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Rückblick | Was tun gegen Anti-Feminismus in Europa?


Terminexport im ICS-Format

Für die Gleichstellung von Frauen und Mädchen gab es aufgrund der Corona-Krise, Kriegen und Extremismus die letzten Jahre weltweit Rückschritte. Laut UN Women dauert die Gleichstellung noch 285 Jahre. Seitdem Frauen und Queers für ihre Rechte kämpfen, gibt es Widerstände dagegen, auch in Deutschland. Hass auf ‚Gender-Ideologie‘, Verunklimpfung von Feminismus und Hetze im Netz gehen einher mit einem Rollback patriarchaler Geschlechterordnung, Rollenmuster und Strukturen. Problematisch ist, dass Antifeminismus weit in die Mitte der Gesellschaft reicht, denn leider tragen die antifeministischen Diskurse Früchte. Das macht u.a. die „Leipziger Autoritarismus-Studie“ deutlich. Die Gesellschaft ist polarisiert. Es gibt mehr Feminist*innen, aber auch mehr Antifeminismus. Was tun? Wie kann verständlich werden, dass Gleichberechtigung essenziell für eine demokratische Gesellschaft ist? Welche Strategien gibt es gegen Antifeminismus?

Zum Internationalen Frauentag - Was tun gegen Antifeminismus?

Veranstaltung und Diskussion am 06.03.2023 in der FES Bonn

 

Für die Gleichstellung von Frauen und Mädchen gab es aufgrund der Corona-Krise, Kriegen und Extremismus die letzten Jahre weltweit Rückschritte. Laut UN Women dauert die Gleichstellung noch 285 Jahre. Seitdem Frauen und Queers für ihre Rechte kämpfen, gibt es Widerstände dagegen, auch in Deutschland. Hass auf ‚Gender-Ideologie‘, Verunklimpfung von Feminismus und Hetze im Netz gehen einher mit einem Rollback patriarchaler Geschlechterordnung, Rollenmuster und Strukturen. Problematisch ist, dass Antifeminismus weit in die Mitte der Gesellschaft reicht, denn leider tragen die antifeministischen Diskurse Früchte. Das macht u.a. die „Leipziger Autoritarismus-Studie“ deutlich. Die Gesellschaft ist polarisiert. Es gibt mehr Feminist*innen, aber auch mehr Antifeminismus. Was tun?Wie kann verständlich werden, dass Gleichberechtigung essenziell für eine demokratische Gesellschaft ist? Welche Strategien gibt es gegen Antifeminismus?

 

In Bonn wurden anlässlich des Internationalen Frauentages diese Fragen aufgegriffen. An der Podiumsdiskussion waren Jessica Rosenthal, MdB, Bundesvorsitzende der JUSOS, Carolin Wiedemann, Journalistin, Soziologin und Autorin („Zart und Frei – vom Sturz des Patriarchats“) sowie Fikri Anıl Altıntaş, #HeForShe-Botschafter von UN Women Deutschland beteiligt´, moderiert von Franziska Hilfenhaus, Journalistin und Autorin.

Eine allgemein gültige Definition von Feminismus gibt es nicht. Kurzgefasst handelt es sich um eine Haltung, die sich an Freiheit, Gleichstellung, und der Durchsetzung der juristischen, politischen und gesellschaftlichen Rechte aller Geschlechter orientiert. Feminismus ist eine politische und soziale Bewegung, die sich dafür einsetzt, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität gleichermaßen selbstbestimmt leben, selbst über ihre Körper und ihre Zeit verfügen können. Der feministische Kampf richtet sich zudem gegen ein patriarchales, sexistisches und diskriminierendes System. Es existieren zahlreiche feministische Konzepte, Theorien und Ziele.

‚Antifeminismus‘ bedeutet hingegen die Verneinung von Feminismus und aller Feminismen, und die Ablehnung dieser Ziele. Hedwig Dohm (1831-1931) hat den Begriff ‚erfunden‘. Antifeministische Forderungen unterstützen Privilegien für Männer und das Patriarchat. Im Extremfall münden menschenverachtende Ideologien in Hass und Gewalt. Feindbilder und antifeministische Botschaften – getragen von rechtspopulistischen und extremen Akteur_innen – gewinnen an Zulauf und stellen eine Gefahr für die Demokratie dar.

Carolin Wiedemann gab eingangs einen Impuls zu historischen Hintergründen und Ursachen antifeministischer Ideologien. Oftmals ist Antifeminismus eine Reaktion auf neue, feministische Errungenschaften. Ob es um Frauenbewegungen Anfang des 20. Jahrhunderts, oder in den 60er Jahren ging, stets gab es ein antifeministisches Echo. Das sei vor nicht allzu langer Zeit bei der Me-Too-Debatte sichtbar geworden, auf die die rechte Szene verstärkt negativ reagierte.

Hauptursachen des Antifeminismus sind laut Wiedemann tiefsitzende, patriarchale Ideologien in der Erziehung, Angst vor Machtverlust sowie der Wunsch nach Sicherheit. Je prekärer die ökonomische Situation ist, desto größer sei auch die Verunsicherung. Gerade dann schenken Menschen dem Narrativ der Bedrohung durch Feminismus Glauben. Die Sicherheit sei vermeintlich für viele der Wunsch nach Rückkehr zu alten Systemen. Das Ergebnis antifeministischer Mobilisierung von AfD und anderen rechten Kräften zeichnet sich in der Leipziger Autoritarismusstudie ab. 2022 war fast ein Viertel der Bevölkerung überzeugt davon, Feminismus sei eine Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung, was eine deutliche Zunahme von mehr als 6 Prozentpunkten zeigt.

