert. Mit Blick nach außen, auf die Mehrheit der Gesellschaft, sollte man den Namen natürlich ändern. Der Name FARC hat keine positive Bedeutung, ist aus tausend verschiedenen Gründen eine negative „Marke“, und zwar auch aus Gründen, auf die die Guerilla-Gemeinschaft selbst jahrelang hingewiesen hat, wie z. B. die Schmutzkampagne der Medien.

Und dann kam noch die Abstimmung über den Charakter der Partei, die ja immer eine marxistisch-leninistische Organisation gewesen ist. Eine Mehrheit der Menschen hat in diesem Fall aber „Nein“ gesagt, sich anders als bei der Namensdiskussion entschieden. Die ehemaligen Kämpfer_innen und alle mit ihnen in Verbindung stehenden Menschen identifizieren sich natürlich mit der kritischen Theorie des Marxismus, Leninismus etc. Aber das, was wir dem Land und den „Nicht-Konformen“, anbieten wollen, ist ein „Werkzeug“, denn die Kommunist_innen sind nicht die einzigen, die die Welt verändern möchten und auch nicht die einzigen, die in diesem Sinne eine Revolution wollen. Und so wurde festgelegt, dass die Partei künftig eine breit aufgestellte Partei sein wird.

Das ist der Link zu diesem ersten Teil des Original-Videointerviews mit Jairo Rivera auf Spanisch. Und hier ist der zweite Teil zum Thema „El congreso constitutivo del nuevo partido FARC y su futuro político“ zu finden.


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