Carolin Wiedemann sieht ein Übersetzungsproblem in der Gesellschaft, denn Feminismus werde als Gefahr für das „natürliche, gottgegebene und traditionelle“ Familienbild und als „Gender-Wahnsinn“ verunglimpft. Auch konservative und liberale Lager tragen Antifeminismus mit, indem sie sich über inklusive Sprache lustig machen.  „Feminismus wird häufig als autoritäre Bewegung abgetan, als Bedrohung dargestellt.“ Diejenigen, die aus Verunsicherung und nicht aus ideologischer Überzeugung Feminismus ablehnen, werden zu wenig erreicht. Das zu ändern, die Problematik besser zu „übersetzen“, würden zum Teil die Medien verantworten.

#HeForShe-Botschafter Altıntaş kritisierte die starke Ungleichverteilung von care-Arbeit und zweifelt das Konzept von Männlichkeit und ihrer Performance an. Sie müsse besonders im Zusammenhang mit Kriminalität hinterfragt werden. „Besteht die Notwendigkeit, an Männlichkeit, an binärer Ordnung und Machtstruktur festzuhalten?“

In der Bildung komme Aufklärung über Sexualität, Geschlechterrollen und auch Social Media zu kurz, wodurch eine Dekonstruktion von Rollenbildern nahezu unmöglich werde, so Jessica Rosenthal. Häufig fehle es an Zeit und die Umsetzung hänge stark von dem Engagement der Lehrkräfte ab. Dabei fehle es auch an passender Qualifikation für Lehrer_innen. In Bezug auf die aktuelle Jugendstudie, aus der hervorgeht, dass viele junge Personen traditionelle Rollenbilder unterstützen, schilderte Jessica Rosenthal ihre eigene Unsicherheit als Lehrerin im Umgang mit solchen Gruppen.

Altıntaş ergänzte, dass Bildung und Information besonders notwendig seien, da Hass und Hetze unabhängig von Raum und Format stattfänden. In der Sensibilisierung von Männern sieht er eine zentrale Aufgabe. Dabei dürfe aber nicht zu viel eingefordert werden, da das Ablehnung hervorrufe. „Man muss auch die Emotionen und Unsicherheiten von Männern ernst nehmen und ihnen mit feministischen Antworten begegnen.“

Online findet besonders viel Hass und Hetze gegen Feminist_innen statt. Personen wie Jordan Peterson verbreiten ungehindert antifeministische Ideologien, die mehr Menschen erreichen, als der YouTube-Kanal des Weißen Hauses.

Daher schlug Wiedemann vor, die digitale Öffentlichkeit zu vergesellschaften und demokratisch zu gestalten. Bisher bestimmten einzelne Unternehmer_innen, wer sich wie äußern darf. Das müsse geändert werden, da Plattformen wie öffentliche Plätze zu verstehen seien.

Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit haben kürzlich einen Leitfaden zum Thema feministische Außenpolitik veröffentlicht. Während der #HeForShe-Botschafter fehlende Aspekte bemängelte, äußerte Rosenthal, es sei ein erster, wichtiger Schritt. Es sei sehr wichtig, die feministische Perspektive im Zusammenhang mit Entwicklung und Wiederaufbau zu denken. Mit gezielten finanziellen Mitteln könne so eine feministische Perspektive, beispielsweise durch Förderung von Start-ups von ukrainischen Frauen, unterstützt werden.

Andere Aktionen wie das Abschaffen des Ehegattensplittings, eine 30-Stunden-Woche, Reformen des Elterngeldes und Minijob-Modells seien weitere erste Schritte in der Politik. Wichtig sei auch, gegensätzliche Meinungen anerkennen zu können und viel Geduld und Verständnis aufzuweisen. Zugleich sei die Bereitschaft, die eigene Position zu erklären unabdingbar. Solange sich Feminist_innen zusammenschließen, könne die Bewegung dennoch vorankommen. In den letzten Jahren nehme feministisches Engagement zu, ergänzte Wiedemann.

Die Aufwertung von Sorgearbeit durch Lohnerhöhungen, Aufbrechen von alten Strukturen, frühkindliche Erziehung und Bildung, aber auch radikales Umdenken von Männlichkeit sind wichtige Punkte, ebenso wie im Gespräch bleiben, immer wieder erklären und aufklären, Reframing und ein positives Bild von Feminismus vermitteln. Feministische Utopien haben nämlich oft ein ‚Übersetzungsproblem‘.

Anil Altıntaş plädierte dafür, sexistisches Marketing zu verbieten und auf globaler Ebene das traditionelle Familienbild zu hinterfragen. Denn die Ehe sei ein traditionell religiöser und konservativ betrachteter Begriff, dem ein antifeministisches Konzept zugrunde liegt.

Das Zusammendenken von Feminismus, Anti-Rassismus und Intersektionalität dürfe nicht fehlen - mehr Solidarität statt das Ausspielen von Gruppen. Feminismus ist für alle da.

Abschließend präsentierte Luca Swieter, Poetry Slammerin, zwei Texte, in denen sie mit Rhythmus und Humor mangelnde Reflektion und fehlendes Verständnis von manchen Männern an den Pranger stellte. In ihrem zweiten Text „Das Märchen der Gleichberechtigung im weiteren Sinne“ kritisierte sie den Beschützerinstinkt von Männern, die scheinbar ein Problem damit haben, wenn sie Töchter bekommen, weil „Ach, das ist ja so kompliziert“.

#smashpatriarchy #internationalerfrauentag

Berichterstattung: Johanna Krüger
Redaktion: Jeanette Rußbült

Antifeminismus Banner

Bild: Antifeminismus Banner von picture alliance / FES


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